Henning Mankell - Der Feind im Schatten

  • Titel im Original: Den orolige mannen


    Kurzbeschreibung:


    Dieser neue Wallander-Thriller führt direkt in den Kalten Krieg und in die schwedische Nachkriegsgeschichte. Hakan von Enke, ehemaliger U-Boot-Kommandant und zukünftiger Schwiegervater von Wallanders Tochter Linda, gewährt dem Kommissar brisante Einblicke in eine politische Affäre: Fremde U-Boote drangen in den achtziger Jahren mehrfach in schwedische Hoheitsgewässer ein, wurden aber nie identifiziert. Von Enke hat dazu jahrelang recherchiert und glaubt sich einer Lösung nahe. Doch dann verschwindet er spurlos, und als kurz darauf auch noch Enkes Ehefrau als vermisst gilt, steckt Wallander bereits mitten in den Ermittlungen...


    Meine Meinung:


    Lange mussten die Wallander-Fans darauf warten, nun war es doch noch soweit: ein neuer und definitiv letzter Krimi rund um den mürrischen, einzelgängerischen Melancholiker Kurt Wallander ist erschienen. Als begeisterter Leser der früheren Serienteile fieberte ich „Der Feind im Schatten“ sehnsüchtig entgegen und wurde auch nicht gerade enttäuscht, auch wenn das Buch anders ist als ich erwartet hätte.
    Die eigentliche Krimihandlung um die Schwiegereltern in spe von Wallanders Tochter Linda tritt stark in den Hintergrund über die 590 Seiten und dümpelt oft ein wenig vor sich hin; im Mittelpunkt steht ganz klar der Abschied von Mankells erfolgreichem und ungemein beliebtem Kriminalkommissar. Wallander, mittlerweile 60 Jahre alt, eben zum ersten Mal Großvater geworden und nach wie vor vom Typus her ein einsamer Wolf, kämpft zunehmend mit gesundheitlichen Schwierigkeiten und hält Rückschau auf sein bisheriges Leben, trifft alte Bekannte wieder, erinnert sich an lange zurückliegende Fälle und löst quasi nebenbei (er ist nicht offiziell mit den Ermittlungen beauftragt, sondern stellt in seiner Freizeit bzw. Urlaub Nachforschungen an) den Kriminallfall um das Verschwinden von Hakan von Enke, wobei er lange im Dunkeln tappt, immer wieder aber seine durch lange Polizeiarbeit erprobte Intuition verspürt. Ich will hier nicht näher auf den Krimiplot eingehen, der für mich ein wenig schwach und nicht vollständig überzeugend war, zumal viele kleinere Details am Ende offen bleiben; da hilft es auch nichts, dass Mankell zu den trägen Ermittlungen am Ende einen scharfen Kontrapunkt setzt, der den Leser aufrüttelt und beinahe unpassend wirkt zu den bis dahin ruhigen Geschehnissen.


    Die eigentliche Stärke dieses Buches – und dieser Aspekt steht auch ganz klar im Vordergrund – ist der in die Jahre gekommene Wallander und seine Gedankenwelt; sein zunehmendes Leiden an der Welt, seine Erinnerungen an unwiderbringlich verpasste Chancen, seine besorgniserregenden gesundheitlichen Malaisen, sein mitunter tragisches Wiedersehen mit alten Bekannten und nicht zuletzt seine Angst vor dem endgültigen Altwerden und dem Tod. Mankell schont seinen Helden wahrlich nicht, es ist klar, dass hier endgültig Abschied genommen werden soll von dieser Figur, woran die letzten Zeilen auch keinen Zweifel lassen – einen weiteren Teil mit Kurt Wallander in der Hauptrolle wird es nicht geben. Aber gerade auch diese letzten Zeilen enthalten trotz aller Tragik einen kleinen Trost für den Leser und auch ein wenig Hoffnung für den zutiefst menschlichen Ermittler (auch wenn der davon natürlich nichts weiß). Immerhin hat sich der schwedische Bestsellerautor in einem Interview offen gelassen, ob er womöglich die Krimiserie weiterlaufen lassen wird mit der Tochter Linda als Protagonistin; nähere Pläne dazu gibt es allerdings noch keine.


    Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, es erfüllt seinen Zweck als Finale der Serie, zeichnet ein vielschichtiges Bild des gealterten Kurt Wallander und setzt einen gefälligen Schlusspunkt, auch wenn der Krimiplot nicht unbedingt spannend war und insgesamt einige Kürzungen gut getan hätten. Mit Wehmut nehme ich Abschied von Kurt Wallander, einer der wichtigsten Figuren in meiner persönlichen Lesehistorie, und nehme mir vor, die Serie eines Tages komplett von vorn zu lesen (zumal ich bereits jetzt eklatante Erinnerungslücken habe), auch wenn bis dahin noch einige Jahre ins Land ziehen werden.


