Huch, es gibt ja für das Buch noch gar kein Thema! Da muss ich Abhilfe schaffen
Kurze Rezension:
Stell dir vor, Cinderella hätte ihren Schuh der Nachwelt vererbt, die böse Stiefmutter hätte ihren sprechenden Spiegel zurückgelassen und Tischleindeckdich gibt es gleich zweimal: in der französischen und in der deutschen Version!
Alles nur Märchen? Stimmt, aber steckt nicht in jedem Märchen auch etwas Wahrheit?
Das jedenfalls wird die 15-jährige Elizabeth erfahren, als ihr Lieblingslehrer sie für einen Aushilfsjob im „Repositorium der Verleihbaren Schätze“ empfiehlt.
Schon der Einstellungstest verrät, dass es in dieser etwas anderen Bibliothek nicht ganz normal zugeht: Elizabeth soll Knöpfe ordnen. Und hat sich da nicht gerade eine Sommersprosse von Dr. Rust, dem Chef des Repositoriums, bewegt?
Elizabeth besteht den Einstellungstest und alles scheint sich für sie endlich zum Guten zu wenden: sie findest das erste Mal richtige Freunde, hat Spaß an ihrem Job und es gibt da ja auch noch diesen Jungen…
Aber schnell wird klar, dass es Ärger im Paradies gibt: Wertvolle Gegenstände aus der geheimen „Grimm-Sammlung“ verschwinden, ein mysteriöser großer Vogel verfolgt die Mitarbeiter des Repositoriums und dann verschwindet auch noch Anjali, Elizabeths neue Freundin und Arbeitskollegin…
„Die geheime Sammlung“ entführt den Leser gleich zu Beginn in eine Geschichte, die wie ein Märchen ist. Elizabeth erinnert an eine moderne Version von Aschenputtel als beschrieben wird, wie ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwestern sie behandeln. Dennoch hat sie ein großes Herz und einen aufrichtigen Charakter – was ihr letztendlich auch den Job im Repositorium ermöglicht.
Die geheimnisvollen Andeutungen über die streng geheimen Sammlungen in dieser Bibliothek der ausleihbaren Gegenstände, vermischt mit den nicht ganz normalen Vorkommnissen, machen die Geschichte spannend und gleichzeitig zauberhaft. Dr. Rust mit seinen Sommersprossen, der mürrisch-schnoddrige Aaron, der Footballstar der Schule und das indische Mädchen Anjali bilden den Kern der Repositoriums-Mitarbeiter und bringen einen immer wieder zum Schmunzeln. Fantastisch-abgedreht wird es aber, nachdem Elizabeth den Schlüssel zur Grimm-Sammlung bekommt und einen ersten Blick auf die wirklich magischen Gegenstände werfen kann. Wer hätte auch gedacht, dass die Brüder Grimm die Geschichten ihrer Märchen nicht bloß aus ihrer Fantasie schöpften, sondern auch echte Vorlagen für „Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack“ existieren? Dass es natürlich auch echte Bösewichte gibt, die diese Gegenstände nur zu gerne in ihrem Besitz hätten, ist dabei nur logisch.
Als Elizabeth merkt, dass es einen Verräter im Repositorium gibt, bleibt ihr kaum noch Zeit die Schätze zu retten und ein Abenteuer beginnt, dass den „echten“ Märchen in nichts nachsteht. Ihre Freundschaften werden durch Misstrauen und Angst immer wieder auf die Probe gestellt, ihr Orientierungssinn kommt abhanden und eine Reise ins Nirgendwo wird genauso notwendig wie die Benutzung eines Schrumpfstrahlers aus der H.G.Wells-Sammlung. Klingt abgedreht? Ist es auch! Aber ich hatte beim Lesen unendlich viel Spaß und war begeistert wie Polly Shulman es schafft eine Brücke zwischen Märchen und Realität zu schlagen und dabei eine Geschichte über Freundschaft, Abenteuer und die erste Liebe zu erzählen. Selbst das Ende hat noch etwas märchenhaftes, das dem Leser ein Lächeln aufs Gesicht zaubert – auch, wenn es nicht direkt ein „happily ever after“ gibt.
Eine kleine Premiere gibt es jetzt auch noch für mich: ich muss erstmals etwas zur Gestaltung des Buches sagen. Das Cover ist wunderschön – schon alleine weil die Ranken am Rand etwas erhöht aufgedruckt sind und es richtig Spaß macht ewig über die Vorderseite zu streichen. Und selbst wenn man den Schutzumschlag abnimmt, ist es noch ein echter Blickfang: in tiefem dunkelrot und mit goldener Schrift auf dem Buchrücken, ist das Buch nicht nur eine lesenswerte Geschichte, sondern auch ein Highlight im Regal.
Kurzum: Das Buch weckt in mir Erinnerungen an Sonntage in der Kindheit, an denen ich morgens eingewickelt in einer dicken Decke Aschenbrödel geschaut habe: gemütlich, zum mit- und weiterträumen. Eine wundscherschöne Wohlfühl-Geschichte, die man immer wieder lesen kann!