Wenn ich Romane lese, fällt mir immer wieder auf, wie undifferenziert die Charaktere sind: Entweder gut oder böse, dazu Sterotypen wie der verkommene Sohn, die brave, mißverstandene Tochter, der Bösewicht. die Stief- / Großmutter, die mit eisener Hand die Familie schikaniert...warum wird in Büchern so wenig differenziert und nicht mehr mit Grautönen gearbeitet? Wird das vom Leser so gewünscht oder machen es sich die Autoren zu einfachen / können es nicht besser? Ganz schlimm in dieser Hinsicht sind meiner Erfahrung nach Historienromane.
Grautöne in Büchern
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Wenn man Bücher liest, will man meist unterhalten werden. Das funktioniert mit Normalos weitaus schlechter, als mit den Stereotypen, über die sich alle ärgern, oder mit krassen Gegensätzen. Charaktere in Grautönen erzeugen doch meist nur die Kritik, dass die Figuren farblos sind und zuwenig Tiefgang haben.
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Original von Idgie
Wenn man Bücher liest, will man meist unterhalten werden. Das funktioniert mit Normalos weitaus schlechter, als mit den Stereotypen, über die sich alle ärgern, oder mit krassen Gegensätzen.
Vielleicht kommt es auch auf das Genre an. In humorvollen oder satirischen Büchern muss übertrieben werden, da darf der Gute das Opfer sein und der Böse einfach nur böse, ohne dass ich mich dafür interessiere, was dahinter steckt. In diesem Genre erwarte ich das und weiß, dass das nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hat, sondern dass hier die Übertreibung und Zuspitzung dazu gehört.ZitatCharaktere in Grautönen erzeugen doch meist nur die Kritik, dass die Figuren farblos sind und zuwenig Tiefgang haben.
Widerspruch! Wenn ich in einer Rezension lese, dass die Figuren farblos seien und zu wenig Tiefgang hätten, dann weiß ich, dass ich eben genau dann stereotype Figuren vor mir habe. Und dass ich das Buch nicht haben muss. -
Zitat
Original von Katerina
Widerspruch! Wenn ich in einer Rezension lese, dass die Figuren farblos seien und zu wenig Tiefgang hätten, dann weiß ich, dass ich eben genau dann stereotype Figuren vor mir habe. Und dass ich das Buch nicht haben muss.Genau so geht mir das auch: In den typischen historischen Roman gibt es den Bösewicht, der einfach nur einen schlechten Charakter hat, was Antrieb genug ist, dem Helden das Leben schwer zu machen - ich finde das sehr eindimsonal.
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Dann liest Du irgendwie die falschen Bücher. Ich bin ja nun zuhause im "historischen Unterhaltungsroman" und Typen, wie Du sie hier beschreibst, sind mir in den wenigsten Büchern untergekommen.
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Original von Bouquineur
Dann liest Du irgendwie die falschen Bücher. Ich bin ja nun zuhause im "historischen Unterhaltungsroman" und Typen, wie Du sie hier beschreibst, sind mir in den wenigsten Büchern untergekommen.Die Königin der Eindimsonalität ist für mich Gable - bei der haben alle Figuren eine feste Funktion und die Motive der Bösewichte werden nicht erklärt, sie sind einfach so; Hiobs Brüder habe ich deswegen abgbrochen. Ich lese auch realtiv viele historische Romane und gerade die erfolgreichen Autoren scheinen sich gerne eines Baukastens zu bedienen.
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Es kommt immer ein bisschen darauf an, manchmal passt das schwarz/weiß-Schema irgendwie. Aber in der Regel bevorzuge ich auch Bücher mit ausgefeilteren Charakteren. Daher mag ich zum Beispiel King auch so, der ist für mich ein meister in der Charakterentfaltung, und meistens haben auch die "Helden" in seinen Büchern Dreck am Stecken oder Charakterzüge, die einen fast ein bisschen abstoßen, aber fast schon zu normal sind , um sie den Figuren wirklich vorzuwerfen.
