Gestern als ich in der Badewanne lag (ja, man staunt schon wie schnell doch so ein Jahr vergeht) ging mir folgender Gedanke durch den Kopf:
„Wäre eine Welt ohne Katastrophen, ohne Konflikte und ohne persönliches Leid nicht der Super-GAU für die Literatur?“
Unzählige Menschen erfahren täglich großes Leid durch Kriege, Naturkatastrophen, aber auch durch ganz individuelle schlimme Schicksalsschläge. Und natürlich litten auch in der Vergangenheit an eben diesen Vorkommnissen.
Sind es nicht aber gerade auch diese Katastrophen, diese Kriege und diese schweren persönlichen Schicksalsschläge, die Grundlage für eine Vielzahl literarischer Meisterwerke sind. Man denke nur an „Krieg und Frieden“ von Tolstoi, ein Werk, dass es ohne die napoleonischen Eroberungsfeldzüge nicht gegeben hätte. Man denke an die mehr als beeindruckenden Klemperer-Tagebücher, die eine ganze Epoche der deutschen Zeitgeschichte minutiös dokumentieren.
Und hätte ein Remarque sein Buch „Im Westen nichts Neues“ schreiben können, ohne die Kenntnis und die Erlebnisse des ersten Weltkrieges? Und auch Churchills brillante Darstellung des zweiten Weltkrieges wäre ohne diesen Krieg nie geschrieben worden.
Heinrich Mann wäre nie auf die Idee des „Untertan“ verfallen, hätte das alles beherrschende Kaiserreich nicht gegeben. Ich denke, diese Aufzählung ließe sich endlos fortführen.
Viele der großen Werke der Weltliteratur hätten nie das Licht der Welt erblickt. Die Welt wäre wohl ärmer gewesen – unabhängig von der Tatsache, dass man sie natürlich auch nie anders gekannt hätte.
Was aber wäre geblieben?
Nicht einmal irgendwelche Herz-Schmerz-Romane hätte aus den Vorlagen des täglichen Lebens schöpfen können. Sind es doch gerade die großen Beziehungstragödien die immer wieder Pate für diesbezügliche Romane standen.
So schlimm Naturkatastrophen, Kriege oder auch persönliche Schicksale für den Einzelnen auch sein mögen, so sehr daran auch Menschen zugrunde gehen können – die Literatur saugt jedes dieser Schicksale gierig auf; stellen diese Schicksale doch das Lebenselixier der Literatur dar, gewissermaßen das Futter für den immer hungrigen und verfressenen Literaturmoloch.
Muss man jetzt also auf weitere Naturkatastrophen, Kriege und andere schlimmen Dinge hoffen, damit die Literatur weiterhin – auch in der Zukunft – existieren kann, damit ihr die Themen nicht ausgehen? Oder ist die Literatur nur ein Abfallprodukt, der Wurmfortsatz des tatsächlich gelebten Lebens?
Nur ein paar Gedanken, nicht zu Ende gedacht (das Badewasser wurde langsam kalt) – es blieb für mich aber dann die Frage/der Gedanke:
„Müssen Menschen leiden damit ich literarisch gut unterhalten werde?“