'Das Geheimnis des fünften Evangeliums' - Seiten 080 - 117

  • Was es nutzt, wenn man den konzertbesuch in einen leseabend umwandelt:


    Celsus sagt im Wahren Wort etwas treffendes, das für alle religiösen eiferer gleichweder coleur gilt: Mitglieder führten sich auf wie die in extasen der geistesgetriebenheit augenrollenden und schäumenden verehrer solcher fremden Götter wie Attis und Kybele - ich sah letzte weihnacht vor einem einkaufstempel einen schaumtriefenden, augenrollenden apokalypsen-prediger, und war stark versucht die haller nervenklinik anzurufen (mal davon abgesehen, dass er recht hatte, denn der shoppingwahn hat so gar nichts mit religion zu tun, religion wird nur vorgeschoben),
    weiters beobachtet er (Celsus, nicht der kaufhaus-prediger): andere operierten mit beschwörungen und zaubersprüchen (na, das ist genau das, was die leute wollen, und was ich im italienischen TV sah, das von esoterik überquillt: das ritual des tages: nimm eine gelbe/grüne/blaue/rote/rosa/weisse/violette kerze, ein schälchen wasser/wein/mehl/einen stein/blumen/ein papier etc, und dann beschwöre deinen engel/guten geist/magisches krafttier/die glückselfe mit folgenden worten... :rolleyes)
    Celsus beobachtet, dass einfache leute unter die philosophischen lehrer und vordenker gegangen wären: 'Wollarbeiter, Schuster und Walker' lehrten - ja, das liest sich wie die fundamentale dreieinigkeit jeder revolution der letzten 2000 jahre



    Und weil ich so fleissig gelesen hab, weiss ich auch, dass es unter den urchristen einen Mann namens Markos gab, der nicht nur zahlenmystiker sondern auch urtontheoretiker war... - lesen bildet eben ungemein!


    Is schon komisch: er meint, das Schöpfungswort wäre 'O' gewesen, auch stöhnlaute beschriebe die göttlichen geburtswehen und auch Amen sei ein urton für den göttlichen gesang
    - ich denk da mal ganz frei und automatisch an: Ooooommmm aka Aaaaaoooouuuuummm (da gibts einen mp3 download für eine 45 min meditations-session: http://rapidshare.com/files/73077553/Om.mp3.html )
    Aaaaaoooouuuummm - wenn man dann nicht in jenseitige sphären entrückt ist, und komische lichter sieht... - also, ich weiss nicht...)


    wie sagt sie auf pagina 107 so treffend unter den verschiedenen bewertungsmöglichkeiten von prophezeihungen: 'Ausgeburt einer überhitzten Phantasie'
    (also mir beginnt bei dem Mönchs-Aum zu frösteln, die phantasie ist damit stark unterkühlt)


    auf 114 bemerkt sie über das eher uninspirierte zurechtschreiben (junge Frau = Jungfrau, 'Ein Esel, einer Eselin Füllen' = zwei Eseln, etc) der evangelien, auf dass sie zu den alttestamentarischen prophezeihungen passen: 'Nichtgläubige finden derlei Beweise oftmals an den Haaren herbeigezogen.'
    Oftmals? Beständig.


    Das fängt mit der überhitzten phantasie der urautoren an, und gipfelt dann im anpassen der ereignisse an die älteren literarischen werke - self fulfilling prophecy: man muss nur darauf fixiert sein, dann passierts auch, bzw, man sieht, dass es passiert ist, ich denk da mal an die centurien des Nostradamus, die alle 20 jahre umgeschrieben und umgedeutet werden, und es ist immer ganz logisch, wie da argumentiert wird... nun, der text ist so vage und wirr, er lässt jede interpretation zu...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Seite 81: Das Thomasevangelium lehrt jedoch, daß die Erkenntnis der eigenen Gottähnlichkeit der Schlüssel zum Reich Gotte ist.
    Dieser Gedanke ist mir schon mal in einem Buch begegnet, nur erinnere ich momentan nicht, in welchem Zusammenhang.



    Auf Seite 87 bin ich darüber gestolpert, daß es Irenäus alleine gewesen sein soll, der den Kanon der vier Evangelien festgelegt hat. Konnte das einer im Alleingang wirklich so bestimmen?



    Steht das mit den Eseln nicht auf Seite 111? Wie dem auch sei, die Wandlung von der „jungen Frau“ zur „Jungfrau“ ist mir auch schon öfters begegnet (Seite 113). In Romanform beispielsweise im Romanzyklus „Die Ahnen“ von Gustav Freytag. Der beginnt im 4. Jahrhundert und endet um 1820. Die Bedeutung der Worte wandelt sich mit dem Laufe der Zeit. Damals beim Lesen ist mir erstmals aufgegangen, daß früher mit „Jungfrau“ einfach eine junge Frau ohne weitere Hintergedanken gemeint war. Im Roman fand der Bedeutungswechsel, wenn ich mich recht entsinne, im Hochmittelalter statt. - Daß man sich daran so „aufhängen“ und sogar eine Lehrerlaubnis aufs Spiel setzen kann, konnte ich noch nie nachvollziehen. :rolleyes




    OT:

    Zitat

    Original von MagnaMater
    (also mir beginnt bei dem Mönchs-Aum zu frösteln, die phantasie ist damit stark unterkühlt)


