Arnaldur Indridason: Frevelopfer

  • Inhalt (Klappentext)


    Es war ein Leichtes für ihn, in der Menge unterzutauchen. Die meisten anderen Gäste waren in seinem Alter und saßen oder standen mit Freunden oder Arbeitskollegen zusammen. Der Lärm war ohrenbetäubend. Er blickte sich in aller Ruhe um und sah einige Cliquen von Freundinnen, aber auch Frauen, die mit ihren Partnern da zu sein schienen, doch keine Frau ohne Begleitung. Er verließ die Kneipe, noch bevor er das Glas ausgetrunken hatte. Im dritten Lokal entdeckte er eine Frau, die er kannte. Seiner Schätzung nach war sie um die dreißig, und sie schien allein zu sein ... Im angesagtesten Viertel von Reykjavík wird kurz darauf ein junger Mann mit durchtrennter Kehle aufgefunden. Er trägt das T-Shirt einer Frau. In seiner Wohnung wird ein Narkotikum entdeckt - eine Vergewaltigungsdroge. Kommissarin Elínborg übernimmt die Ermittlung und ist mit einem Mordfall konfrontiert, dem Taten vorausgingen, die nie gesühnt wurden.


    Eigene Beurteilung


    Dieses Buch gehört zwar zur Reihe um Erlendur, aber Erlendur kommt gar nicht direkt vor, da er sich eine Auszeit genommen hat, um seine psychischen Probleme aufzuarbeiten.
    Den vorliegenden Fall, einem jungen Telefontechniker wurde in seiner eigenen Wohnung die Kehle durchgeschnitten, übernimmt Erlendurs Kollegin Elinborg. Im Besitz des Toten wurde die Vergewaltigungsdroge Rohypnol gefunden und in der Mordnacht war offenbar eine Frau bei dem bisher allerseits als harmlos und zuvorkommend eingeschätzten Junggesellen. Offensichtlich muss man das Bild des Toten revidieren. Elinborg versucht etwas über die Vergangenheit des Ermordeten als auch über seine vermuteten Gewalttaten herauszubekommen. Über Vergewaltigung sprechen die Leute, vor allem natürlich die Opfer, ungern, deshalb erfordert es viel grundsolide und hartnäckige Ermittlungstätigkeit, bis Elinborg vorankommt. In diesem Buch erfährt der Leser auch viel über ihr Privatleben, den Spagat zwischen ihrem fordernden Beruf und ihrer Rolle als dreifache Mutter. Die Problematik des Umgangs mit pubertierendem Nachwuchs ist sehr realitätsnah dargestellt :-) .
    Dieser Krimi ist, wie auch die übrigen Bände der Serie, nicht von bluttriefender Spannung geprägt, dafür besticht er durch Glaubwürdigkeit, solide Polizeiarbeit und stellenweise erfrischenden Humor. Mir persönlich hat der Perspektivwechsel sehr zugesagt, da ich Erlendurs ewige Schwermütigkeit und die Episoden mit seiner durchgeknallten Tochter Eva Lind gut entbehren konnte.
    Meine einzigen Kritikpunkte: Sigurdur Oli hätte etwas häufiger auftreten können und die Vernehmungen von zwei zunächst in Untersuchungshaft befindlichen Personen hätten etwas geraffter präsentiert werden können.
    Davon abgesehen : ein Buch nach meinem Geschmack, für das ich 9 Punkte vergebe.

  • Ein junger Mann, mit der Vergewaltigungsdroge Rohypnol ausgerüstet, begibt sich in die angesagten Kneipen, um nach einer weiblichen Bekanntschaft zu suchen. Er findet ein junges Mädchen, das mit einem auffälligen T-Shirt bekleidet ist. Am nächsten Tag findet man Runolfur mit durchgeschnittener Kehle in seiner Wohnung – bekleidet mit diesem T-Shirt.


    Da sich Erlendur auf Urlaub befindet, übernimmt diesmal Elinborg die Ermittlungen. Das Opfer hatte in seinem Beruf als Telefontechniker viel Kontakt zu Menschen, privat hatte er nur einen Freund, Edvard. Elinborg verfolgt etliche Spuren hartnäckig und lässt sich nicht auf die erstbeste Lösung ein.


    Der Autor hat wieder verschiedene Fährten für den Leser ausgelegt, aber das Finale konnte man gegen das Ende hin immer mehr erahnen.


    In diesem Fall nimmt das Privatleben von Elinborg einen sehr breiten Raum ein. Man erfährt viel über ihre Ehe, ihre pubertierenden Kinder sowie ihr Hobby, das Kochen.


    Der Krimi ist so wie er sein soll spannend geschrieben und flüssig zu lesen.
    Auf die Rückkehr von Erlendur freue ich mich trotzdem.


    Von mir 9 Punkte

  • Erlendur kann ruhig noch ein paar Buecher lang verschwunden bleiben. Mir hat es mit Elinborg noch besser gefallen, ihre Probleme sind weniger deprimiert und das ganze Buch war dadurch nicht so duester. Fuer mich war es ein perfekter Krimi, wirklich genau wie ich sie liebe.

