'1984' - 2. Teil - Kapitel 01 - 05

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    Original von Clare


    Musste man im Prinzip schon, aber ich glaube nicht, dass ständig alle daran gedacht haben, zumindest nicht der "Normalbürger", der den Kopf unten hielt und sich bedeckt hielt. Ich selber habe in den letzten Jahren vor der Wende erst mein Bewusstsein für diese Dinge entwickelt, 1989 war ich 18 und habe abgefangen zu studieren. Ich habe sicher auch eine Stasi-Akte, weil ich viel zu arglos war, wem ich was erzählte über meine Aktivitäten und Ansichten, z.B. dem netten, interessierten Studienkollegen...
    Deshalb verstört mich dieses Buch auch so. Freunde, Verwandte, der Gartennachbar - es konnte jeder sein.


    Ich kann manches im Buch auch nachvollziehen. Wenn ich mir überlege, bei was für Demonstrationen wir so mitmachen mussten, was wir in Klassenarbeiten so schreiben sollten und geschrieben haben, ohne etwas davon zu glauben - da kann ich nur sagen: Zwiedenken!


    Ich muss wirklich sagen, dass es mich doch sehr betroffen macht, dass Du und natürlich viele andere, das wirklich in einer solchen Art erlebt habt. Es ist das Eine, ein Buch darüber zu lesen und darüber zu diskutieren und auf jeden Fall das Andere, etwas Solches erlebt zu haben. Dass es dich mit kalter Hand packt, kann ich dann verstehen - soweit ich das überhaupt kann!


    Und Nala... ich bin froh, dass wir keien Web-cam haben! :zwinker


    Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht!

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    Original von evelynmartina
    die Informationsflut hielt sich in Grenzen, und es schien auch mal die Sonne. Verwunderlich war für mich jedoch, wie schnell die Liebe zwischen Winston und Julia entflammte, aufgrund eines einzigen Zettels, den sie ihm zusteckte. Er hielt sie schließlich zuvor noch für ein Mitglied der Gedankenpolizei und plötzlich war sein ganzes Misstrauen weg? Die Hoffnung, endlich eine vermeintlich Gleichgesinnte gefunden zu haben, schaltete wohl den Verstand aus.


    Also ich finde das nicht so verwunderlich. Er kann sich ja quasi nur noch an die Zeit nach der Revolution wirklich klar erinnern und weiß vermutlich gar nicht, was wahre Liebe ist. Jeder, dem man nicht per se misstrauen muss, ist wohl schon ein Liebeskandidat. Das war ja zum Beispiel bei seiner Frau nicht gegeben.
    Ich kann auch verstehen, dass er nach dem Zettel nicht mehr in Erwägung zog, dass sie von der Gedankenpartei sei...im Prinzip hat diese Organisation sowas gar nicht nötig. Bei solch totalitärer Kontrolle und folgenlosen Ausführung von Vaporisationen, warum sollte sich die Gedankenpolizei solche subtilen Spielchen leisten? Wird Winston irgendwie auffällig wird er kurzerhand entfernt, bevor man ein Risiko eingeht. An Winstons stelle gäbe es für mich jedenfalls keinen Grund, an dieser Vorgehensweise zu zweifeln.
    Und um ehrlich zu sein...selbst wenn man leise Zweifel hegen würde: ist das im Prinzip nicht egal? Man muss eh ständig damit rechnen, dass einen einer holt... ob er nun "nur" wegen seinem Tagebuch geschnappt wird, oder weil er diese Beziehung mit Julia eingegangen ist... vielleicht ist ihm sogar egal, dass damit natürlich das Risiko entdeckt zu werden steigt, im Prinzip geht er ja eh immer davon aus, dass sowas wohl irgendwann passieren wird. Warum nicht auch früher, wenn er dafür wenigstens mal einen moment gelebt hat, als später ohne einen wirklich freudigen Moment gehabt zu haben. Wenn ich jedenfalls daran denke, wie ich eine nicht zu wiederholende Prüfung vermasselt habe, die mein ganzes Leben in eine andere Richtung zu schubsen drohte (und auch tat, allerdings entwickelte sich alles positiv...aber im Vorfeld meint man ja immer, dass das Leben in einem solchen Fall nicht weiter geht ;-)), und wie erleichtert ich letztendlich trotz des schlechten Ausgangs war, dass der monatelange Nervenstress einfach vorbei war... ich kann mir gut vorstellen, dass man es unterbewusst vielleicht sogar begrüßen würde, wenn die Anspannung - egal wie - von einem abfallen könnte.