Schön fand ich zu diesem Thema die Tintenwelt-Reihe. Da gibt es sehr stereotype Charaktere (der schwarze Prinz, Capricorn) und daneben aber so liebevoll ausgezeichnete Personen: das Mädchen, das die nach Jahren zurückgekehtre Mutter emotional immer etwas ausschließt, obwohl diese nichts dafür konnte, das sie so lange weg war und es einem fast ein wenig ungerecht erscheint... aber auf der anderen Seite ganz nachvollziehbar und menschlich. Der Schriftsteller, der auf jeden Fall zu den Guten gehört, aber so viele abstoßende Charaktereigenschaften besitzt (in meinen Augen). So viele andere Figuren, die einfach so herrlich menschlich fehlbar sind.
Darüber hat sich so ein starker Kontrast zu den Stereotypen (beim schwarzen Prinzen empfand ich das besonders krass) abgezeichnet. Das fand ich aber gerade gut. Diese eher schwarz/weiß getünchten Charaktere führten einem nochmal so richtig vor Augen, wie tief die anderen reichen. Wirklich eine tolle Reihe.Es gibt sicherlich Autoren, die auf einen einmal erfolgreichen Zugaufspringen, solange sich damit Gewinn machen lässt. Und oft verwenden sie dafür immer wieder sie gleichen Grundcharaktere, die gleiche Grundhandlung. Im Extremfall hat man das Gefühl, dass nur die Namen geändert wurden. Gerade historische Romane haben ja auch eine recht breite Anhängerschaft wie mir scheint, ich könnte mir schon vorstellen, dass es da einige Autoren gibt, die das auf dem bequemsten Weg ausnutzen, indem sie einfach bewährte Bausteine zusammen fügen (in der Fantasy ganz allgemein scheint sowas weit verbreitet).
Aber bisher konnte ich diese Autoren meist ganz gut umgehen, es gibt ja für jeden was im Bücherregal. -
Ich glaube, es ist nicht immer einfach bestimmten Figuren mehr Charakterzüge, Eigenschaften etc. zuzuschreiben, als man sich von Anfang an in einer bestimmten Szene vorstellt. Wie redator so schön gesagt hat:
Zitatmanchmal passt das schwarz/weiß-Schema irgendwie
stimm ich glatt zu. Auch im echten Leben sind manche Leute ziemlich einseitig, aber wenn es im Gegenzug gut ausgearbeitete, vielschichtige und vllt auch undurchsichtige Figuren gibt, gleicht sich das aus. Vor allem Nebenfiguren werden oft vernachlässigt, was ich aber auch verstehen kann. Wenn man sich das aus den Fingern saugt, weil man keine echte Vorlage hat oder nehmen will, ist das auf Dauer ziemlich anstrengend.
Mich selbst stört solche schwarzweiß Malerei dennoch ziemlich. Vor allem wenn die Story an sich wirklich gut ist.edit: halben Satz vergessen..
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Da sprichst Du ein wahres Wort gelassen aus, Woelfchen. Mir geht es auch sehr oft so, aber zum Glück gibt es auch rühmliche Ausnahmen.
Vielleicht mag ich deshalb die russischen Klassiker so gerne, weil es bei denen sehr viele Schattierungen gibt. -
Eine Buchreihe, die mir dazu einfällt ist die Bartimäus-Trilogie. Nathanael beinhaltet sehr wohl die verschiedensten Grautöne.
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Original von woelfchenGanz schlimm in dieser Hinsicht sind meiner Erfahrung nach Historienromane.
Dito. Deshalb lese ich in der Regel keine historisierenden Romane,und wenn ich doch eine Ausnahme mache - zack!Stereotype.
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Da gibt es aber auch jede Menge Gegenbeispiele. Ich vermute mal, man muss da bei den etwas anspruchsvolleren historischen Romanen schauen, die nicht so nach Schema F geschrieben sind.
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Original von Clio
Da gibt es aber auch jede Menge Gegenbeispiele. Ich vermute mal, man muss da bei den etwas anspruchsvolleren historischen Romanen schauen, die nicht so nach Schema F geschrieben sind.Natürlich,der "Name der Rose" zum Beispiel wäre so ein Exemplar.
Aber es gibt sehr wenige historisierende Romane, die so gut sind. -
Da hast du natürlich recht, Der Name der Rose ist ein außergewöhnlich gutes Buch. Ich ärgere mich nur immer wieder, dass die blöde Stapelware alle historischen Romane so in Veruch bringt. Es gibt ganz tolle, aber es ist - zugegebenermaßen - nicht leicht die Spreu vom Weizen zu trennen.
