Allen Kurzweil: Die Leidenschaften eines Bibliothekars

  • Verlag Luchterhand; gibts jetzt aber glaub auch als günstige Taschenbuchausgabe.
    405 Seiten; aus dem Amerikanischen; die Originalausgabe trägt den Titel "The Grand Complication"


    Kurzinfo: Alexander Short ist Bibliothekar an der New York Library. Seine Begeisterung für Kataloge, Inventarlisten und Verzeichnisse ist so groß, dass er darüber seine französische Ehefrau Nic sträflich vernachlässigt. Als der leicht verschrobene ältere Gentleman Henry James Jesson III ihn bittet, Informationen über ein leeres Fach in einem Kuriositätenkasten aus dem 18. Jh zu sammeln, greift Short zu - und begibt sich damit auf eine Schatzsuche durch kurioses Wissen, literarische Anspielungen und wundersame Geschichten.


    Zum Autor: Allen Kurzweil wurde 1960 geboren und studierte in Yale und Rom. Vielleicht kennt ja der eine oder andere seinen ersten Roman "Das Geheimnis des Erfinders"



    Warum ich's vorstelle:
    Ich geb's zu, ich mag Bücher und Bibliotheken. Wohlgemerkt: Nicht nur gute Geschichten, sondern auch das Buch als Objekt an sich. Und ich mag Schatzsuchen. Und Verschwörungstheorien. Deshalb hat ein Buch über einen Bücher- und Informationsbessenen, der sich von einem verschrobenen, geheimnisvollen Kauz auf eine seltsame Suche schicken lässt, schon mal einen Bonus bei mir. In seinen literarischen und (schon leicht bildungsbürgerlich angehauchten) kulturhistorischen Anspielungen ist es vielleicht etwas "altbacken". Aber ich steh' ja auch auf klassische englische Crime-Storys.
    Die Geschichte kommt ganz nach dem Autor: Kurzweilig. Anscheinend verwendete er neun Jahre Recherche darauf, wobei unter diesem Aspekt die Ausbeute fast etwas dürftig erscheint. Ein wenig drängt sich auch der Verdacht auf, die Übersetzung schafft da nicht alle Wortspiele und Feinheiten des Originals. Aber wie gesagt: ein Verdacht; ich kenne die US-Ausgabe nicht.
    Wer eine nette, unterhaltsame und mit einigen überraschenden Wendungen versehene Geschichte lesen will, die einem am Rande zum Beispiel das "Dewey"-System der Buch-Einteilung nahebringt (Bücher über Rockmusik sind im Regal unter der Nummer 781.66 zu finden) und in der Breguet-Uhren, Marie-Antoinette und Tattoos der japanischen Yakuzas zur Lösung eines Kulturrätsels beitragen, der ist damit gut bedient. Auch eine nette Geschenkidee für Bücherfreaks zum Weihnachtsfest?

  • Hi Jelulilo,
    ich werd' Dir mal was organisieren .... Kann man hier einen längeren Text einfach in's Thema stellen? Oder wird das zu lange? Ich würde Dir einfach was einscannen, falls es noch nichts gibt ....

  • Bei solchen Sachen kaufe ich das nicht gern blind - da brauch ich einfach ein paar Zeilen oder auch ein paar mehr, um den Stil kennenzulernen.


    Wäre super, wenn Du was einstellen könntest!

  • so, wie versprochen eine kleine Leseprobe ... die ersten drei Seiten ...


