Ehrlich & Söhne. Bestattungen aller Art - Ewald Arenz

  • Verlag: ars vivendi
    Seiten: 424


    Rückentext:
    Bestattungsunternehmer Friedrich Ehrlich hat einen ungewöhnlichen Beruf, aber auch eine ungewöhnliche Familie. Eigene und adoptierte Kinder halten zusammen und würden für ihre Eltern durchs Feuer gehen. Von Krisen wie dem Wiederauftauchen einer 25 Jahre alten Wachsleiche und der Erpressung durch einen Ex-Terroristen lassen sich die Ehrlichs nicht erschüttern. Aus den Lebensgeschichten von drei Generationen webt Ewald Arenz in poetisch-heiterem Ton die schönste Familienchronik seit langem.


    Zum Autor:
    Ewald Arenz, geboren 1965 in Nürnberg, studierte Geschichte, amerikanische und englische Philologie. Im ars vivendi verlag erschienen bereits seine erfolgreichen Romane "Der Teezauberer", "Die Erfindung des Gustav Lichtenberg" und "Der Duft von Schokolade" sowie die Kurzgeschichtenbände "Meine kleine Welt" und "Knecht Ruprecht packt aus". Für sein literarisches Werk wurde Ewald Arenz u.a. 2004 mit dem Bayerischen Staatsförderpreis ausgezeichnet.


    Meine Zusammenfassung:
    Die Geschichte um das Schicksal der Familie Ehrlich beginnt an einem grauen Herbsttag und, passend zum Beruf des Vaters, auf einer Beerdigung. Die Söhne Sam und Johannes (beide um die 40) helfen dem Vater ausnahmsweise aus, während sie eigentlich gekommen sind, die beiden Leichenwagen der Firma "Ehrlich & Söhne" (die so heißt obwohl keiner der Söhne dem Vater in dieses Geschäft gefolgt ist) für eine etwas ungewöhnliche Aufgabe vorzubereiten: Ihre Großmutter in Berlin möchte in ein Seniorenwohnheim umziehen.


    Als die beiden schließlich in Berlin ankommen, ist es jedoch leider zu spät. Die von ihnen so verehrte und geliebte Großmutter liegt leblos in ihrer Küche. Ausgehend von diesem Ereignis spannen sich die weiteren Fäden der gegenwärtigen Handlung zur Beerdigung der Großmutter, dem Wiedersehen mit einer alten Liebe und dem Auftauchen einer Leiche die aus einem der dunklen Kapitel der deutschen Geschichte stammt.
    Gleichzeitig wird aber, in nicht chronologischen Rückblicken, auch die Geschichte eben jener Großmutter erzählt, die im Krieg mit ihren beiden kleinen Kindern vor den Russen fliehen musste, der Mutter, die keinerlei hausfrauliche Qualitäten besitzt und ihre Hunde ebensosehr liebt wie ihre Kinder, und des Vaters, der durch seinen Schwager mehr Kontakt zur kommunistischen Szene bekam, als ihm je lieb sein konnte.


    Eingebettet in die persönlichen Lebenserfahrungen der Familienmitglieder wird auch die jüngere Geschichte Deutschlands wiedergegeben, vom Zweiten Weltkrieg über die Ausläufer der RAF bis in die aktuelle Gegenwart.


    Meine Rezension:
    Dieses Buch handelt von einer Familie wie man sie sich nur wünschen kann und wie sie so doch wohl äußerst selten zu finden ist. Der Zusammenhalt der Mitglieder ist sehr stark, es gibt keinerlei Unterschiede zwischen den beiden leiblichen Kindern (Sam und Johannes) und den adoptierten Mädchen aus Indien und Vietnam (Dorothee und Maria). Zu dieser etwas unorthodox scheinenden Zusammenstellung kommt Vater Friedrich, der philosophierende Leichenbestatter und Mutter Gesine, die gerne die neuste Technik kauft, auch wenn sie davon nichts versteht, und die ihren Hunden Namen wie Elf oder Heinz Rühmann gibt. Es wird aber auch nicht verheimlicht, dass dieser starke Zusammenhalt ein Problem sein kann, nämlich dann, wenn Dritte dazukommen (z.B. Sams Frau oder Marias Mann) die sich dann zwangsläufig ein bisschen wie Fremdkörper vorkommen und es nicht schaffen in diesen "innersten Kreis" vorzudringen.


    Der Humor in diesem Buch ist wirklich ganz wunderbar, an einigen Stellen auch schon mal rabenschwarz, aber nie respektlos. Als kleines Beispiel, ein Ausspruch von Friedrich, dem Leichenbestatter: „Ja, bei mir ist der Kunde König. Obwohl keiner je wiederkommt.“ Je tiefer man in die Handlung einsteigt, desto öfter stößt man jedoch auch auf nachdenkliche Szenen, die nicht selten mit einem Hauch Melancholie einhergehen. Gut gefallen hat mir auch die Sprache, die immer an die jeweiligen Ereignisse angepasst scheint und von poetisch bis knochentrocken (im humorvollen Sinne) alle Nuancen anzuspielen versteht. Und irgendwo in dieser an sich schon interessanten Familiengeschichte ist dann auch noch ein Krimi angesiedelt, dessen Auswirkungen den Frieden in der Gegenwart bedrohen.


    Einzig die Figur der Großmutter konnte ich beim besten Willen nicht in dem positiven Licht sehen, in dem die anderen Familienmitglieder sie darstellten. Es fällt mir einfach schwer Sympathie für eine Frau zu empfinden, die ihre kleinen Kinder bei ihren Eltern in einer anderen Stadt zurücklässt und zwar nicht etwa weil sie Geld verdienen muss, sondern erst weil sie Kunst studieren und sich selbst verwirklichen will, und dann (was ich persönlich noch schlimmer fand), weil sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt, der ihre Kinder ablehnt und dem sie es sogar vertraglich zusichert, dass sie ihre Kinder nicht zu sich holen wird um mit in seinem Haus zu leben. Zwar bricht sie diesen Vertrag später und wirkt auch im Alter wie eine interessante und milde Dame, aber allein, dass sie überhaupt bereit war so etwas zu unterschreiben (und das ohne große Probleme wie es mir schien) fand ich für eine Mutter einfach unvorstellbar. Ich möchte aber betonen, dass dies schlicht meine persönliche Meinung ist und nichts mit der Qualität des Buches zu tun hat.


    Fazit: Eine gefühlvolle Familiengeschichte die in stillen Tönen traurig ist, die im Angesicht des Todes auch einmal befreit auflachen lässt, die zum Schmunzeln bringt und prägende Ereignisse der deutschen Geschichte aus dem Blickwinkel der Ehrlichs darstellt. Lebensbejahend, humorvoll, warmherzig aber nicht kitschig. Man kann Gesine nur bei ihrem immer wiederkehrenden Ausruf "Was für eine Familie!" zustimmen.
    9 von 10 Punkten.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda