Mauertänzer - Andrea Busfield

  • Mauertänzer - Andrea Busfield


    Kurzbeschreibung


    "Das nennt sich Wiederaufbau", erklärt uns Jahid eines Tages, als wir auf dem Bordstein saßen. "Die Ausländer sind hier, weil sie unser Land zerbombt haben, um die Taliban zu töten, und es jetzt wiederaufbauen müssen."
    "Aber warum wollten sie die Taliban töten?", fragte ich.
    "Weil die mit den Arabern befreundet waren und ihr König Osama bin Laden ein Haus in Kabul hatte, wo er seinen vierzig Ehefrauen Hunterte von Kindern machte. Die Amerikaner hassten bin Laden, also jagten sie ienen Palast in ihrem Land in die Luft und shcoben es ihm in die Schuhe. Das nennt man Politik, Fawad."
    Jahid war wohl der gebildeste Junge, den ich je kannte."



    Über die Autorin


    Andrea Busfield, Jahrgang 1970, ist britische Journalistin. 2001 bereiste sie Afghanistan, verliebte sich in das Land und erfüllte sich 2005 einen Traum: Sie zog nach Kabul und arbeitete als Redakteurin bei Sada-e-Azadi (Stimme der Freiheit), von der International Security Assistance Force gegründet. Im Anschluss schrieb sie für die Gulf Times in Qatar, bis sie nach Europa zurückkehrte, um in Wien zu leben.



    Meine Meinung


    Fawad, der Erzähler, ist ein afghanischer Junge, der in Kabul lebt. Er erzählt die Geschichte seiner Familie. Sein Vater und Bruder wurden ermordet und seine Schwester entführt. Er und seine Freunde locken den Touristen das Geld aus der Tasche oder sie stehlen es.
    Seine Mutter findet Arbeit bei Georgie, einer Engländerin. Sie ziehen zu ihr und wohnen in einem Nebenhaus. Dort lernt er noch James, einen Journalisten kennen und May. Es ist für ihn eine ganz andere Welt, die ihn sehr interessiert, aber auch irritiert und unverständlich ist. Es wird Alkohol getrunken, die Frauen rauchen, May ist lesbisch und noch vieles mehr. Die Ausländer werden für diese Vergehen alle einmal in der Hölle schmoren. Er verehrt vor allen Dingen Georgie und lernnt dann noch Haji Khan kennen, einen mächtigen, reichen Afghanen der mit Georgie zusammen ist. Natürlich nicht offiziell, denn sie ist eine Ungläubige. Er und seine Freunde gehen zur Schule und bekommen Jobs und müssen nicht auf der Straße ihr Geld verdienen. Die komplizierte Liebesgeschichte zwischen Georgie und Haji Khan wird beschrieben, genauso wie er einen Mann für seine Mutter sucht.
    Es wird natürlich auch auf die politische Situation in diesem Land eingegangen. Man lernt aber auch sehr viel über die "normalen" Afghanen, deren Alltag beschrieben wird, der nicht nur aus Krieg besteht, sondern auch aus Freude und das sie versuchen, dass Beste aus ihrer Situation zu machen. Auch die wunderschöne Landschaft wird einem näher gebracht. Es wird alles aus der Persektive von Fawad erzählt. Es gibt sehr lustige Stellen, bei denen man herzhaft lachen konnte, aber auch trauriges. Vielleicht ist das Nachwort für manche etwas zu weichgespült, aber warum sollte es in diesem Land, in dem es so viel Leid gibt, eine Geschichte nicht positiv enden.
    Der Schreibstil gefiel mir sehr. Nicht ausufernd in den Beschreibungen, aber doch sehr informativ. Ich musste sehr oft lachen, aber oftmals blieb mir auch das Lachen im Hals stecken. Ich habe in diesem Buch sehr viel über Afghanistan erfahren und es hat mich neugierig auf dieses Land gemacht. Ich kann es nur jedem empfehlen und es ist auf jeden Fall mein Monatshighlight.

  • :wave Danke für die schöne Rezi. Das Buch wandert sofort auf meine WL. Man erfährt sonst ja sehr wenig über das Land und als du etwas über schöne Landschaft geschrieben hast, hatte ich nur die staubigen sandigen Gegenden vor meinem Auge, die man aus den Nachrichten über den Einsatz der BW kennt.

  • Vielen Dank vorleser für die ausführliche und schöne Rezi - kommt auf direktem Weg auf die Wunschliste. Noch eine Frage, würdest du es mit Drachenläufer gleichsetzen? :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich habe das Buch jetzt testgelesen und das ist meine Meinung:


    Kurzbeschreibung:
    Als der elfjährige Fawad in Kabul mit seiner Mutter in eine WG mit westlichen Journalisten zieht, bleibt der Kulturschock nicht aus: Der trinkfeste James sitzt halbnackt in der Sonne, die blonde May schwärmt für Frauen und die emanzipierte Georgie liebt einen mächtigen Paschtunen. Fawad will seine Mutter vor diesen Sünden beschützen, zugleich ist er hingerissen von der fremden Lebensweise.



    Ein kluges Buch aus der Sicht des jungen Fawad…


    Fawad ist jung, hat keinen Vater mehr und lebt mit seiner Mutter in großer Armut. Seine Mutter kannte auch bessere Zeiten, so ist sie verschlossen, vorsichtig und Fawad kommt auch nicht richtig an sie heran. Das Lächeln um ihre Lippen, ist schon vor langer Zeit erblasst.
    Fawad muss sich mit den Problemen der Straße herumschlagen und jeden Tag beginnt von neuem ein Kampf. Ein Kampf um die paar Dollar, die sich auf den Straßen sammeln oder schnorren lassen.
    Doch eines Tages bekommt seine Mutter ein Angebot: Sie soll in einer bunten WG als Mädchen für alles arbeiten. Es brechen andere Zeiten an. Fawad kommt nicht nur in Berührung mit einer vollkommen anderen Lebensweise, er lernt auch die Annehmlichkeiten des Geldes kennen. Plötzlich ist er stolzer Besitzer eines Fernsehers, eines Fahrrads und plötzlich auch von ganzen 100 Dollar!
    Doch so sehr ihn das Leben auch interessiert, so sehr will er doch auch seine Mutter beschützen.
    Es beginnt eine abenteuerliche Geschichte zwischen Verstand und Gefühl.


    Flüssig erzählt und zum Nachdenken anregend - authentisch führt uns die Autorin ein Land vor Augen, welches die wenigstens kennen. Aus der Sicht eines Kindes geschildert, nimmt die Geschichte eine unbeschreibliche Authentizität an.
    Die politischen Situationen sind kompliziert, aber vereinfacht dargestellt versteht sie jeder. Das Geschriebene ist gefühlvoll. Manchmal muss man lachen, teilweise lässt der Text aber auch das Lachen im Halse stecken bleiben.


    Die Unterschiede zwischen den beiden Ländern werden deutlich, aber auch unsere Gemeinsamkeiten.


    Ein ganz außergewöhnliches Buch über ein außergewöhnliches Land.
    Hier spielt weniger die eigentliche Handlung im Vordergrund, als die Liebe zu einem Land, seinen Menschen und der Kultur.

  • Afghanistan-Romane boomen ja, spätestens seit dem Erfolg von "Drachenläufer". Meistens spielen die zur Zeit der Taliban-Herrschaft und berichten von der Unterdrückung der einfachen Menschen.


    Dieses Buch ist etwas anders. Es beginnt erst, als die Amerikaner nach den Anschlägen von 2001 nach Afghanistan kommen, um die Taliban zu bekämpfen. Erzählt wird es aus der Sicht des Jungen Fawad, dessen Mutter bei Ausländern Arbeit als Hausmädchen findet und später dort sogar mit Fawad einzieht.


    Interessant fand ich hier das Spannungsverhältnis, indem Fawad lebt. Einerseits möchte er natürlich von den Fremden profitieren und endlich Geld verdienen, andererseits möchte er aber auch insbesondere seine Mutter vor deren Unsitten schützen.


    Das Buch liest sich wunderbar weg, es wirkt sehr authentisch, nicht aufgesetzt und vor allem drückt es nicht auf die Tränendrüse, wie man bei einem "typischen" Afghanistan-Buch schnell befürchten muss. Es gibt immer wieder Stellen zum Lachen, aber auch viel Nachdenkliches oder Erschreckendes.



