Verlag. Donata Kinzelbach
190 Seiten
Originaltitel: La terre et la sang
Aus dem Französischen von Tilman Hannemann
Hinweis: Das Buch ist in anderer Übersetzung schon einmal unter dem Titel "Die Heimkehr des Amer-u-Kaci" erschienen.
Kurzbeschreibung
Der Kabyle Amer verlässt seine Heimat, um in Frankreich zu arbeiten. Zu Beginn denkt er noch oft an seine Heimat und seine Familie, die er mit regelmäßigen Geldzuwendungen unterstützt. Doch schon bald verdrängt der Moloch Paris die Bilder der Vergangenheit, selbst die Überweisungen stellt Amer schließlich ein. Völlig vereinsamt stirbt so der alte Vater, der all seine Hoffnungen auf seinen Sohn gesetzt hatte. Als Amer dann gänzlich unerwartet wieder heimkehrt, noch dazu in Begleitung einer französischen Frau, ist die Verwunderung groß...
Über den Autor:
Mouloud Feraoun, geboren 1913, wuchs als Bauernsohn in der großen Kabylei (Algerien) auf. Nach dem Studium arbeitete er als Lehrer, später als Schuldirektor. 1962 wurde er durch ein Kommando der O.A.S. in der Nähe von Algier ermordet. Für seinen Roman "Vergeltung unter Tage" erhielt er den Prix Populiste.
Meine Meinung:
Dieser Roman ist im Original 1953 erschienen und zeigt ein authentisches Bild vom Leben der Berber in den Bergen der großen Kabylei im Algerien der ersten hälfte des 20.Jahrhunderts. Die Menschen leben dort in Armut und nach ihren eigenen Sitte und Traditionen. Es geht wenig zukunftsorientiert zu, in Krisen dominiert oft der Fatalismus.
Die Leistung des Autors ist insgesamt als bedeutend einzuschätzen, denn allzu viele Bücher darüber gibt es meines Wissens nicht in Deutsch. Die Beschreibungen sind ziemlich faszinierend, wenn auch die Härten des Lebens dort nicht ausgespart werden.
Der Protagonist Amer hat seine Heimat verlassen, um in Frankreich in einem Bergwerk zu arbeiten. Da gibt es auch Ausbeutung. Mouloud Feraoun hat somit schon sehr früh die Probleme von Gastarbeitern thematisiert. Als die Deutschen im 1.Weltkrieg einmarschieren, wird Amer für 5 Jahre in ein Kriegsgefangenenlager verbracht. Nach 15 Jahren kehrt er mit seiner französischen Frau zurück in sein Heimatdorf.
Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter Kamuma lebte in größter Armut. Der gesellschaftliche Status der Frauen war sehr von dem Mann abhängig. Ohne Mann und Sohn war Kamuma am Ende angelangt, kurioserweise erhält sie dafür auch mehr Freiheit. Die Männer des Dorfes lassen ihre Frauen sie alleine besuchen, da ein Haus ohne Männer auch keine Gefahr für die Ehre der Frauen bedeutet. So wird Kamumas Haus zum Treffpunkt der Frauen des Dorfes.
Es ist auch interessant zu lesen, wie umstritten Amers sozialer Stand in dem Dorf ist, wie seine französische Frau als Fremde skeptisch aufgenommen wird und wie sich auch Amer unter diesen Bedingungen in seinem Verhalten verändert.
Ab und zu gibt es Rückblicke, z.B. wie Amer seine Frau Marie, später immer Madame genannt, kennen lernte.
In der Mitte des Buches wird man teilweise erschlagen von den gesellschaftlichen Verwicklungen und familiären Verstrickungen. Streitigkeiten bis zu Intrigen beschäftigen die Beteiligten ausführlich, so dass ich streckenweise nicht immer ganz folgen konnte.
Doch das Ende ist dann wieder konsequent und überzeugend.
Mouloud Feraoun verfügte über einen guten Stil, seine Protagonisten entwarf er als widerspenstige, unangepasste Menschen, die nicht selten auch sperrig sind. Dennoch schafft der Autor es, allen Figuren einen eigenen Charakter und Würde zu geben.