Wer eine wirklich gute Lesung genießen möchte, dem kann wirklich ans Herz legen, sich die von Richard Dübell anzuhören und vor allem auch anzusehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Ich hatte mich ja schon seit Wochen darauf gefreut und so habe ich mich dann heute mit zwei Userinnen des Lesejury-Forums auf den Weg zur Buchhandlung Ludwig im Kölner Hauptbahnhof gemacht. Nachdem wir die besten Plätze in der ersten Reihe geentert hatten und ins Gespräch vertieft waren, tauchte dann gut 20 Minuten vor der Lesung der Autor höchstpersönlich auf - Inkognito! Enttäuschung wollte sich breit machen, hatten wir doch damit gerechnet, einen in ein historisches Kostüm gewandeten Autor zu sehen. Richard nahm uns dann schnell unsere Bedenken "Ich bin eigentlich noch gar nicht da, tut einfach so, als würdet Ihr mich nicht sehen" sprachs und verschwand wieder. Pünktlich um 19:00 Uhr tauchte er dann wie versprochen in Wams, Mantel, verzierter Hose, Reiterstiefeln und befedertem Hut auf. Es folgte eine bild- und lehrreiche Erkärung, was es mit den einzelnen Kleidungsstücken auf sich hat, welche Funktion diese hatten und vor allem, was die Farbe der Hutfedern zu bedeuten hat. Die seines Hutes sind weiß und das war damals, wie auch heute noch, ein Zeichen von Neutralität.
Richard startete sodann mit der Lesung aus seinem neusten Roman "Die Erbin der Teufelsbibel". Er hatte sich dafür den Prolog ausgesucht, der, wie er im Anschluss verraten hat, einer Szene aus dem Werk "Der abenteuerliche Simplicissimus" entlehnt ist. Wer diese Szene aus dem neuen Buch kennt, der weiß, dass dem Leser, und somit dem Zuhörer, die Gräuel aus dem 30-Jährigen Krieg in seinen furchtbaren Facetten geschildert werden. Das hat schon beim Lesen zugesetzt, wurde nun aber durch die grandios vorgetragenen Dialoge nochmals intensiviert. All die vielen Figuren des Prologs wurden von Richard mit verschiedenen Stimmlagen gesprochen und in gekonnt in Szene gesetzt. Es war zudem eine Freude, dabei seine wechselnde Mimik zu betrachten. Es gelingt ihm beim Lesen wirklich, seine Figuren lebendig werden und vor dem Auge des Lesers Gestalt annehmen zu lassen.
Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit einer Szene, die das Wiedersehen der Königin Christina von Schweden mit ihrer - Geliebten - Ebba Sparre schildert, zunächst im Kreise einer illustren Männerriege (die wichtigsten Berater am Hof), später dann in einem privaten Umfeld. Über das Verhältnis der beiden Frauen zueinander gab Richard dann im Anschluss noch weitere Informationen und die Erklärung, warum er sich dazu entschlossen hat, die beiden als Paar darzustellen und nicht nur als gute Freundinnen. Er verriet, dass es unter Historikern dazu unterschiedliche Meinungen gäbe. Während die weiblichen Historiker glauben, dass es eine Liebesbeziehung gab, gehen die männlichen Historiker von einer reinen Frauenfreundschaft aus (wie sagte Richard so schön: sie können wohl nicht zugeben, dass Männer nicht immer das Maß aller Dinge sind).
Im Anschluss an die Lesung hatten die Zuschauer die Möglichkeit, Fragen zu stellen und machten davon auch rege Gebrauch. So gab Richard Informationen über Größe, Umfang und Inhalt des Codex Gigas, erzählte, dass eines der verblüffendsten Merkmale sei, dass die Handschrift in dieser Bibel von der ersten bis zur letzten Seite völlig gleich ist, sodass man davon ausgehen kann, dass ein einziger Mensch diese Bibel mit ihrer nur zwei Millimeter großen Schrift verfasst hat und das über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren. In Anbetracht dessen, dass sich die Handschrift eines Menschen im Laufe eines Lebens verändert, ist das eines der echten Rätsel der Bibel. Ebenso bleibt ein Rätsel was auf den verschwundenen 6 Seiten gestanden hat.
Er berichtete zudem über seine Recherchearbeiten und auf meine herausgerutsche Frage, ob denn die Bücher von Anfang als Trilogie geplant gewesen wären, antwortete er mir, dass nach dem ersten Teil so viele Leser wissen wollten, wie es nun weitergehe, dass er sich dazu entschieden hat, die Geschichte fortzusetzen.
Es war ein wirklich schöner Abend und eine erstklassige Lesung mit einem tollen und sympathischen Autor. Leipzig hat bei mir leider nie geklappt und erst jetzt weiß ich so richtig, was ich dort die letzten Jahre verpasst habe und kann nachempfinden, warum die Eulen so davon geschwärmt haben.