  • Titel: Frevelopfer
    OT: Myrka
    Autor: Arnaldur Indridason
    Übersetzt aus dem Isländischen von: Coletta Bürling
    Verlag: Bastei Lübbe
    Erschienen als TB: November 2011
    Seitenzahl: 380
    ISBN-10: 3404166116
    ISBN-13: 978-3404166114
    Preis: 8.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    In einer Wohnung mitten in Reykjav¡k wird ein Mann tot aufgefunden - mit durchtrennter Kehle. Der Täter scheint das Opfer gekannt zu haben, denn nichts weist auf einen Einbruch hin. Kommissarin Elinborg findet am Tatort einen Kaschmirschal, der einen merkwürdigen Geruch verströmt, und in der Jackentasche des Opfers eine Vergewaltigungsdroge. Erlendurs Kollegin ahnt, dass der Mord die Rache für ein brutales Verbrechen war. Und ihm Freveltaten vorrausgingen, die nie gesühnt werden können - Während Kommissar Erlendur in de Ostfjorden seine traumatischen Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten versucht, ermittelt El¡nborg in einem Mordfall, der nicht nur sie erschüttert.


    Der Autor:
    Der preisgekrönte Schriftsteller Arnaldur Indridason, geboren 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor in Reykjavik. Coletta Bürling ist die langjährige ehemalige Leiterin des Goethe-Instituts Reykjavik. Seit dessen Schließung übersetzte sie bereits zahlreiche Werke aus dem Isländischen.


    Meine Meinung:
    Arnaldur Indridason hat einen sehr lesenswerten Krimi geschrieben. Der Leser bekommt nicht nur eine spannende Krimihandlung geliefert, so ganz nebenbei erfährt man auch ein wenig mehr über diesen Inselstaat. Die handelnden Figuren wirken authentisch und glaubwürdig. Der etwas spröde Schreibstil passt wunderbar zu diesem Land, zu dieser immer etwas gefühlten Schwermütigkeit, die scheinbar über diesem Land liegt. Es geht in diesem Buch aber auch um Schuld und Sühne und um vermeintliche und tatsächliche Gerechtigkeit. Wer darf und wie hart strafen. Man könnte fast sagen, dass dieser Krimi durchaus auch rechtsphilosophische Fragen aufwirft – die aber natürlich im Rahmen dieser erzählten Geschichte nicht beantwortet werden. Ein wirklich lesenswerter Krimi – ein Krimi der auch ein wenig über den Tellerrand der normalen Krimiliteratur schaut.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Es gibt massenhaft schlechtere Krimis, keine Frage, aber als großer Fan von Arnaldur Indridason fand ich "Frevelopfer" nicht so fesselnd wie seine anderen Island-Krimis. Sicher war es ein geschickter Kunstgriff, einmal nicht Erlendur, sondern seine Kollegin ermitteln zu lassen, aber das war mir dann doch etwas zu viel an Ausbreitung ihres Privatlebens. Die Probleme bei der Erziehung pubertierender Jugendlicher sind sattsam bekannt, brauchen in einem Krimi eigentlich nicht dermaßen ausgewalzt zu werden, zumal sie für den Vortrieb auf dem Sapnnungsbogen keine Bedeutung haben. Die haben übrigens auch die ungeheuer detaillierten Rezeptbeschreibungen indischer Gerichte nicht.
    Andererseits war die Idee zum Plot selbst originell, die Geschichte durchaus mit überraschenden Wendungen versehen, so dass man über die Längen hinwegsehen mag.


    Für mich der beste aller Indridasons ist "Engelsstimme". Ich seh gleich mal nach, ob der schon hier besprochen wurde, sonst hole ich das demnächst nach. :wave

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann
    Andererseits war die Idee zum Plot selbst originell, die Geschichte durchaus mit überraschenden Wendungen versehen, so dass man über die Längen hinwegsehen mag.


    Leider konnte ich über "Längen nicht hinwegsehen...." - weil es schlichtweg keine gab. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Leider konnte ich über "Längen nicht hinwegsehen...." - weil es schlichtweg keine gab. :wave


    Ja, ja, mit den Längen ist das eben so eine Sache - der eine findet kurzweilig, was den anderen schon langweilt. Hat halt was sehr Individuelles - vgl. hierzu Wilhelm Busch:
    „Es ist die Länge der Gesänge
    zu lang für meines Ohres Länge.“


    :lache

  • Wie in "Abgründe" ist Kommissar Erlendur verschollen und wird nur in einigen Sätzen erwähnt. Ob er überhaupt noch einmal auftaucht? Das weiß wohl nur Indridason.


    Und eigentlich habe ich Erlendur auch gar nicht sehr vermisst. Dieses Mal ist es Elínborg, die den Fall fast im Alleingang löst. Sigurdur Òli ist zwar im Team, aber eher hemmend als nützlich. Ich finde Elínborg sehr interessant, und ein guter Teil des Buches war ihrem Privat- und Familienleben gewidmet, was sehr gut passte.


    Der Kriminalfall reichte wieder einmal - wie so oft bei Indridason - weit in die Vergangenheit zurück. Und nicht nur einmal wurde auf vergangene Fälle angespielt. So etwas mag ich und lese ich sehr gerne.
    Auch die Gesellschaftskritik und vor allem die Kritik an der Justiz fehlen nicht. Man fühlt beim Lesen die Ohnmacht der Vergewaltigungsopfer, deren Leben meist für immer gestört bzw sogar zerstört ist, während die Täter ungeschoren bzw glimpflich davonkommen und von ihrer Tat wenig belastet werden.
    Schön, dass es wenigstens im Roman so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit gibt.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde