"Beobachtungen eines Evolutionsbiologen", so der Untertitel.
Der Autor: (Buchrücken)
Dr. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe und Kurator am Museum für Naturkunde der Humboldt-Universtät Berlin. Seine Forschungsreisen führten ihn durch die ganze Welt. Außerdem ist er seit vielen Jahren als Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor tätig. Für seine wissenschaftlichen und publizistischen Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Das Buch: (Britta Petersen auf Amazon)
Mit der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes halten wir den Bauplan des Menschen in unseren Händen, der uns eine Vielzahl von Erkenntnis- und Anwendungsmöglichkeiten bietet. Unter anderem deswegen ist die Genetik diejenige der Teildisziplinen der Biologie, die am meisten Aufmerksamkeit auf sich zieht und die Biologie ins öffentliche Interesse gerückt hat. Die Biologie, die Lehre des Lebens, ist jedoch weit mehr, als molekulare Genetik allein. Und allein wird es die Genetik ganz sicher auch nicht schaffen, die vielen immer noch offenen Fragen über die Mechanismen und die Entwicklung des Lebens zu beantworten.
Genau diese Gedanken liegen auch Mathias Glaubrechts Buch Die ganze Welt ist eine Insel zugrunde. Der Autor schildert hier überaus unterhaltsam und mit großer Sachkompetenz, wie aufregend und vor allem wie unglaublich vielfältig die Erforschung des Lebens sein kann. Mit seinem Werk spannt er einen Bogen von der Wirkung genetischer Informationen bis hin zu den Fragen nach Ursprung, evolutionärer Entwicklung und biologischer Vielfalt. Dabei bespricht er in jedem Kapitel die interessantesten Fragestellungen und Fallbeispiele. Wieso gibt es Eier? Was ist Schönheit? Wie wurde der Mensch zum Menschen und wieso ist die ganze Welt eine Insel? Welche Wege ging die Wissenschaft in der Vergangenheit und wo steht sie heute?
Dem Gedanken an eine "Symphonie des Lebens" folgend teilt Glaubrecht seinen Band in vier Sätze ein. Dabei lässt er das Konzert mit "Genen, Sex und Symbiose" beginnen, um über einen recht ausführlichen und höchst informativen Abstecher in die Theorien der Artenbildung und einen Blick in graue Vorzeiten bei der selbst ernannten "Krone der Schöpfung" einen runden Abschluss zu finden.
So wird Glaubrechts Buch zu einem mehr als unterhaltenden Konzertbesuch für alle, die in der Biologie mehr sehen, als die Basenabfolge auf einem Stückchen Erbgut!
Meine Meinung:
Ich habe das Buch im Zuge meines Alt-SuB-Abbaus gelesen. Es lag auf alle Fälle zu unrecht mehrere Jahre ungelesen herum.
Die Idee, dem ganzen den Rahmen einer Symphonie zu geben hat mir gut gefallen. Zu Beginn war es etwas holperig, da im ersten Satz (= eins der vier Großkapitel) zunächst Fachbegriffe verwendet und erst im nachhinein erklärt werden. Aber glücklicherweise setzte sich diese Vorgehensweise nicht fort. Insgesamt reißt Glaubrecht viele interessante Probleme und Fragestellungen an, die natürlich in der Kürze des Buches nicht sehr tief ausgearbeitet werden können. Trotzdem ist sein Buch alles andere als oberflächlich. Immer wieder weißt er auf Ungereimtheiten oder Lücken in der allgemeinen Lehrmeinung hin (zum Beispiel, ob der Neandertaler nun ein Vorfahr vom modernen Menschen ist oder nicht) und gibt Denkanstöße, wie sich Daten auch anders deuten lassen könnten. Er kommt dabei nicht mit der Holzhammermethode daher und zweifelt per se an, sondern er scheint vielmehr den Leser sensibilisieren zu wollen, dass nicht alles so sein muss, wie es beim ersten Blick zu sein scheint (aber es kann natürlich trotzdem so sein).
Insgesamt schlägt er einen schönen Bogen von der Genetik, Biosystematik und Evolution bis hin zum Menschen. Sehr gut gefällt mir dabei, dass er sich dabei auch auf andere Autoren und deren Ansichten bezieht, und ihre Ideen nicht indirekt als die seinen verkauft (das ist allerdings auch eine Problematik die er anspricht, dass eben allzuoft Wissenschaftsautoren sich gegenseitig ausspielen und Referenzen der eigenen Gedankengänge unerwähnt lassen... von daher wäre alles andere auch eigenartig gewesen). Andererseits kritisiert er auch das Vorgehen von Wissenschaftlern zum Teil, wenn zum Beispiel in der Archäologie allzu fantasievoll neue Arten aufgrund eines Knochenfragmentes kreiert werden, nur weil sich eine neu entdeckte Art zum Beispiel im Lebenslauf oder der Finanzlage des Wissenschaftlers besser auswirkt.
Immer wieder übt er Kritik an der zunehmenden Vernachlässigung der Biosysthematik zugunsten moderner Biowissenschaften wie der Genetik. Ich muss gestehen, dass er mich damit direkt auf seiner Seite hatte, ich bin da wohl ein wenig befangen
Der gesamte Stil des Buches bewegt sich irgendwo zwischen den allzu flapsigen Populärwissenschaften und den trockeneren populären Sachbüchern: Es eigenet sich nicht als Nachschlagewerk wie manch andere Bücher dieser Sparte (zumal ein Sachwortregister fehlt), aber man bekommt auch nicht einfach nur bereits zigfach durchgekautes neu serviert, sondern muss beim Lesen schon ein wenig bei der Sache bleiben.
Insgesamt ist das Buch auf alle Fälle lesenswert.
Von mir bekommt es gute 7 Punkte von 10.
lieben Gruß
Aj