Der König - Ingrid Ganß

  • Kurzbeschreibung
    Sollte man eine Geschichte, die zu Ende ist, weitererzählen?, fragt Andreas. Wenn sie zu Ende ist, ist sie zu Ende, findet Jakob. Und wer will auch schon hören, wenn dann alles ganz anders verläuft, als die Zuhörer sich das gewünscht hätten? Aber Andreas lässt nicht locker: Das Leben geht ja auch immer weiter, oder?


    Und so geht auch die Geschichte von Jakob und Elisabeth weiter, die sich im ersten Teil "Der Spielmann" gefunden und wieder verloren hatten. Jakob zerreibt sich als König von Reupen zwischen seinen Überzeugungen und den politischen Notwendigkeiten, während Elisabeth sich zu ihrer Cousine Eleonore geflüchtet hat, fest entschlossen, den Rest ihres Lebens als alleinstehendes Fräulein zu verbringen.


    Doch dann steht eines Morgens ein völlig unerwarteter Besucher vor Elisabeth und erschüttert nachhaltig die Ruhe ihres Refugiums und zwingt sie zum Handeln.


    Meine Meinung:
    Die Geschichte geht weiter, auch wenn sie nicht mehr unbedingt märchenhaft ist.


    Drei Jahre sind seit dem Romanende des Spielmanns vergangen. Wir erfahren quasi in Rückblenden was in dieser Zeit passiert ist und warum Jakob und Elisabeth nicht zusammen leben.


    Gleich der Beginn des Romanes offenbart uns sehr gekonnt die Gefühlslage jedes einzelnen Protagonisten.
    Der Schreibstil ist wie bei "Der Spielmann" sehr poetisch und berührend und hat mich gleich wieder gefangen genommen.
    Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr mit lesen aufhören, auch wenn die Beschreibungen der Personen, des Regens oder einer Heuernte gefühlte 50% des Romanes einnahmen. Ich habe jede einzige Zeile davon geliebt und genossen.


    Neben Jakob und Elisabeth nimmt Andreas in "Der König" immer mehr eine Hauptrolle ein.


    Ein Roman, den ich sicherlich noch einmal lesen werde,
    ganz besonders wegen der poetisch schönen Sprache und der gelungenen Sätze :anbet


    Ich werde jetzt den Schluss nicht verraten, nur soviel:
    Jakob und Elisabeth stehen am Ende nicht da, wo sie begonnen haben (es gibt eine Lösung) ...
    denn die Geschichte ging ja weiter .... doch lest bitte selbst!


    Von mir gibt es eine 100 % Kaufempfehlung.
    10 von 10 möglichen Punkten und mein Mai -Monatshighlight :-]

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • "'Du erinnerst dich, wenn deine Großmutter Märchen erzählt hat, so welche, in denen ein Taugenichts die Prinzessin bekam und all so was - also, ich wollt' dann schon manchmal wissen, wie's weitergeht. Wird's dem Taugenichts zu langweilig mit der Prinzessin? Macht er's als König besser als der alte? Aber es erzählt einem ja keiner, was nachher passiert.'"


    Ingrid Ganß tut es. Gleich auf der ersten Seite wird dem Leser das Thema des Romans enthüllt. Es ist ein Gedankenspiel, das wohl jeder schon einmal gespielt hat, wahrscheinlich sogar als Kind.


    Den Reiz des ersten Buches, „Die Braut des Spielmanns“, machte aus, dass in ihrer Menschlichkeit und Vielschichtigkeit an keine Epoche gebundene Personen in die Kulissen eines Märchens gestellt wurden. Nun fallen die Kulissen. Die Frage, ob die Personen sich dem gesetzten historischen Hintergrund entsprechend verhalten, stellt sich dort wie hier nicht. Ingrid Ganß hat eine eigene Welt mit eigenen Gesetzen geschaffen, die nur die Frage beantworten soll, wie ein Märchen weitergeht, nachdem die Bauerstochter den Königssohn geheiratet hat oder, wie hier, die Prinzessin den vermeintlichen Spielmann.
    Vor allem in seinen Hauptfiguren erhebt dieses Buch nicht den Anspruch historischer Genauigkeit und gerät dabei doch nie in Gefahr, eine der oft gescholtenen verkappten Zeitreisegeschichten zu sein, in denen (viel zu) moderne Heldinnen in ein historisches Setting geschickt werden.


