Island nach dem Zweiten Weltkrieg: Da Aggas Eltern früh gestorben sind, wird sie von ihren Großeltern aufgezogen. Ihr Großvater ist meistens auf See, und si sind es vor allem die weiblichen Verwandten, die im Haus ihrer Großeltern leben, die ihre Erziehung übernehmen. Als jedoch die entferne Verwandte Freyja aus Amerika zurückkommt, ist die Ruhe im Haushalt ihrer Großmutter dahin. Die Frauen sind von dem Luxus, den Freyja mitbringt, und von ihrem weltmänischen Auftreten, begeistert - Die Männer von ihrer zarten Figur und ihren langen, roten Haaren gerade zu überwältigt. Nur Agga empfindet Freyja von Anfang als "kalt wie eine Leiche". Reichlich merkwürdig kommt ihr das exzentrische Verhalten Freyjas vor und hegt bald einen schrecklichen Verdacht. Sie spioniert Freyja nach.
Baldursdottir erzählt die Geschichte konsequent aus der Sicht der zwöfjährigen Agga. Die Gefahren einer kindlichen Perspektive - eine zu unkindliche Sprache und Gedankengänge, die einem Kind fremd wären - umschifft sie sorgfältig, mit der Konsequenz, dass die Sprache des Romans gelegentlich ein bißchen an ein Jugendbuch erinnern. Der Inhalt des Romans jedoch ist hochkomplex. Obwohl die Erzählerin Agga, Freyja hasst und mißtraut, kann man sich als Leser zwischen Abscheu und Verständnis kaum entscheiden. Erzählt wird hier die Geschichte einer jungen Frau, die offensichtlich schwere psychische Probleme hat, eine Frau, die jedoch nicht bereit ist, die rigiden Geschlechterrollen und die starre gesellschaftliche Hierarchie in den isländischen Provinz in den 50er Jahren einfach so hinzunehmen. Freyja stemmt sich gegen ihre Umwelt, ihre Mittel werden jedoch zunehmend exessiv und rücksichtlos gegenüber dieser Umwelt.
Gepaart ist diese Erzählung mit einem kargen isländischen Setting, das einen guten Eindruck von einem Leben vermittelt, dass man sich mühsam von der Natur abbringt und ständig gegen sie behaupten muss.
Schönes Buch!