    Meine Überlegung vom ersten Teil wurde sogar auch aufgergriffen: ob es nicht besser wäre, dann freiwillig zu den Proles überzuwechseln. da Winston diese Idee auch kurz hat - vielleicht. Aber sie scheint schlicht nicht umsetzbar.


    Ernüchternd fand ich zum Schluss ebenfalls, wie resigniert Julia in Wirklichkeit zu sein scheint. Sie hat sich wohl mit ihrer Lebensweise arrangiert und "nach ihr die Sinnflut". Sie hat gar kein Interesse daran das Risiko einzugehen, etwas ändern zu wollen, und damit vielleicht sogar wieder ihren Lebensstandart zu verschlechtern bzw die (Extra)Gefahr einzugehen, getötet zu werden. Sie kommt mit ihrem leben klar, was die anderen machen ist deren Sache...

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    Original von redator
    ...
    Meine Überlegung vom ersten Teil wurde sogar auch aufgergriffen: ob es nicht besser wäre, dann freiwillig zu den Proles überzuwechseln. da Winston diese Idee auch kurz hat - vielleicht. Aber sie scheint schlicht nicht umsetzbar.


    Ich denke auch, da hätte es keinen Weg gegeben, selbst wenn man es gewollt hätte. Das Leben eines Parteimitgliedes ist festgelegt, vorherbestimmt und vorhersehbar, der Kontakt zwischen den Klassen so gut wie unmöglich. Winston bewegt sich durch das Prolesgebiet, fast ohne Kontakt zu bekommen. Proles beargwöhnen die Parteimitglieder, Parteimitglieder verachten die Proles und so weiter...Kreislauf.


    Zitat

    Ernüchternd fand ich zum Schluss ebenfalls, wie resigniert Julia in Wirklichkeit zu sein scheint. Sie hat sich wohl mit ihrer Lebensweise arrangiert und "nach ihr die Sinnflut". Sie hat gar kein Interesse daran das Risiko einzugehen, etwas ändern zu wollen, und damit vielleicht sogar wieder ihren Lebensstandart zu verschlechtern bzw die (Extra)Gefahr einzugehen, getötet zu werden. Sie kommt mit ihrem leben klar, was die anderen machen ist deren Sache...


    Julia ist Kind ihrer Zeit und ihrer Erziehung. Sie kennt nichts anderes als Die Verhältnisse, in denen sie lebt, die Ideologie, die ihr von Kindheit an eingetrichtert wurde.

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    Original von redator
    Was mir noch einfällt... mich würde ja auch interessieren, ob die anderen Staaten ähnlich totalitäre Systeme haben, ob sie von den Verhältnissen in Oceania wissen, gar nicht eingreifen..


    Daß es in den anderen Staaten ähnlich abläuft, davon bin ich eigentlich ausgegangen, sonst hätte wohl längst schon einer der beiden Staaten die Zustände in Ozeanien zu verändern versucht. :wave

  • Naja...wenn man bedenkt, wie lange auch die DDR sich hielt, oder auch heutzutage noch Staaten, wo den Bewohnern recht genau auf die Finger geschaut wird, finde ich das jetzt nicht so unwahrscheinlich, dass sich sowas halten kann. Und immerhin führen sie ja (vielleicht) auch Krieg... das heißt ein Zwispalt mit anderen Staaten existiert wohl.

  • ich glaube auch, dass es in den beiden anderen Staaten wirklich ein ähnliches System gibt. und stimme mankell zu.


    Die drei respektieren sich in ihren Grenzen wohl gegenseitig und reden sich auch innenpolitisch nicht dazwischen. Vielleicht benützen auch die anderen Staaten diesen (vermeindlichen) "Krieg" um die eigene Ideologie oder Politik ebenfalls zu rechtfertigen und durchzusetzen.

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    Original von kero-chan
    (...)
    Die drei respektieren sich in ihren Grenzen wohl gegenseitig und reden sich auch innenpolitisch nicht dazwischen. Vielleicht benützen auch die anderen Staaten diesen (vermeindlichen) "Krieg" um die eigene Ideologie oder Politik ebenfalls zu rechtfertigen und durchzusetzen.