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Ich mag "graue" Figuren, die ihre Ecken und Kanten haben, sowohl auf der "guten" als auch auf der "bösen" Seite.
Deshalb liebe ich auch die Winterfell-Reihe von G.R.R. Martin. Die Figuren sind toll, vor allem, wenn sie lange Zeit nur von außen betrachtet werden, und dann plötzlich ihre Perspektive bekommen und man mit einem Mal versteht, wie das äußere Bild zustande gekommen ist.
Natürlich ist das in dem herkömmlichen Historienroman von 300 bis 600 Seiten so nicht machbar, aber dennoch begrüße ich es immer wieder, wenn ich was anderes zu lesen bekomme als nur strahlende Helden und abgrundtiefböse Harharschurken (so genannt, weil ihre einzige Motivation das durch finsteres "Harhar"-Murmeln untermalte Händereiben ist).
Da vorhin die Sprache von Rebecca Gable war - gut gelungen finde ich bei ihr z.B. die Figuren in "Die Siedler von Catan". -
Runde Charaktere kann man auch auf einer halben Seite schaffen, siehe Hemingway.
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Ich rede ja auch nicht von "runden" Charakteren (die man auch in ner Kurzgeschichte hinbekommt), sondern von Martins Technik, eine Figur über geschätzte 2000 Seiten nur über Außenperspektiven aufzubauen, und dann plötzlich in die Figur reinzugehen.
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Original von Michi M.
Eine Buchreihe, die mir dazu einfällt ist die Bartimäus-Trilogie. Nathanael beinhaltet sehr wohl die verschiedensten Grautöne.Stimmt, das ist wirklich extrem gut gelungen. Zwischenzeitlich wusste ich eine ganze Weile nicht so recht, ob ich die Figur, mit der man in die geschichte einsteigt mögen, bemitleiden oder hassen soll. Die Charakterentwicklung fand ich ganz großartig!
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Ich denke, es ist ziemlich schwierig, komplexe Charaktere lebendig und glaubhaft in Büchern darzustellen. Wenn es gelingt, dann meist ohne viele Worte, wie viele große Autoren bewiesen haben.
Bei der durchschnittlichen Unterhaltungsliteratur sind die meisten Leser vermutlich glücklich, wenn sie schnell wissen, wie sie die eine oder andere Figur einzustufen haben. Das kommt dem angeborenen Schubladendenken entgegen. Wenn ich so die Leserunden beobachte oder mir Rezensionen ansehe, gewinne ich außerdem oft den Eindruck, dass viele Leser mit graugezeichneten Figuren überfordert sind und diese gern bemängeln. Wahrscheinlich, weil sie sich dabei irgendwie unsicher fühlen.
Ein Autor ist auch nur ein einzelnes Individuum - wenn er nicht gerade unter Persönlichkeitsspaltungen leidet - und wird deswegen immer ein Spektrum wiedergeben, das er nachempfinden kann, das ihm vertraut ist, entweder aus eigener Erfahrung oder Beobachtung oder aus den Klischees, mit denen wir Dank der Medien aufwachsen. Zudem sind ja auch die Variationsmöglichkeiten nicht unendlich.
Außerdem mag es leichter sein, sich eine Persönlichkeit mit Graustufen auszudenken als diese dann entsprechend auf Papier zu bannen.
Persönlich finde ich solche Figuren auch nicht bei Iny Lorenz & Co., sondern eher in der anspruchsvolleren Literatur oder in Klassikern.
Die Oberflächlichkeit unserer Zeit macht eben auch vor Büchern nicht Halt. -
Mich ärgern die fehlenden Grautöne ganz besonders wenn es um Liebeleien geht.
Da ist die Hauptperson und irgendeine andere gutaussehende, charmante, und absolut sympathische Person und ohne das sie sich in irgendeiner Weise kennen gelernt haben, fühlen sie sich auf einmal wohl beieinander uns sind spätestens am Ende des Buches ein Paar.So leicht ist es doch in der Realität (zumindest für mich) nie und nimmer!
Besonders auffällig bei Dan Brown Büchern