Auf den Wassern des Lebens: Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe

  • Erster Eindruck nach gut 60 Seiten:
    Carola Sterns lebhafter Stil lässt diese Biographie von 2005 gut lesbar werden.
    Es beginnt mit den zwanziger Jahren, Gustaf Gründgens erste Schritte als Schauspieler und Regisseur, der schon bald die Dichterkinder Erika und Klaus Mann sowie Pamela Wedekind kennenlernt, sich mit ihnen anfreundet und mit ihnen arbeitet. Er heiratet sogar Erika Mann. Erste Misserfolge lassen auch die Freundschaften zerbrechen.


    Dann schwenkt die Biographie um zur jungen Schauspielerin Marianne Hoppe, die sich sogar in den kreisen von Theodor W. Adorno bewegt und die 1930 das erste Mal unter der Regie von Gustaf Gründgens im Theater spielt.


    Die Fotos in diesem Buch sind alle schwarzweiß gehalten.


    Die Biographie ist ziemlich spannend gehalten, mal sehen, wie es weitergeht.


    Kurzbeschreibung
    Kenntnisreich, kunstvoll und äußerst lebendig erzählt Carola Stern über das hochdramatische Leben zweier genialer Schauspieler – eine großartige Biographie. »Ich lebe mein Leben in den Extremen. Die Mitte bietet keine Luft, in der ich atmen kann«, schreibt der junge Gustaf Gründgens in den zwanziger Jahren an seine Mutter, als er auf der Bühne der Hamburger Kammerspiele seine ersten Erfolge feiert und mit der KPD sympathisiert. Neun Tage bevor die Nazis die Macht übernehmen, stehen in einer Berliner Faust-Aufführung die morgen Gefeierten und morgen Gefeuerten zum letzten Mal miteinander auf der Bühne. Carola Stern erzählt von den Aufsteigern, den Privilegierten im NS-Staat, zu denen Gründgens und Hoppe gehören, und von dem Schicksal ihrer geflüchteten und ermordeten Kollegen. Auf zwei Bühnen, in zwei Welten bewegen sich die beiden Stars des deutschen Theaters. Gründgens macht Karriere – als Görings Günstling trägt er zum Ansehen des Hitler-Staates bei und lässt doch gefährdete Kollegen nicht im Stich. Marianne Hoppe steigt zum UFA-Star auf. In ihren Filmen lebt sie vor, wie Hitler sich die deutsche Frau vorstellt – und versteckt in ihrer Wohnung den verfolgten jüdischen Freund Carl Dreyfuss. In der Bonner Republik wird der konservative Generalintendant, der auf die Klassiker und auf Werktreue schwört, Adenauers politische Maxime »Keine Experimente« kongenial auf die Bühne übertragen. Marianne Hoppe hingegen findet an der Seite berühmter Autoren und Regisseure wie Thomas Bernhard und Heiner Müller Anschluss an das moderne Theater. Zehn Jahre waren die beiden miteinander verheiratet. Bis zum Ende seines Lebens sucht der homosexuelle Gustaf Gründgens Freundschaft, Schutz Geborgenheit, die er in der Ehe mit Erika Mann, der ältesten Tochter des Nobelpreisträgers nicht fand. Marianne Hoppe aber bleibt ihm – über die Scheidung hinaus – durch Nähe, Loyalität und Fürsorglichkeit verbunden.


    Über die Autorin:
    Carola Stern, eine der bedeutendsten politischen Publizistinnen der Bundesrepublik, hat von 1960 bis 1970 das politische Lektorat beim Verlag Kiepenheuer & Witsch geleitet und danach als Redakteurin beim WDR gearbeitet. Ihre engagierten Kommentare forderten zu heftigen Zu- und Widersprüchen heraus. Nach der Pensionierung schrieb sie eine Reihe höchst erfolgreicher Biografien, u.a. über Dorothea Schlegel und Rahel Varnhagen.

  • Inzwischen bin ich schon in den dreissiger Jahren und die Nazis haben die Macht übernommen. Viele Künstler gehen ins Exil, manche bleiben.
    Auch Gustaf Gründgens, der 1934 eine wichtige Position einnimmt: Indendant des Staatstheaters.
    Hier beginnt er ein ein Spiel zwischen den Stühlen, einerseits den Machinhabern zu genügen, andererseits das Theater auf einem guten Niveau und frei von Propaganda zu halten.

  • Herr Palomar


    ich habe die Gründgens-Hoppe-Biografie vor paar Jahren gelesen. Um mich wieder bisschen auf Vordermann zu bringen, müsste ich sie mir mal wieder raussuchen.


    Von der Carola Stern habe ich übrigens sonst noch die eine und andere
    Biografien gelesen, mit mehr oder weniger "Begeisterung".


    Nachtrag: eine hochspannende, vielschichtige, aber auch enorm widersprüchliche und somit etwas undurchsichtige Persönlichkeit war er schon, der Gründgens, gäll?


    Er gehört für mich zu jenen Menschen, von denen ich immer mehr lesen möchte, vielleicht einfach um diese Persönlichkeiten etwas besser ergründen zu können....aber manchmal ist es dann sogar so, je mehr man über sie erfährt, desto mehr entziehen sie sich einem, oder besser ausgedrückt, sie geben einem noch mehr Rätsel auf ;-)

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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  • Am Beispiel Gründgens zeigt Carola Stern, wie jemand sich arrangiert, dabei bemüht ist, Gutes zu tun (Gründgens hat vielen Verfolgten geholfen), aber letztlich von den Machtinhabern doch instrumentalisiert wird. Gründgens glaubte keine Wahl zu haben, er war Schauspieler und Regisseur und wollte es weiter sein, im Ausland hätte er dazu keine Chance gehabt. Er konnte auch keine Fremdsprachen gut genug. Hinzu kommt sein groß ausgeprägter Individualismus.
    Trotzdem ist es auffällig, wie schnell er nach dem Krieg wieder gefeiert wurde, während Klaus Mann unerkannt blieb, ihm jubelte in Deutschland niemand zu.


    Zitat von Seite 240:

    Zitat

    Wir, die wir heute schuldig erscheinen, sind in Wirklichkeit diejenigen, die ausgehalten haben, um schlimmeres zu verhindern; nur diejenigen, die dageblieben sind, hatten die Möglichkeit, mäßigend einzuwirken und zumindest einigen Menschen zu helfen; wir zollten dem Teufel Tribut, ohne ihm jedoch unsere Seele zu verkaufen.


    Klar, dass Klaus Mann dass nicht so sah. Er sagte über Gründgens:

    Zitat

    Berlins unverwüstlicher Liebling; vor, während und nach der Nazizeit.

  • vor einigen jahren habe ich so ziemlich alle damals erhältlichen stern-biografien gelesen und fand sie durchwegs interessant.
    das in diesem buch geschilderte deckte sich mit meinen erinnerungen an die erzählungen einer inzwischen längst verstorbenen alten dame, die mit hoppes mutter befreundet war.

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain