Broschiert: 423 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2008
Originaltitel: Désert
Aus dem Französischen von Uli Wittmann
Kurzbeschreibung
Nach dem Tode ihrer Mutter lebt die junge Marokkanerin Lalla in der Obhut einer Tante in den Slums einer Stadt am Meer. Ihre Zeit verbringt Lalla am Strand oder am Rande der Wüste, beobachtet dort Tiere und Pflanzen. Der stumme Hirte Hartani ist ihr Gefährte und Vertrauter. Immer wieder träumt Lalla von den blauen Männern, dem Nomadenvolk der Tuareg, mit deren Geschichten und Legenden sie groß geworden ist. Als die 17jährige mit einem ungeliebten Mann verheiratet werden soll, flieht sie nach Marseille und arbeitet in einem billigen Hotel. Das Elend der nordafrikanischen Einwanderer, die Armut, in der sie leben, die Brutalität der Großstadt machen Lalla immer bewusster, dass sie ein Kind der Wüste ist, nur dort leben kann. Auch als sie von einem Fotografen entdeckt wird, der, fasziniert von der dunklen Schönheit des Mädchens, ihre Bilder auf den Titelseiten der großen Illustrierten veröffentlicht, will sie nicht in Marseille bleiben. Sie kehrt in ihr Land zurück, wo sie sich den blauen Männern, ihren Vorfahren, näher fühlt. Dort bringt sie das Kind zur Welt, das sie von Hartani erwartet.
J.M.G. Le Clézio hat in seinem Roman die Schönheit der Wüste Sahara mit der »Wüste« Marseille kontrastiert, auf kunstvolle Weise die Geschichte der Tuareg mit der Lallas verknüpft. Das Buch nimmt gefangen durch die Ursprünglichkeit Lallas, die wilde Fremdartigkeit der Tuareg, verzaubernde Naturbeschreibungen und eine ungewöhnlich poetische Sprache
Über den Autor
J.M.G. Le Clézio, 1940 in Nizza geboren, studierte in Frankreich und England Literatur. Er veröffentlichte über dreißig Bücher - Romane, Erzählungen, Essays - und erhielt zahlreiche Literaturpreise. LeClézio lebt abwechselnd in Frankreich und Neumexiko.
Für Wüste erhielt J.M.G. Le Clézio den Prix Morand der Académie française
Meine Meinung:
Es gibt zwei Handlungsstränge, die zeitlich stark versetzt sind und sich im Buch abwechseln.
Bei den Tuaregs 1909 steht der junge Nuor im Mittelpunkt. Die Tuaregs befinden sich auf einer langen Wanderung durch die Wüste. Sie sind auf der Flucht vor der Kolonisation durch Frankreich. Der Stamm kämpft ums Überleben, die Karawane zieht auf Jahre in großer Not immer weiter.
Als zweite Ebene lebt das marokkanische Mädchen Lalla an der Küste bei ihrer Tante.
Obwohl sowohl Nuor als auch Lalla die zentralen Figuren des Buches sind, haben sie in erster Linie beobachtende Funktion. Ihre Reisen sind als exemplarische Erlebnisse aufzufassen
Für J.M.G. Le Clézio muss man Geduld mitbringen und das gilt besonders für den preisgekrönten Roman Wüste. Aber das sollte nicht schwer sein. Es sollte eine Geduld sein, die nicht darauf wartet, dass etwas passiert. Stattdessen kann man den Betrachtungen der Tuareg in der Wüste und dem Mädchen Lalla folgen. Langsam entsteht ein Bild voller Poesie. Wie die Tuareg lebt auch das Kind in großem Einklang mit der Natur. Le Clézio beschreibt diese Welt unaufdringlich, aber detailreich
Die Kindheitsbeschreibungen Lallas sind zwar idyllisch, doch die Armut wird nicht geleugnet. Insbesondere für die Waisenkinder ist ein hartes Leben Realität.
Als Lalla an einen alten, aber wohlhabenden Mann verheiratet werden soll, beschließt sie zusammen mit ihrem Freund, den stummen Hirten Hartani in die Wüste zu fliehen.
Später führt sie ihr Weg nach Frankreich. Die Abschnitte in Marseille drücken eine große Trostlosigkeit aus. Das gilt gerade auch für die Passagen mit dem Straßenkind und Dieb Radicz.
Bei diesem Roman wendet Le Clezio einen leichten, fließenden Schreibstil an, der sich problemlos weglesen lässt. Vielleicht hängt es sogar mit dem gewählten Stil zusammen, dass trotz massiver sozialer Themen am Ende ein wenig das Gefühl von Substanzlosigkeit bleibt.
Dennoch hat das Lesen dieses Romans einige Stunden Lesegenuß bereitet. Für Einsteiger in das Werk des Literaturnobelpreisträgers ist Wüste eine geeignete Wahl.
 |
ASIN/ISBN: 3462041215 |