    Dies ist kein Buch für Leser, die eine handlungsorientierte und actionreiche Historienschmonzette suchen, deren Figuren einem gleich entgegenschreien: „Ich bin der Gute!“ und „Ich bin der Schurke!“
    Dass es hier um echte Konflikte geht, nicht um Missverständnisse oder Hindernisse, die den Liebenden in den Weg gelegt werden, bedarf bei einem Roman dieser Klasse eigentlich keiner Erwähnung. Hier geht es um die Schmerzen, die es mit sich bringt, zu wachsen und sich zu verändern, darum, wie warmer Sommerregen sich auf der Haut anfühlt, wie es ist, sich zufällig nachts in der Küche zu treffen und bei reichlich Wein bis in die Morgenstunden zusammenzusitzen.
    Es geht um eine Liebe, die so schwierig ist, dass sie von zwei Menschen allein nicht getragen werden kann, und die so einzigartig ist, dass sie sich nicht auf zwei Menschen beschränken muss.


    Die Kapitelübergänge sind teilweise geschnitten wie in einem Film. Es gibt Sätze, die über vierzehn Zeilen gehen, nicht verschachtelt, nicht verwirrend, die lediglich die Funktion haben, zu fesseln und nicht zu Atem kommen zu lassen, und die den Leser an die Personen binden, indem sie ihn (wenn auch mit leichter, unbemerkter Hand) zwingen, die Stimmung der Personen zu teilen.


    Ich lese praktisch nie Bücher zweimal, selbst meine liebsten nicht. Aber diese beiden Bücher möchte ich gern noch einmal lesen, dieses Mal wegen der sinnlichen Beschreibungen und der wunderbaren, makellosen Sprache.

  • Zitat

    Original von Katerina
    Ich lese praktisch nie Bücher zweimal, selbst meine liebsten nicht. Aber diese beiden Bücher möchte ich gern noch einmal lesen, dieses Mal wegen der sinnlichen Beschreibungen und der wunderbaren, makellosen Sprache.


    Liebe Katerina :knuddel1
    da gehts Dir so wie mir :-]
    Eine sinnliche Beschreibung (nicht zu verwechseln mit erotische) bei der alle 5 Sinne angesprochen und geweckt werden .... man ist wie verzaubert beim Lesen.
    Auch ich lese Bücher NIE 2 x (wie auch bei einem Sub von über 100) aber diese beiden Bücher sind einfach zu schön um wahr zu sein :anbet
    Danke für Deine schöne Rezi, die mal wieder gelungen formuliert wurde :fingerhoch

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    :kuh:lesend

  • Zitat

    Original von KaterinaVor allem in seinen Hauptfiguren erhebt dieses Buch nicht den Anspruch historischer Genauigkeit


    Darf ich deiner schönen Rezension in diesem einen Punkt ein klein wenig widersprechen: Den Anspruch auf historische Genauigkeit erhebt dieses Buch schon, auch wenn die Zeit, in der es spielt, nicht im Vordergrund, sondern eher im Hintergrund steht. Die Konflikte der Hauptfiguren stehen im Vordergrund und es sind relativ zeitlose Konflikte, da hast du natürlich recht. Dass Menschen mit dem, was sie denken und tun gegen die Grenzen ihrer Zeit, deren Aberglauben, deren Gesetze stoßen hat es zu allen Zeiten gegeben. Und dies ist dazu das ausgehende 17. Jahrhundert, die Aufklärung kündigt sich an und die Ansätze davon sind längst zu spüren. Die Kritik an den Hexenprozessen nahm zu, es gab sogar Männer, die fanden, Frauen sollten mehr Recht haben und, und, und.


    Aber vor allem wollte ich sagen: Vielen Dank für deine Rezension - hat mir natürlich gut gefallen! :knuddel1