Kurzbeschreibung
Ein Dokument der deutschen Emigration, das an Brisanz, Brillanz und Witz Zuckmayers legendärem »Geheimreport« in nichts nachsteht.
Wenn es ein Buch gibt, das man Zuckmayers Autobiographie »Als wär`s ein Stück von mir« an die Seite stellen kann, dann ist es der Briefwechsel mit seinem Freund und zeitweiligen Mitarbeiter Albrecht Joseph (1901-1991): Was er dort aus der rückblickenden Distanz schilderte, berichtet er hier aus der unmittelbaren Perspektive des Zeitgenossen. Zuckmayers Briefe enthalten Schilderungen von umwerfender Komik, zum Beispiel von Besuchen bei Emil Jannings. Sie handeln überraschend häufig von Fragen des politischen Tagesgeschehens und bergen in der Zeit des amerikanischen Exils sogar äußerst brisante Nachrichten, die Zuckmayer kurz vor Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg aus Kreisen des deutschen Widerstands erreichten. Detailliert und lebendig schildert er immer neue Pläne zu Theaterstücken und Romanen, die dann schließlich doch nicht realisiert wurden, und er berichtet von Verhandlungen und Begegnungen mit bekannten Schauspielern, Regisseuren und Filmproduzenten, deren Namen man in seiner Autobiographie vergeblich sucht.
Carl Zuckmayer wurde am 27. Dezember 1896 in Nackenheim am Rhein geboren. Nach dem Abitur in Mainz meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. 1918 begann er ein kurzes Studium der Geistes- und Naturwissenschaften in Frankfurt a.M. und Heidelberg. 1920 ging er nach Berlin. Erste Stücke blieben ohne Erfolg, erst 'Der fröhliche Weinberg' brachte ihm 1925 den Durchbruch und den Kleist-Preis. 1933 verhängten die Nationalsozialisten ein Aufführungsverbot über ihn. Er zog in sein Haus nach Salzburg. 1938 floh er in die Schweiz, ein Jahr später emigrierte er in die USA, wo er als Farmer lebte. Von 1947 bis 1957 hielt er sich abwechselnd in der Schweiz und in den USA auf. 1958 kehrte er endgültig in die Schweiz zurück. Am 18. Januar 1977 ist er als einer der über Jahrzehnte erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren in Visp (Wallis) gestorben.
Albrecht Joseph wurde 1901 geboren. Er war Literarhistoriker und Theaterregisseur, Schriftsteller und Sekretär bei Franz Werfel. Er starb 1991. Weitere Informationen über ihn sind hier zu finden --->KLICK
Gunther Nickel war von Februar 1984 bis April 2002 Wissenschaftlicher Angestellter in der Handschriftenabteilung des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Seit Mai 2002 ist er Lektor des Deutschen Literaturfonds in Darmstadt.
Erwin Rotermund, ist Professor (em.) für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Eigene Meinung
Dieses Buch hat mir wieder einmal mehr aufgezeigt, dass solche Briefwechsel für weiterführende biografische "Studien" ganz prima geeignet sind. Briefe gewähren einen unverfälschteren Blick auf die beteiligten Personen, als es eine Autobiografie/Biografie bieten kann. Sie zeigen – so man sich vertiefter einlassen mag – auf eine lebendige Art die diversen Schwächen, Stärken, Be- und Empfindlichkeiten, die Widersprüchlichkeiten, die Macken, und, und und, der Briefeschreiber auf….
Carl Zuckmayer und Albrecht Joseph haben sich in jungen Jahren kennengelernt, beide waren sie am Theater in Kiel angestellt, schnell entwickelte sich ein Gefühl des tiefen Verständnisses zwischen den beiden, das über Jahrzehnte anhielt. Vor allem in den Anfangsjahren dieser Freundschaft wirkte sie sich auch literarisch-kulturell sehr produktiv aus, da sich ihre unterschiedlichen Begabungen gut ergänzten. Der Zuckmayer sprudelte über von Einfällen für Theaterstücke, der Joseph war der Handwerker, der sein theatertechnisches Wissen um die dramaturgische Machbarkeit einbrachte.
So entstand – was heute wohl kaum mehr jemand weiss – der HAUPTMANN VON KÖPENICK in zuckmayer- joseph’scher Co-Produktion.
Einigemale spricht Zuckmayer in seinen Briefen an, dass ohne Josephs Mitarbeit der HAUPTMANN VON KÖPENICK gar nicht zustande gekommen wäre, oder dass dieser riesige Erfolg ohne ihn nicht möglich geworden wäre.
Doch genau diese gemeinsame Arbeit hat dann Jahrzehnte später, als sich beide bereits längere Zeit in der Emigration in Amerika aufhielten – der Zuckmayer in Vermont, der Joseph in Hollywood – erste tiefgreifende Entfremdungen in diese Freundschaft gebracht, als es um irgendwelche Rechte und um finanzielle Beteiligungen ging an einer amerikanischen Filmfassung......beide fühlten sich vom anderen auf irgendeine Weise hintergangen. Worum genau es ging, das konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Ein unentwirrbares rechtliches Durcheinander, in dem sich glaubs die Beiden selber nicht mehr wirklich so ganz zurechtfanden.
Doch man schrieb sich trotzdem noch weiterhin Briefe….aber man spürt, dass das frühere gegenseitige Vertrauen sehr gelitten hat. Hat man sich über Jahrzehnte vertrauensvoll augetauscht über neue Pojekte, über die politische Lage, über aussereheliche erotische Abenteuer, respektlos über gemeinsame Freunde getratscht, so werden die Briefinhalte zunehmend vor allem zu Beschwörungen alter Zeiten….zu einem Bedauern darüber, dass man es einfach nicht schafft, sich mal wieder zu treffen….zu einer Art Abgesang auf eine einst wirklich sehr tiefe, bereichernde, vertrauensvolle, über weite Strecken auch verzeihende und tragende Freundschaft….
Leider klaffen in diesem Briefwechsel grosse Lücken. Die Briefe Josephs aus den Anfangsjahren sind bei der Flucht Zuckmayers aus Oesterreich, in seinem Haus Wiesmühl in Henndorf liegengeblieben und wurden nicht mehr gefunden. Einen Teil der späteren Briefe Josephs hat die Alice Herdan-Zuckmayer vernichtet, warum sie das tat, das konnte ich nirgends erfahren und ist mir rätselhaft. Einen Teil der Briefe Zuckmayers hat irgendeine der vielen Ex-Frauen/Ex-Geliebten Josephs vernichtet, weil sie angeblich seinen intellektuellen Freundeskreis nicht mochte….
Albrecht Joseph hat später – vermutlich im Wissen um den Wert der zuckmayer'schen Briefe und wohl auch im Hinblick auf eine mögliche spätere Veröffentlichung - dem Zuckmayer seine eigenen Briefe packenweise als Geschenk zu irgendwelchen runden Geburtstagen retourgeschickt.
Trotz der grossen Lücken im Briefwechsel ist dieses Buch ein einmaliges Dokument nicht nur einer bereichernden und kreativen Freundschaft, sondern darüber hinaus auch über die Zeitgeschichte und die Geschichte der damaligen Theater- und Filmwelt Europas und Amerikas...
Ein Link zu einer Seite, die einiges an weiteren interessanten Informationen über diesen Briefwechsel und die literarische Zusammenarbeit der beiden Männer beinhaltet --->KLICK
Edit: Fehler korrigiert und Text minimal ergänzt.