Zum Wolfsangriff brauche ich wohl nicht mehr viel sagen Und dazu, dass Diego nach dem Wolfsbiss abends schon vereitert daniederliegt, während die gute Sabba anstelle eines gut durchgekauten Hinterteils lediglich eine oberflächliche Bisswunde und unbedeutende Kratzer davonträgt, dazu sag' ich jetzt wirklich nichts
Den ersten Auftritt Marcos fand ich selten dämlich und misslungen - ("Ey, du willst mich beklauen und du siehst dazu auch noch echt verlottert aus! Komm her an meine Seite, ich vertrau dir!"), danach jedoch entwickelt sich aus dieser Albernheit tatsächlich eine runde, lebendige und liebenswerte Figur. Wow. Für mich in diesem Buch eine so noch nicht gemachte Erfahrung...
Die nächsten Kapitel überraschen mich noch mehr: Diegos und Marcos Einzug ins Kloster kommt in stimmigen Szenen und gelungenen Dialogen daher, und auch der gute Mönch Servando gefällt mir zunächst, denn endlich einmal läßt der Autor einer Figur die Möglichkeit, sich durch Worte und Taten zu charakterisieren. Wenige Seiten lang glaubte ich tatsächlich einen Roman zu lesen. Dieser Eindruck blieb jedoch nicht von langer Dauer.
Der in der ganzen Gegend für seine Pferdeheilkünste bekannte und verehrte Mönch entpuppt sich - absolut glaubwürdig - als Dilettant, Diego weiß natürlich alles besser, auch dass Krankheiten niemals nicht auf den Lebenswandel eines Menschen zurückzuführen sind, denn das glaubte ja damals nur die gesamte mittelalterliche, christliche Fachwelt Diego hat die Weisheit halt mit Löffeln gefressen, vor allem die des 21 Jahrhunderts, und dagegen hilft auch der Latrinendienst nichts, das muss selbst der gute Servando am Ende des Abschnittes am eigenen Leib erfahren.
Unschlagbar auch die Argumentation, mit der Diego beim Turnier gegen den Schmied und seine Behandlung angeht (wir erinnern uns - Pferd hat Splitter im Hals und blutet wie abgestochen, Schmied will Splitter rausziehen, Diego schreitet ein "Damit bringt Ihr es um!"):
Ritter: "Was würdest du vorschlagen?"
Diego:"Wenn der Splitter entfernt wird, stirbt das Pferd."
Ritter:"Prima, jetzt weiß ich zwar nicht, was genau du anders machen würdest oder ob du überhaupt eine andere Idee hast, aber trotzdem lass ich dir mal eben mein teures, sehr geschätztes Turnierpferd, damit du dran rumpfuschen kannst."
Überheld Diego erspürt nebenbei dann noch den Tod der geliebten Schwester (wie unpraktisch, dass er nicht einfach ihren Aufenthaltsort erspürt) und hat, als er endlich dem schändlichen Entführer Pedro Aug in Aug gegenüber steht, nichts besseres zu tun, als stotternd, von schwindenden Sinnen geplagt das Weite zu suchen, um sich mal so richtig auszuk... Ich hätte gern mitgemacht.
Also schnell wieder zurück ins kuschelige Kloster, wo Diego jetzt aber endlich mal selbst an die Bücher ran möchte. Als flugs in die Bibliothek gehuscht und den blöden Schrank aufgebrochen. Wer hätte je daran gezweifelt, dass der Bibliothekar, der ihn dabei erwischt, von seinen lauteren Absichten überzeugt ist, und ihm voller Freude geheimstes Wissen anvertraut (denn wer Bücher klaut und Bibliotheksmöbel beschädigt kann ja kein schlechter Mensch sein :gruebel) und obendrein auch noch die Bücher mit gibt. Yupp. Klar. Glaub ich SOFORT.
Die Prügel, die Bruder Servando am Ende bezieht, hätte ich viel lieber bei Diego verortet.
Ein paar ernste Worte zum Schluß:
Diego entwickelt sich mit seiner arroganten Art, jeden vor Publikum ins offene Messer rennen zu lassen, in meinen Augen zum absoluten Unsympath. Daran kann auch die Tatsache, dass der Autor ihn eigentlich als Sympathieträger angelegt hat, kaum etwas ändern.
Marcos Einstieg ist gelungen, mal sehen, was der Autor draus macht. Wäre schade, wenn Marcos einziger Daseinszweck darin bestünde, Diego aus seinen selbstverschuldeten Schwierigkeiten zu lotsen.
Mencia ist noch ein bißchen blass, im Augenblick wirkt sie wie eine zweite Fatima (die war ja auch etwas emanzipierter als üblich).
Der zweite Handlungsfaden um die beiden Schwestern ist pure Enttäuschung. Etwas mehr Hintergrund zum Haremsleben hätte ich mir schon gewünscht. Alles sehr lieb- und farblos und dazu ziemlich emotionsarm, das Ganze.
Bäh, will ich wirklich weiterlesen?