    Die Suche begann mit einem Bibliotheksbestellschein und der huldvollen Anfrage eines eleganten Herrn.
    »Entschuldigen Sie bitte vielmals«, sagte der Mann, sich leicht vorbeugend. »Dürfte ich für einen Moment Ihre Zeit in Anspruch nehmen?«
    Er legte seinen Bestellschein auf den Auskunftsschalter und drehte ihn so, daß die Buchstaben in meine Richtung wiesen. Genügte diese ungewöhnliche Geste der Höflichkeit schon, um Aufmerksamkeit zu erregen, so taten es um so mehr seine Handschrift - herrliche, veraltete Zeichen, ausgeführt in anmaßender Oberlänge und mit spitz zulaufenden Serifen - sowie der Titel des Buches, das er anforderte. Geheimfächer in Möbeln des 18. Jahrhunderts appellierte sogleich an die Faszination, die Behältnisse jeder Art auf mich ausüben.
    »Mal sehen, was wir für Sie tun können, Mr. ...« Ich mußte zweimal hingucken, bevor ich den unglaublich literarisch klingenden Namen des Herrn auf der untersten Zeile des Bestellscheins aussprach: »Henry James Jesson III.«
    Nachdem ich den Herrn an den Rohrpostwart verwiesen hatte, übermannte mich die Neugier, daher rief ich die Magazinaufsicht an und bat die Frau, den Suchlauf zu beschleunigen. Ich eilte durch die Drehtür, hockte mich neben den Aufzug am Buchausgabeschalter - ein zweiter Verstoß gegen das Protokoll -und wartete darauf, daß das Buch hochkam.
    »Wirklich sehr liebenswürdig von Ihnen«, sagte Jesson, als ich die Geheimfächer unter dem Messinggitter durchschob.
    »Keine Ursache.«
    Berufliche Diskretion brachte es mit sich, daß ich ihn nicht auf die seltsame Überschneidung unserer Interessen ansprach - man trifft selten auf Leser, die sich für Schrifttechniken und Behältnisse begeistern. Dieselbe Zurückhaltung hinterließ aber auch ein leises Gefühl der Enttäuschung in mir. Der Bestellschein war allzu verlockend, unsere Begegnung allzu kurz und steif.
    Jesson ließ sich an einem Tisch unweit der Abgabenordnung für Gemeindesteuern nieder, wo er sogleich einen weiteren Beweis seiner charmanten, altmodischen Art lieferte, indem er die Hände tief in seine geräumigen Hosentaschen tauchte und eine Rolle Papier, ein winziges Tintenfäßchen und eine Schönschreibfeder hervorholte. Die Blicke der ihn umgebenden Leser schien er zu ignorieren, er selbst allerdings sah gelegentlich in meine Richtung, wie um sich zu vergewissern, daß ich auch dablieb. Selbstverständlich war ich stehengeblieben. Während er sich nämlich Notizen zu den Geheimfächern machte, machte ich mir Notizen zu seiner Person, da ich überzeugt war, die Harmonie unserer ungewöhnlichen Steckenpferde verlange nach Kommentierung.
    Er trug eine weite Hose aus moosgrünem Kord, der bleistiftdicke Rippen aufwies. Kombiniert hatte er die Hose mit einem dezent gestreiften Button-down-Hemd und einer erlesenen Weste aus Sämischleder, am Rücken mit einer breiten violetten Borte zusammengeknüpft. Seine Miene wirkte nachsichtig, und seine Augen waren graublau, was mich an die Farbe des Einbands meines Compact Oxford English Dictionary erinnerte. Abgesehen von einem Höcker auf dem Nasenbein und Zähnen, die etwas Aufhellung vertragen hätten, sah er unbestreitbar gut aus, ein Geistesmensch, der mir von der zerlumpten Genügsamkeit der meisten Akademiker, denen ich sonst zur Seite stand, unbeschwert schien. So weit meine vorläufigen Beobachtungen, den älteren Herrn betreffend, der für einen Moment meine Zeit in Anspruch zu nehmen wünschte.
    Als der Schließungsgong ertönte, sichtete ich den Drahtkorb mit Bestellscheinen, der auf dem Buchrückgabeschalter stand. Mein Freund Norton erwischte mich dabei, wie ich den kunstvoll beschriebenen Originalschein gegen einen hastig bekritzelten Ersatzschein tauschte.
    »Wieder etwas für deine Sammlung?«
    Ich nickte.
    »Und was ist es diesmal?«
    »Nur ein Buch über Möbel«, sagte ich, meine Neugier herunterspielend. Norton und ich waren unterschiedlicher Ansicht über den Nutzen von Niederschriften auf Papier, aber ich wollte mich nicht durch ein neuerliches Wortgefecht von meiner Erkundung ablenken lassen.
    Jessons Buch auszumachen war nicht schwierig. Geheimfächer war voller Strichzeichnungen von Kartentischen, Glasschränken und Standgloben, jede Abbildung versehen mit einer technischen Beschreibung des Auslösemechanismus für die Fächer.
    Norton blickte mir über die Schulter und lachte stillvergnügt. »Zeig mal her. Ein Buch über falsche Fassaden und geheime Nischen.« Er hielt inne. »Sieht dir ähnlich.«


    .... hoffentlich ist das jetzt nicht zu lang ....

  • Ich habe mir die Beschreibung bei Amazon angeschaut. Schade, dass die Kritiken dort so schlecht ausfallen. "Die Leidenschaft des Bibliothekars" wäre sicher das perfekte Buch für mich. Vielleicht überlese ich die schlechten Kritiken einfach und kauf es mir auch so..[SIZE=7]Wie gut, das Mr Mum schläft und ich fleißig "lerne".[/SIZE]

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Zitat

    Original von Booklooker
    :cry


    Ich hab es mir gerade bestellt!!!


    Ich wollte keine Bücher mehr kaufen - erst mal... Aber es hört sich soooo gut an....


    Ich werde es mir auch kaufen..

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Ich hab das Taschenbuch letzte Woche in einer Kiste vor unserer kleinen Buchhandlung entdeckt. Nach dem Klappentext und den Einschätzungen der Büchereulen trifft es wohl genau meinen Geschmack. Na, mal sehen.


    Gruß kds
    :wave :wave