Der Verlag über das Buch
Die verbotene Liebe zweier Frauen im Zweiten Weltkrieg.
Ostpreußen, Sommer 1944. Der Wildfang Antonia übernimmt die Pferdezucht ihres Vaters und damit auch das Gut Treskow – sehr zum Leidwesen ihrer herrischen Mutter. Eines Tages lernt die 22jährige Antonia bei einem Arbeitseinsatz eine junge Frau kennen: Edith, die sensible Tochter des NSDAP-Ortsgruppenleiters, ist das Gegenteil von dem, was die junge eigensinnige Gutsherrin verkörpert. Die sich anbahnende Liebe zwischen den beiden Frauen vermag jedoch die Schlachten und Intrigen, die um sie herum geführt werden, nicht zu verhindern. Antonia, deren Vater wegen seiner Aktivität im Widerstand gegen Hitler ermordet wurde, und Edith, die immer stärker gegen ihren Vater aufbegehrt, befinden sich zunehmend in Lebensgefahr. Die junge Treskow ahnt nicht, wie nah am Abgrund sie sich bewegt und was ihre eigene Mutter im Schilde führt. Aber sie lernt, Verantwortung für sich, das Personal und das Gut Treskow zu übernehmen. Mit dem Herannahen der Roten Armee nähert sich auch das Kriegsende, und die Bewohner auf Gut Treskow müssen sich entscheiden, zu bleiben oder zu flüchten. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Mit Liebe zum Detail schildert Pit Umber die letzten dramatischen Monate des Zweiten Weltkriegs und beschreibt die unterschiedlichsten Charaktere mit ihren Gedanken, Empfindungen, aber auch ihren Schwächen und Vorurteilen. "Eine Liebe in Ostpreußen" stellt diese historisch einschneidende Epoche spannend und lebendig dar. Kritisch, doch ohne moralisierenden Unterton erzählt die Autorin in dichter Sprache, was so in keinem Geschichtsbuch steht.
Meine Meinung
„Zwischen Weichsel und Memel setzte der Feind seine Angriffe an den bisherigen Schwerpunkten fort. Er wurde bis auf örtliche Einbrüche in harten Kämpfen abgewiesen. Nördlich der Memel stehen unsere Truppen in erbittertem Kampf mit eingebrochenen stärkeren sowjetischen Kräften. Im Bereich einer Panzerarmee wurden gestern erneut 62 sowjetische Panzer abgeschossen...“
So oder ähnlich klingt es im letzten Kriegsjahr immer wieder aus der "Goebbelsschnauze", dem Volksempfänger, der Durchhalteparolen in die deutschen Wohnstuben trägt. Dass die Erfolgsmeldungen der Wehrmachtsberichte nur die halbe Wahrheit sind, die ostpreußische Heimat längst in Gefahr ist, ahnt man auf Gut Treskow. Doch noch hält die junge Gutsherrin Antonia mit Unterstützung der übrig gebliebenen treuen Bediensteten das Gut zusammen. Sie beherbergt Flüchtlinge, die ihre weiter östlich gelegene Heimat bereits verlassen mussten, sie bringt mithilfe zugewiesener russischer Kriegsgefangener, die mit Gewehr im Anschlag bewacht werden, die Ernte ein - und sie kämpft gegen ihre Mutter, die sich selbst als Gutsherrin sieht, obwohl das Testament des Vaters eindeutig Antonia zu seiner Nachfolgerin einsetzt. Antonia will das Gut retten, einschließlich der kostbaren Trakehnerzucht, auf die schon ihr Vater so stolz war.
Moment mal... eine ostpreußische Familiensaga mit Adelsbonus - fehlt nur noch der gut aussehende Landarzt aus reicher Familie, und der Kitschroman ist perfekt?
Nein, keine Sorge. Den von der Mutter ausgewählten standesgemäßen Zukünftigen hat Antonia bereits früh vom Gut geekelt, und das Thema ist vom Tisch. Denn beim Kartoffelkäfersuchen auf dem Feld hat Antonia ihre große Liebe kennen gelernt: Edith Romeike, Tochter des NS-Ortsgruppenleiters der nahen Kleinstadt. Und hier beginnt ein Teil von dem, was diesen Roman so lesenswert macht. wie die Autorin mit der Homosexualität ihrer Heldinnen umgeht. Natürlich sind die beiden im Nazideutschland Gefahren ausgesetzt und können ihre Liebe nicht offen zeigen. Natürlich sind Antonias Mutter und Ediths Vater gegen ihre Verbindung. Doch die beiden Frauen finden genügend Unterstützung, um miteinander leben zu können - sei es bei Antonias ehemaliger Lehrerin und ihrer Geliebten, die zu Freundinnen und Mentorinnen werden, sei es bei der treuen Gutsköchin Marie, die ganz pragmatisch begreift, dass Antonia und Edith einander gut tun. Dass ein solches geglücktes „Coming out“ damals noch keinen Namen hatte, erinnert daran, dass es keineswegs unproblematisch war; dass es dennoch möglich war, macht Mut.
Happy End, Vorhang? Nein. Die lesbische Beziehung zwischen Antonia und Edith macht das Buch nicht allein aus. Hatte der mysteriöse Tod von Antonias Vater etwas mit dessen Verbindung zu den Widerstandskämpfern des 20. Juli zu tun? Weshalb erkennt Antonias Mutter die Bemühungen ihrer Tochter um den Erhalt des Gutes nicht an, sondern strebt selbst nach der Herrschaft über Treskow? Welche Verbindung hat sie zu Ediths Vater?
Hier wird aus der „Saga“ bisweilen fast eine Detektivgeschichte, und hier habe ich beim Lesen ab und zu den Faden verloren; es war mir zu mühsam, den politischen und familiären Verquickungen bis ins Detail zu folgen, und die psychoanalytischen Erklärungsversuche der Geliebten von Antonias Lehrerin wirkten mir zu aufgesetzt. Aber das ist - von ein paar wenigen sprachlichen und dramaturgischen Stolpersteinen abgesehen, die ein gutes Lektorat hätte ausmerzen können - meine einzige Kritik an dem Buch.
Denn es ist wahrlich kein Kitschroman. Nicht zuletzt deshalb, weil die Figuren Brüche haben. Immer wieder kommt es vor, dass Antonia, die doch so hübsche, intelligente, erfolgreiche junge Gutsherrin, zu Unrecht die Beherrschung verliert, dass sie ihre geliebten Pferde vor die Interessen des Gutes stellt. Auch Edith, ihre Geliebte, zeigt sich manchmal so egoistisch und kindisch, dass man ihr voller Wut die Leviten lesen möchte. Sie sind nicht immer sympathisch, die zwei, und gerade das macht sie glaubhaft.
Und was ist nun mit dem Happy End? Nun, es ist kein Geheimnis, dass es für Ostpreußen 1945 keins gegeben hat, und auch die Menschen auf Gut Treskow müssen sich schließlich entscheiden, ob sie den einzigen verbliebenen Fluchtweg nach Westen einschlagen und den Flüchtlingstreks über das zugefrorene Haff folgen wollen. Mehr sei nicht verraten, aber das Buch sei euch ans Herz gelegt: ein spannender Schmöker mit lesbischer Liebesgeschichte, versetzt mit ostpreußischem Lokalkolorit, und ein ergreifendes Stück Zeitgeschichte auch für Geschichtsmuffel, die gebundene Ausgabe zum Schnäppchenpreis von 8 Euro für 638 Seiten.