    Um die Frage von FrauWilli zu beantworten: man kann das Buch nur schwer mit Drachenläufer vergleichen. Es ist anders, spielt zu einer anderen Zeit, ist anders geschrieben. Aber auf jeden Fall ist es eine Empfehlung!

  • Ach war das ein wunderbares Buch. Es zeigt Afganisthan als ein Land, das irgendwo zwischen Moderne und Tradition steckt, aber auf so sympathische Weise, dass man fast vergessen könnte, das es ein Kriegsgebiet ist. Dennoch wird auch dieser Teil nicht ausgeblendet.


    Die Erzählung aus Sicht des 10-jährigen Farwad ist spannend, traurig, lustig und irgendwie so unschuldig, obwohl er das Leid kennt. Er ist fest verwurzelt in seiner islamischen Tradition und kann sich dennoch dem westlichen Brauchtum öffnen, auch wenn er nicht immer alles versteht..obwohl, irgendwie versteht er ja doch.


    Die Charaktere sind so liebevoll gestaltet. Ich mag den alten Ladenbesitzer, mit seinen Ideen und habe diesen Laden so deutlich vor Augen, als würde ich mittendrin sitzen. Ich mag James und May und Georgie. ich mag Hadji Khan.
    Ich mag die Art, wie mich das Buch mitten nach Kabul versetzt, wie ich um Spandi trauere und wie ich zum Schluss den Atem anhalte.


    Und ich mag die Anspielungen auf Shah Rukh Khan, bin ich doch selbst ein großer Fan des Schauspielers. ich kann Jamilla da schon gut verstehen.


    Man bekommt durch dieses Buch einfach ein ganz anderes Bild von Afganisthan. Es ist nicht nur grausam und Frauen werden nicht nur unterdrückt. Eigentlich ist es wie bei uns, zumindest drehen sich die Gedanken zum Teil um ganz normale Dinge wie Arbeit, Schule und Liebe. Auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, in einer anderen Zeit zu stecken.


    Am allermeisten jedoch mochte ich den Schluss. Ohne großes Feuerwerk oder zuviele Worte. Einfach aus der Sicht eines Kindes.


    Ich kann das Buch wirklich nur empfehlen.

  • Andrea Busfield hat über Jahre hinweg in Afghanistan gelebt, sie kennt das Land und die Mentalität der Menschen. Der Erzähler der Geschichte ist der 11jährige Fawad, der Mauertänzer. Mit seinen Augen und den kindlichen Gedankengängen öffnet die Autorin dem Leser ein Fenster in das gerade von den Taliban befreiten Afghanistan. Der Charme der Naivität eines Kindes ist es dann auch, der das Buch zu etwas Besonderem macht. So wie Fawad in seiner Wohngemeinschaft zwischen Tradition und Moderne steht, ist es ein Sinnbild für das heutige Afghanistan. Alte und bewährte Werte wie Tradition, Familienzusammengehörigkeit und Solidarität werden mit dem unbekümmert freien westlichen Leben gemessen und am Beispiel von Georgies Beziehung zu dem Paschtunen wird aufgezeigt, wie schwierig die Verknüpfung beider Welten ist.
    Fawad erzählt viele Anekdoten aus dem Leben der afghanischen Familie und wenn es dann zu Missverständnissen in seinem neuen Lebensumfeld kommt entbehrt das nie einer gewissen Komik. Andererseits werden auch die Auswirkungen der langjährigen Kriege, der Drogen und der ärmlichen Lebensverhältnisse thematisiert.
    In dieses Buch wurden sehr viele Themen angerissen und nicht alle logisch bis zum Ende geführt. Über die Authenzität des Buches wage ich nicht zu urteilen. Ich habe es als fiktive Geschichte einer Autorin gelesen, die Land und Leute gut kennt und entsprechend in ihrem Roman verarbeitet.
    Ich habe das Buch, dass sich sehr leicht lesen lässt, in einem Rutsch durchgelesen und habe es sehr unterhaltsam gefunden.