    8 Punkte

  • Herzlichen Dank für diese sehr interessante Rezi. Wirklich schade das die Wallander-Reihe nun damit beendet sein soll. Ich kenne kaum eine andere Krimireihe die dermaßen authentische Hauptpersonen hatte. Gerade diese Mankell-Krimis hatten ein ganz besonderes Flair. Und Mankell hat Krimis geschrieben, die man durchaus auch ein zweites Mal lesen kann. Die Menschen standen bei ihm immer vordergrund, nicht die sinnleere Action.


    Nun hilft wohl alles nichts - ich werde diese Krimi dann wohl zeitnah kaufen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe gestern mit dem Buch angefangen und habe mich sofort wieder in der Wallander-Welt zurecht gefunden. Obwohl es schon 2-3 Jahre her ist, dass ich den letzten Wallander gelesen habe. Ich mag Kurt Wallander wahnsinnig gerne.

  • Ich hab das Buch auch am WE begonnen und mich sofort in der Wallander Welt zurecht gefunden.


    Es ist seltsam und traurig jetzt endgültig den letzten Teil zu lesen.


    Am liebsten würde ich mir freinehmen, damit ich in Ruhe weiterlesen kann. Es ist total spannend und auch irgendwie düster.

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  • Der endgültig letzte Wallander - leider. Trotz langjähriger Wallander Pause war es für mich nicht schwer, wieder auf seine Wellenlänge zu kommen.
    Mankell versteht es sehr gut wieder an seine alte Stärke rund um seinen Kommissar anzuknüpfen.
    Die Geschichte dreht sich völlig um die vielleicht Schwiegereltern seiner Tochter Linda. Beide verschwinden unter seltsamen Umständen und ein großes Geheimnis scheint die beiden zu umhüllen. Wallander versucht dieses zu ergründen jedoch mit recht mäßigem Erfolg. Gleichzeitig merkt er, dass er immer wieder Aussetzer hat bzw. sich in seinem Kopf die totale Leere ausbreitet. Ist dies ein Zeichen seines Alters oder einfach "nur" Überarbeitung??


    Ein gelungenes Finale das uns Henning Mankell da bietet. Es läßt rund um Wallanders Zukunkft keine Frage offen und das hat mich sehr traurig gemacht.
    Ich verabschiede mich von einem großartigen Kommissar, seinem Leben und seinen Geschichten.


    Von mir gibts 9 von 10 Punkten


    edit:
    grauslige Grammatikfehler

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  • Danke für die Rezi! Mochte die Wallander Reihe sehr gern (auch wenn ich immer mal Pause zwischen den Büchern machen musste, fand die Stimmung in den Büchern teilweise etwas deprimierend). Ich werde mir das Buch auf jeden Fall holen, jetzt erst recht :-]

  • Wallander ist inzwischen sechzig Jahre alt. Er ist immer noch Kriminalbeamte in Ystad. Seine Tochter Linda ist dort auch Polizistin angestellt. Inzwischen ist sie Mutter einer Tochter namens Klara. Hakan von Enke, Lindas zukünftiger Schwiegervater, nimmt an seinem Geburtstagsfest Wallander zur Seite. Er erzählt ihm von russischen U-Booten, welche anfangs der 80er in schwedische Gewässer eingedrungen waren, aber niemals zum Auftauchen gezwungen wurden. Wallander hat während diesem Gespräch das dumpfe Gefühl, dass Hakan von Enke ihm etwas sagen will. Er kommt aber nicht dahinter was. Wenige Tage später verschwindet von Enke und kurz darauf dessen Ehefrau Louise. Diese wird bald an einem Waldrand tot aufgefunden. Wallander beginnt trotz seines Urlaubs zu ermitteln.
    Mankell hat in diesem Buch versucht einen politischen Skandal in Schweden zu verarbeiten und hat daraus einen Mordfall gemacht. Für mich war die ganze Geschichte rund um die U-Boot-Affäre und den Mord eher nebensächlich. Hingegen Wallanders Geschichte hat mich sehr berührt. Er hat mühe mit dem Älter werden. Er hat immer mehr Gedächtnislücken. Immer wieder wird er mit der Vergangenheit konfrontiert.
    Schade, ist die Wallander-Reihe zu Ende. Dieses Buch ist ein gutes Ende. Es werden nochmals alle wichtigen Personen in Wallanders Leben erwähnt. Es ist ein Buch für Wallander-Fans, weil die U-Boot-Affäre und die Mordgeschichte eher dünn sind und nicht sonderlich interessant.