    Ja, das denke ich auch :-) Es ist ja ein altbewährtes Konzept: wenn man als regierende Macht (Partei, König, Diktator) den Fokus von der eigenen Politik und den Missständen in seinem Staat abwenden will, fängt man einen Krieg an bzw./oder erzählt eben, dass es einen Krieg gibt. Somit rückt das Volk zusammen gegen den Feind von außen und konzentriert sich nicht mehr so sehr auf die eigenen Probleme und für die Regierung ist die Gefahr von Revolten aus dem Volk ein wenig verringert.


    Das war ja auch ähnlich bei Hitler, der den Krieg verherrlicht hat und das Volk gegen das Ausland aufgestachelt hat, die den Deutschen damals nur Schlechtes wollen laut Hitler. Somit hatten viele Bürger andere Sorgen als ihre eigenen Probleme und die Regierung konnte eigentlich machen was sie wollte.


    Daher denke ich, dass die anderen Staaten in "1984" auch sowas ähnliches ihrem Volk erzählen und totalitär sind. Somit kann jede Partei der drei Staaten ihre Macht behalten.

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. (Heinrich Heine)


    :lesend Jeffery Deaver: Allwissend

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    Original von bücherwurm2612
    Das war ja auch ähnlich bei Hitler, der den Krieg verherrlicht hat und das Volk gegen das Ausland aufgestachelt hat, die den Deutschen damals nur Schlechtes wollen laut Hitler. Somit hatten viele Bürger andere Sorgen als ihre eigenen Probleme und die Regierung konnte eigentlich machen was sie wollte.


    Naja, aber gerade wenn ich an solche realen Beispiele denke, finde ich es durchaus auch schlüssig, wenn die anderen Staaten nicht nach diesem System agieren wie der, den wir kennen.
    Nur weil Deutschland gegen die anderen Staaten Krieg geführt hat, und es eben doch ein paar Jährchen dauerte, heißt das ja im Umkehrschluss nicht, dass die Staaten, die gegen uns in den Krieg zogen die selben Ideologien verfolgten.


    Naja, aber vermutlich bleibt das eh Spekulation.


    Edit: ok, scheint noch was im Buch zu folgen, ich sollte mal warten, bis ich es ausgelesen habe... Glück gehabt, dass der Link nicht zu viel verrät. Aber ihr habt wohl recht, siehe:
    http://strangemaps.wordpress.c…d-in-george-orwells-1984/


    Naja, aber aus meiner jetzigen Perspektive wäre doch auch anderes möglich gewesen ;-)

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    Original von mankell


    Daß es in den anderen Staaten ähnlich abläuft, davon bin ich eigentlich ausgegangen, sonst hätte wohl längst schon einer der beiden Staaten die Zustände in Ozeanien zu verändern versucht. :wave


    Ich vermute auch, dass die beiden anderen Staaten ähnliche Systeme haben, denn sie führen abwechselnd gegeneinander Krieg und tauschen immer wieder die Verbündeten. Vielleicht hilft ihnen dieser Krieg auch ihre Bevölkerung klein zu halten und sie zu lenken. Hass auf den nebenan ist immer ein gutes Ablenkungsmanöver von den Missständen vor der eigenen Tür.



    Zitat

    Original von redator
    Naja...wenn man bedenkt, wie lange auch die DDR sich hielt, oder auch heutzutage noch Staaten, wo den Bewohnern recht genau auf die Finger geschaut wird, finde ich das jetzt nicht so unwahrscheinlich, dass sich sowas halten kann. Und immerhin führen sie ja (vielleicht) auch Krieg... das heißt ein Zwispalt mit anderen Staaten existiert wohl.


    Vielleicht sind sich die drei Staaten aber auch einig und führen einen Scheinkrieg, mit wohlgewählt gestreuten Opfern, um den Hass wach zu halten. Die Idee kam mir ein paar mal beim Lesen :gruebel

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    Original von Clare


    Vielleicht sind sich die drei Staaten aber auch einig und führen einen Scheinkrieg, mit wohlgewählt gestreuten Opfern, um den Hass wach zu halten. Die Idee kam mir ein paar mal beim Lesen :gruebel


    Das ist genau der Schluß, zu dem ich nach der Lektüre gekommen bin - es gibt wahrscheinlich gar keinen Krieg, die entsprechende Propaganda dient dazu, die Leute klein zu halten. Und Bomben auf die eigenen Leute fallen zu lassen, traue ich einem totalitären Regime durchaus zu. Die beiden anderen Mächte dürften ähnlich agieren und so allesamt an der Macht bleiben, in ihren jeweiligen Territorien.