Mein Bruder – Jamaica Kincaid

  • Fischer Taschenbuch, 172 Seiten
    Originaltitel: My brother
    Aus dem Amerikanischen von Sabine Herting



    Kurzbeschreibung:
    "Mein Bruder" ist die Geschichte einer Heimkehr und eines Abschieds. Jamaica Kincaid will ihren Bruder noch einmal wiedersehen, denn Devon ist an Aids erkrankt. Jamaica Kincaid verleiht ihm eine Stimme, die "zugleich karg und kühn, asketisch und schamlos" ("NZZ") ist - das Porträt einer Sehnsucht.


    Über die Autorin:
    Jamaica Kincaid, geboren 1949 in St. John auf der Karibikinsel Antigua, verließ ihre Heimat als junge Frau und arbeitete in den USA unter anderem als Dienstmädchen und als Fotografin, um sich ihr Studium zu finanzieren. Danach war sie auch journalistisch tätig. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Kindern in Vermont, USA, und hat mehrere Prosabände und Romane veröffentlicht.


    Meine Meinung:
    Der Roman ist ein offenbar stark autobiographisch gefärbter Text über den Aidstod des Bruders der Autorin. Sie lebt in Amerika und kehrt in die Karibik zurück, als er krank wurde. Die Gesundheitsversorgung bei HIV-Positiven ist schlecht im Land, Jamaica Kinkaid schafft es, Devon mit AZT und anderen Medikamenten zu versorgen, um sein Leben zu verlängern. Dafür muss sie sich sogar verschulden.


    Devon verhält sich unverantwortlich, er trinkt, lügt, stiehlt und er schläft ungeschützt mit Frauen, z.B. mit einer jungen Frau aus Guinea, die nach Antigua zum Arbeiten kam. Arbeiten, die die Antiguaner nicht mehr machen wollen.


    Der Stil ist nüchtern gehalten, fast kühl. Außer ihre Beziehung zum wesentlich jüngeren Bruder steht auch die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung im Vordergrund.


    Jamaica Kincaid sieht ihre frühere Heimat besonders realistisch, weil es ein Blick aus der Distanz ist. Sie lebt schon lange in de USA, ihren Bruder hat sie selten gesehen. Trotzdem haben die Krankheit und der Tod des Bruders eine bedrückende Wirkung auf die Autorin. Nur in manchen Passagen behagt mir ihr Stil nicht, wenn der Text selbsttherapeutisch wirkt.


    Das ist kein kuschliges Buch. Einige Passagen sind wie eine Abrechnung, die Beschreibungen des Krankheitsverlaufs sind drastisch.
    Das Thema nimmt das Buch sehr ein, es bleibt leider enttäuschend wenig Raum übrig um viel über das Land Antigua zu erzählen.


    Jamaica Kincaid gewann im Jahr 2000 für diesen Roman den wichtigen französischen Literaturpreis Prix Femina, einem Preis der für die Darstellung von Frauen in der Literatur, der von einer ausschließlich weiblichen Jury vergeben wird.
    Das sehe ich auch aus männlicher Perspektive verdient, sowohl in der Selbstbetrachtung als in der Darstellung der Mutter.