  • Der letzte Wallander...
    ...lange habe ich auf ihn gewartet, lange habe ich an diesem Buch gelesen. Weil es zäh war? Langweilig?
    Nein. Auf der einen Seite wollte ich stets und ständig wissen wie es weiter geht, auf der anderen Seite wollte ich den "Abschied" von Kurt Wallander einfach nur hinauszögern.
    Auch in seinem letzten Wallanderkrimi schaffte es Henning Mankell mich zu fesseln, mich mitfiebern, mitleiden und mitfreuen zu lassen. Er ließ mich neugierig werden auf Themen, welche mir bis dato nur schwach aus Schulzeiten in Erinnerung waren.
    Zugegeben, bei diesem Band war die Kriminalistische Handlung für mich eher Nebensache, aber trotzdem war sie für mich spannend und am Ende überraschend. Im Laufe der Ermittlungen wird Wallandern mit einigen Dingen und Menschen aus seiner Vergangenheit konfrontiert, ebenso macht er sich viele Gedanken ums Älterwerden und die Einsamkeit. Ich erlebte Wallander in diesem Band emotionaler denn je, was auch mich als Leserin beutelte...
    Ich empfand es als sehr angenehm Stück für Stück an Wallanders Schicksal herangeführt zu werden und der letzte Absatz, welcher meinen Verdacht bestätigte, hat mich besonders berührt.
    Henning Mankell hat seinem Kommissar einen würdigen Abgang gewährt :anbet Dieses Buch habe ich unter Garantie nicht das letzte Mal gelesen!

  • Ich kann mich hier mankells hervorragender Rezi nur anschließen. ich habe das Buch wieder mal verschlungen, auch wenn es anders ist. So ganz bin ich mit Wallanders Abschied noch nicht fertig, zu viele Jahre hat er mich durch meine Krimis begleitet. Und die Idee, sie alle nochmal nacheinander zu lesen kam mir auch schon.


    Das Buch hatte Längen, aber die haben mich nicht gestört, da mir Wallander auch in diesen Abschnitten nahe war, mal schauen, ob mich Linda auch so intensiv beeindrucken wird.
    Von mir 9 von 10 Punkten.
    Jaune

    "Vorrat wünsche ich mir auch (für alle Kinder). Nicht nur Schokoriegel. Auch Bücher. So viele wie möglich. Jederzeit verfügbar, wartend, bereit. Was für ein Glück." Mirjam Pressler

  • Zitat

    Original von Jaune
    So ganz bin ich mit Wallanders Abschied noch nicht fertig, zu viele Jahre hat er mich durch meine Krimis begleitet.


    Geht mir ganz genauso; bis ich wirklich realisiere, daß von Kurt Wallander nichts mehr nachkommen wird, dauert es sicher noch längere Zeit.
    Schön übrigens, daß anscheinend bislang jeder Wallander-Fan mit "Der Feind im Schatten" zufrieden ist, trotz schwächelnder Krimihandlung.

  • Zitat

    Original von mankell
    Original von Jaune

    So ganz bin ich mit Wallanders Abschied noch nicht fertig, zu viele Jahre hat er mich durch meine Krimis begleitet.

    Geht mir ganz genauso; bis ich wirklich realisiere, daß von Kurt Wallander nichts mehr nachkommen wird, dauert es sicher noch längere Zeit.


    Mir geht es da wie euch beiden. Gestern bei der Lesung wurde mir noch mal deutlich, das ich es noch nicht recht realisiert habe das es keinen Wallander mehr geben wird... Faszinierend, wie nah einem eine erfundene Figur gehen kann...


  • In Ermangelung von 'Lesezeit' habe ich diesen Wallander gehört.
    Und ich war auch direkt wieder in der hier sogenannten 'Walanders Welt'.
    Die Krimihandlung war etwas mau, aber nicht uninteressant.
    Hier stand wirklich eher die Person Wallander im Vordergrund.
    Wohin hat er sich entwickelt? Was macht Linda? Wie steht
    es um ihre Beziehung? U.s.w....
    Man trifft auf so manchen alten Bekannten oder wird an
    zurückliegende Fälle erinnert, und man muss sich mit Wallander
    dem Älterwerden mit all seinen Tücken und Glücken stellen.
    Den Titel finde ich bei diesem Teil besonders passend.
    Er passt auf den Fall und auf Wallanders Situation.