    Mit anderen Worten, Du wärst im Kloster Nevarsin gut aufgehoben. :chen ;-)
    (Anm. zur Erklärung: bezieht sich auf ein Kloster in dem Romanzyklus „Darkover“ von Marion Zimmer Bradley, wo es kalt, also wirklich kalt, in den Schlafräumen ist.)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • das mit den nichtgläubigen und den haaren steht auf 114, die esel&jungfrausache auf 113... :lache


    Das mit Nevarsin ist so eine sache, die lassen erstens frauen nicht rein, und zweitens haben die dortigen christoforo-brüder was dagegen, dass man sich das bett teilt, um sich zu wärmen...
    Nix für mich, auf ganzer linie... What a pity... not really...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Ich war der Meinung, dass ich bereits im nächsten Abschnitt wäre. War ich aber nicht. Aber diesen habe ich nun fertig.


    Das eine junge Frau zur Jungfrau wurde war mir neu, aber dafür ist das Thema Religionsgeschichte auch ein neues für mich. Beim lesen kann mir dann der Gedanke, dass ich ein englisches Buch lesen könnte und da sicher dutzende von Wundern finde :yikes Befremdlich für mich, wie so ein Stützpfeiler des Neuen Testaments auf so einfache Weise erklärt wird.


    Die Erklärungen zu all den Prophezeihungen fand ich spannend und wie Magna Mater schon schrieb, irgendwann wird das selbst-prophezeihend. 2012 erleben wir ja die nächste.


    Erstaunlich fand ich, wie Irenäus es geschafft hat seine Meinung so konsequent durchzudrücken. Das es da anscheinend niemanden gab, der sich auflehnte oder es schaffte ein anderes Evangelium bestehen zu lassen. Wie es Menschen schaffen, das alle anderen ihnen folgen ist mir bis heute ein Rätsel, aber die Geschichte hat oft genug gezeigt, das es funktioniert. Und auch das Christentum blieb nicht verschont.
    Unklar blieb mir in dem Abschnitt, wie sich die Machtstrukturen der Christen zur Zeit des Irenäus zusammen setzen.

    :lesend Jonathan Tropper - Sieben verdammt lange Tage


    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
    Albert Einstein

  • Ich frag mich die ganze zeit, was die Irenäus-schüler beim konzil für eine lobby hatten, ich finde es ziemlich kühn, das jüngste Evangelium, dass zeitlich am weitesten vom geschehen entfernt ist, und sich am stärksten von den anderen dreien unterscheidet, und eine völlig in unirdische sphären transzendierte ausdeutung hat, an den ANFANG des neuen Testaments zu stellen, und nicht dort, wo's zeitlich hingehört: an den schluss, vor der apokalypse.


    aber es hat wahrscheinlich seinen sinn... das liest man als erstleser zuerst, und meint, das war einfach schon am anfang so, und geht deswegen schon voreingenommen - Jesus=Gott - an die anderen Evangelien heran, und kann nicht mehr frei denken: Jesus war Prophet, Auserwählter eines Gottes, philantropher Philosoph, wenn man sowas glaubt, ist man gleichzeitig kein rechtgläubiger mehr...


    Gleich im Anfang kommt 'Jesus ist Gott' daher... und Jesus in seiner unangenehmsten form als religiöser hetzer, der den tempel erstürmt (Lazarus verweisen wir mal kurz entschlossen in den bereich der späteren legendenbildung, es sei denn, Jesus war wirklich ein guter arzt, der einen scheintoten erkennt; ich hab im hinterkopf, der Apollonsohn Asklepius musste ebenfalls sterben, weil er tote erweckt hat, und wäre übernahme des legenden-konstrukts)
    Diese strategische positionierung kommt mir irgendwie wie die gezielte lenkung von schafen vor...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Ich gebe zu, ich muß mich inzwischen ziemlich zu dem Buch zwingen, drum wenigstens ein paar Anmerkungen zu Euren Posts.


    Zitat

    Original von Zen-71
    Erstaunlich fand ich, wie Irenäus es geschafft hat seine Meinung so konsequent durchzudrücken.
    (...)
    Unklar blieb mir in dem Abschnitt, wie sich die Machtstrukturen der Christen zur Zeit des Irenäus zusammen setzen.


    Solches (wie einige wenige das schaffen) erstaunt mich auch immer wieder, zumal das Papsttum damals noch nicht die Bedeutung wie später hatte.



    Zitat

    Original von MagnaMater
    Diese strategische positionierung kommt mir irgendwie wie die gezielte lenkung von schafen vor...


    Ich fürchte, dieser Ansicht kann ich mich anschließen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • ich hoffe auf Lesezeit nächste Woche :-) das Leben will im Moment mehr von mir als ich von ihm, aber ändern lässt es sich nicht


    :wave

    :lesend Jonathan Tropper - Sieben verdammt lange Tage


    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
    Albert Einstein

  • Zitat

    Original von Zen-71
    (...) das Leben will im Moment mehr von mir als ich von ihm, aber ändern lässt es sich nicht


    :write Sehr gut ausgedrückt. Ich habe heute immerhin einige Seiten weitergelesen. Jetzt fehlen noch so 15 zum Abschnittsende (Seite 145); wenn ich die habe, schreibe ich wieder hier.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")