Das mechanische Herz
Von Dru Pagliassotti
Taschenbuch, 510 (klein bedruckte) Seiten
Im Feder & Schwert - Verlag
Klappentext (Buchrückseite)
Taya schwebt auf metallenen Schwingen über Ondinium. Sie ist eine Ikarierin - eine Kurierin, die sich frei in allen Sektoren der Stadt bewegen und ungehindert mit all ihren Kasten Umgang haben darf. Doch selbst sie kann dem Netz aus Terrorismus, Mord und Intrigen nicht entrinnen, in das sie sich nach einer kühnen Luftrettungsaktion verstrickt. Taya bekommt es mit den Brüdern Forlore zu tun, Sprösslinge einer Oberschichtfamilie: dem gutaussehenden, brillanten Allister, der im Regierungsrat sitzt und Programme für die Große Maschine schreibt, und dem linkischen, aber scharfzüngigen Cristof, der seiner Kaste den Rücken gekehrt hat und im ärmsten Viertel Chronometer repariert. Beide hüten gefährliche Geheimnisse in dieser Stadt mit dem mechanischen Herzen ...
Über die Autorin (von www.feder-und-Schwert.de)
Dr. Dru Pagliassotti unterrichtet Kommunikationswissenschaften an der California Lutheran University in Thousand Oaks und unterhält seit über 11 Jahren das Webzine The Harrow. Zu ihren Lieblingsthemen zählen hartgesottene Belletristik, verrückte Fantasy, Kostümpartys, Horror, Raymond Chandler, Power-metal, Mac-Computer, Manga, Anime, Tischrollenspiele, einfaches Leben und große Schiffe. Sie liebt Reisen, Leguane und das Herumwerkeln an jeder ihrer vier kaputten Taschenuhren. Besuchen Sie Dr. Pagliassotti unter drupagliassotti.com.
Ihren ersten Roman Das mechanische Herz (Clockwork Heart) bezeichnet Dru selbst als "steampunk romance" und somit ist das romantische Action-Abenteuer genau richtig in Feder&Schwerts neuer Reihe Steampunk.
Meine Meinung
„Steampunk Romance“ - das war das Zauberwort, welches mich bereits am Haken hatte, als ich noch nicht einmal einen Klappentext kannte (auf Amazon gibt es bisher keinen). Nun, eine Beziehungsgeschichte gibt es durchaus, aber das Genre „Romance“ rechtfertigt diese nicht, denn das Ganze bleibt doch ziemlich im Hintergrund. Das Paar kommt sich in der zweiten Romanhälfte zwar langsam näher, aber im Grund haben die beiden einfach keine Zeit für Romantik oder tiefere Gefühle und lassen es langsam angehen. Erotik gibt es auch nicht. Romance? Eher nicht.
Das tut dem Buch aber keinen Abbruch - für manch einen wird es dadurch vielleicht erst interessant - ich wollte es nur erwähnen, damit keine falschen Erwartungen aufkommen.
Aber nun von vorne. Der Einstieg ins Buch fiel mir ehrlich gesagt sehr schwer, was mit an der Sprache (und vermutlich auch an der Übersetzung) lag. Zunächst fällt auf, dass das Buch konsequent in alter Rechtschreibung übersetzt ist. Irritierend bei brandneuen Büchern. Auch verwirrend: Bewusste Gedanken werden in "Anführungsstriche" gesetzt, genau so wie wörtliche Rede, sodass man oft gar nicht recht weiß, was nun gedacht wurde, und was gesagt.
An manchen Stellen hatte ich den Eindruck, dass die Übersetzerin in der deutschen Sprache nicht ganz sicher ist, so wurde „indem“ zum Beispiel als gleichwertiges Synonym für „während“ verwendet. Man möge mich korrigieren, wenn ich irre, aber mir erschien das falsch. Auch fallen ganz zu Anfang ein paar Satzkonstruktionen auf, die ich als störend und unnötig kompliziert empfand, aber das bessert sich nach ein paar Seiten, oder man gewöhnt sich dran, mir ist zumindest nichts mehr aufgefallen, nachdem ich einmal „drin“ war.