    Ein schöner Abschied von einer tollen Serie,
    die auch mich jahrelang begleitet hat.
    Ein Muss für jeden Wallander-fan
    sicherlich aber kein Muss für einen Nicht-Fan!


    10 Fan-punkte von mir!

  • Ja, ich kann mich nur anschließen.
    Meine Lektüre liegt nun schon etwas zurück ... mir ging es genau wie euch.
    Die Krimihandlung war nur sekundär und sicher auch (absichtlich?) blass und konstruiert (das war ja einer der Hauptkritikpunkte in zahlreichen Rezensionen). Das hat mich aber keine Sekunde gestört; ich konnte das Buch nicht zur Seite legen, obwohl ich gleichzeitig gern eine innere Bremse gehabt hätte, um den "Abschied" noch etwas hinauszuzögern.


    Kurt ist in den letzten Jahren fast zu einer realen Person geworden, die ich so lieb gewonnen hab.
    Es war stellenweise emotional fast nicht zu ertragen, wie grausam Mankell ihm zurichten musste.


    Es mag konstruiert gewesen sein, aber es war wirklich berührend und schön, noch einmal eine kleine Zeitreise durch sein Leben zu unternehmen und all den wichtigen Menschen, die man in der langen Zeit "kennengelernt" hat.


    Ich werde Kurt wirklich vermissen.

    Gemächlich wanderte ich heimwärts, wobei meine Gedanken mir Gesellschaft leisteten, und deshalb hatte ich es nicht eilig heimzukommen.


    (Astrid Lindgren)

  • Ich muss leider sagen, dass dies der erste und einzige Wallander ist, den ich schrecklich fand.


    Ich habe mich sehr gefreut, dass Mankell sich nocheinmal aufgerafft hat, um der Wallander Reihe einen würdigen Abschluss zu bieten, aber leider konnte ich absolut nichts mit diesem Buch anfangen.


    Die Geschichte zog sich ins Unendliche, langweilig, düster und in meinen Augen auch zusammenhangslos.


    Ich habe das Buch nach gequälten 250 Seiten abgebrochen, die gefühlt wie 500 waren..
    Das Buch ist in meinen Augen nur überflüssig..



    enttäuschte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ich muss mich großteils meinen Vorrednern anschließen:


    Die Rückblicke fand ich sehr schön.
    Den Kriminalfall fand ich blass und teilweise unlogisch.


    Aber: ICH BIN MIT DEM ENDE NICHT EINVERSTANDEN :bruell :rotekarte :nono :beleidigt :fetch


    Ich finde es sehr schade, dass dies der letzte Band sein soll. Ich habe mich auch an Kurt Wallander gewöhnt und ihn richtig lieb gewonnen.



    Ich hoffe, dass Henning Mankell weiterhin Krimis schreibt. Am besten wieder eine Reihe mit einer Hauptfigur, z.B. Linda.


    Von mir gibts 8 Punkte

  • Mankells neuer, kurzer "Wallander" hat mich bewogen, auch das Abschiedsbuch noch einmal vorzunehmen - unter anderem deshalb, weil ich mich erinnern konnte, den Fall nicht wirklich verstanden zu haben.


    Nun, verstanden habe ich es jetzt, wenn auch viele lose Fäden hängen bleiben, aber das ist ja bei Mankell nicht ungewöhnlich.


    Was mich immer noch wundert, ist die Charakterschilderung des Helden, denn ich finde Wallander in diesem Buch zunehmend unsympathisch. Stur und bisweilen misslaunig war er ja immer, manchmal auch unfreundlich und schroff, aber nicht in dem Grade wie in diesem Buch. Schon die Art, wie er Zeugen und Leute, die er befragen will, in patzigem Ton hierhin und dorthin bestellt, ging mir auf die Nerven. Dazu kommt die unglaubliche Selbstgerechtigkeit, mit der er über seine geschiedene Frau den Stab bricht - er bezichtigt sie der Lüge und lügt selbst, er bezichtigt sie des Trinkens und trinkt selbst ... Ich habe mich immer wieder gefragt, ob Mankell das eigentlich beim Schreiben bewusst war. Vielleicht wollte er dem Leser den Abschied leichter machen, indem er den alternden Wallander als stures Ekelpaket darstellte; vielleicht ging es ihm auch um eine Darstellung der Tragik des Alterns, dass sich der Horizont immer mehr verengt und man sich benimmt, als drehe sich alles nur um einen selbst und die eigenen Bedürfnisse.