Inhaltlich wirft uns die Autorin sofort mitten ins Geschehen - was ich liebe. Es dauert schon so seine paar Seiten, bis man versteht, um welche Art von Wesen es sich bei Hauptfigur Taya Ikara nun überhaupt handelt. Bis man das Settig - die Stadt Ondinium und die Art, wie diese mithilfe von Maschinen funktioniert -, im Ganzen begreift, vergeht etwa die Hälfte des ganzen Buches; nur Stück für Stück bekommt man mehr Informationen über diese hochkomplex ausgearbeitete Welt. Ich muss sagen, dass diese Stadt grandios dargestellt wird! Ich war vollkommen beeindruckt, wie es der Autorin gelingt, mit vielen lebendigen Details eine Welt zu entwerfen, bei der es schwer fällt, zu glauben, dass es sie nicht gibt … Alles ist glaubwürdig, logisch, und jeder Glanz bekommt seine Schattenseite. „ES LEBT!“ Fantastisch!
Die Kehrseite der Medaille sind allerdings die etlichen Eigenbegriffe. Ich fühlte mich bisweilen vollkommen bombardiert von all den Bezeichnungen. Normalerweise finde ich Glossare unnötig: Dies ist das erste Buch, von dem ich denke, dass es eines gebraucht hätte. Dringend. Leider gibt es keines, und das macht das Lesen gerade in der ersten Hälfte sehr anstrengend. Man versteht die Geschichte zwar auch, ohne fest im Kopf verankert zu haben, was es mit all den Bezeichnungen genau auf sich hat - zumal eben auch nicht alle wichtig werden - aber man weiß eben im Laufe der Lektüre nicht, was man sich besonders merken muss, und so rauschte mir manchmal der Kopf, beim verzweifelten Versuch, mir all die Namen, Begriffe und Eigenarten von Kasten, Stellungen und Nationen zu merken, die im Buch vorkamen. Uff, es sind etliche.
Auch war ich dankbar, mich noch im Groben zu erinnern, wie Computerprogramme mittels Lochkarten funktionieren. Solches Wissen setzt die Autorin einfach voraus. Schön, wenn man spürt, dass auf eine gewisse Leserbildung vertraut wird - aber stellenweise vermutlich blöd, wenn man diese Dinge eben nicht weiß. (Und sowas lernt heute vermutlich kaum ein Mensch mehr in der Schule.)
Zur Handlung möchte ich gar nicht viel sagen. Wie man es im Klappentext versprochen bekommt, findet sich Taya inmitten von gefährlichen und intriganten Machenschaften wieder - und die haben es in sich. Da man das Buch konsequent aus ihrer Sicht verfolgt, weiß auch der Leser nie, was hinter ihrem Rücken geschieht, solange sie sich nicht umdreht. Die Spannung, sowie die Frage, wer da falsche Spiele spielt, bleiben daher über die gesamte Länge des Romans erhalten. Ermittlungen und Befragungen wechseln sich angenehm mit abenteuerlichen Szenen ab. Die Krimihandlung ist komplex und sicher aufgezogen, und immer wenn man gerade etwas voraussieht, baut sich irgendwo schon die nächste offene Frage auf.
Taya macht als Schnüfflerin einen guten Job - ihre Gedankengänge sind klug und ihre Taten fast immer nachvollziehbar. Dennoch fehlte mir an ihr etwas. Sie ist eine sehr sympathische Hauptfigur, mit der man sich auch gerne identifiziert - aber ohne Schwächen, Ecken und Kanten. Mir persönlich war sie zu glatt - zu gefällig - und inmitten der anderen, sehr vielschichtig dargestellten Figuren, verblasste sie in meinen Augen etwas.
Von einer bestimmten Figur und ihrem Schicksal *sniff* hätte ich am Ende gerne mehr erfahren, aber ich will nicht zu viel verraten.
Mein Fazit:
Ein absolut lesenswerter Roman, allein der zauberhaften Stadt Ondiniums wegen. Halber Punktabzug für die Hauptfigur und ein paar sprachliche Mängel in der Übersetzung, und einen halben Punkt Abzug für das fehlende Glossar.
8,5 Punkte für ein Buch, wie ich persönliche es noch nie gelesen habe.