Der Bischof und die "Watsch'n"

  • Wochenlang hat er geleugnet, nun hat der Augsburger Bischof Mixa zugegeben, "früher", in seiner Zeit als Stadtpfarrer in Schrobenhausen, möglicherweise doch hin und wieder Kinder "geohrfeigt" zu haben. "Damals", so lässt der Mann, der zugleich Militärbischof ist, verlauten, sei das "ganz normal" gewesen. Wir reden aber nicht über die Fünfziger, in denen das tatsächlich so war, sondern über einen Zeitraum, der etwa zwanzig Jahre zurückliegt. Also über die Neunziger. Da war das keineswegs mehr "normal". Sondern geächtet, strafbar und pädagogisch als unerträgliche Maßnahme kategorisiert.


    Ehrlich, ich muss stark an mich halten, das Schimpfwort, das sich so herrlich auf Mixas Namen reimt, nicht zu verwenden.


    Die Kirche scheint immer noch zu glauben, dass weltliches Recht für sie gegenstandslos ist. Wenn dem tatsächlich so ist, sollte sie sich ein anderes Land suchen, um ihrer weitgehend undurchschaubaren Tätigkeit nachzugehen.


    Fraglos muss dieser Mann zurücktreten. Aber eigentlich wäre auch das nur Kosmetik. Eine grundlegende Diskussion über die Rolle der Kirche, ihrer Mandats- und Würdenträger muss her. Und ihre Sonderstellung muss endlich beseitigt werden. :fetch

  • Ich war auch sehr erschrocken, als ich das eben gelesen habe. Unglaublich, sowas mit "Das war damals normal" abzuspeisen.
    Ich finde, die Kirche muss endlich bekennen: "Ja, wir haben einige sehr schwere Fehler begangen. Es tut uns Leid, auch wenn wir wissen, dass eine Wiedergutmachung kaum möglich ist." Es ist nie die Rede von einer ernstgemeinten Entschuldigung. Auch was die Bischofskonferenz zum Hirtenbrief an die Iren vom STapel gelassen hat, ist eine solche Frechheit... Ja. Und jetzt fehlen mir die Worte. Wo ist der gesunde Menschenverstand bei den Herren Priestern?

  • Es war normal-wenn ich von der Schule nach Hause kam und habe erklärt es gab eine Ohrfeige vom Lehrer wurde ich gefragt wofür und ob die eine gelangt habe. Mein Grundschullehrer hat als pädagogische Maßnahme die Aufstellung der ganzen Klasse in Gruppen zur Übergabe der Noten, die mit einer Eins bekamen eine Tafel Schokolade, die mit einer zwei ein rippchen Schokolade, die dreier ein Stücken Schokolade, die vierer nichts, die fünfer fünf Schläge auf die Fingerspitzen mit einer frisch geshcnittenen Weidenrute und die sechser zehn Schläge auf den Hintern mit dem Rohrstock- das ganze natürlich geschlechtsneutral. Das fand niemand schocking. An den Ohren ziehen oder an den Haaren war seitens der Lehrer normal.


    Und Tom, wir reden über die siebziger, nicht über die neunziger. Ab Mitte der siebziger, also zu einer Zeit wo Bischof Mixa das Schlager durch Lehrer noch als normal empfand begann aber der Wandel einzusetzen, dazu, dass jetzt die Mitschüler schiessen, mit Messer nund Äxten rumlaufen und prügeln und nicht mehr die Lehrer ohrfeigen.

  • Selbst, wenn es früher mal normal war. Aus heutiger Sicht ist die Prügelstrafe nicht unbedingt DAS pädagogische Mittel schlechthin. Die Schüler leiden auch drunter, wenn zwanzig andere auch missbraucht werden. Ein Entschuldigung ist das mindeste...

  • Zitat

    Original von Wittelsbach
    Ich war auch sehr erschrocken, als ich das eben gelesen habe. Unglaublich, sowas mit "Das war damals normal" abzuspeisen.
    Ich finde, die Kirche muss endlich bekennen: "Ja, wir haben einige sehr schwere Fehler begangen. Es tut uns Leid, auch wenn wir wissen, dass eine Wiedergutmachung kaum möglich ist." Es ist nie die Rede von einer ernstgemeinten Entschuldigung. Auch was die Bischofskonferenz zum Hirtenbrief an die Iren vom STapel gelassen hat, ist eine solche Frechheit... Ja. Und jetzt fehlen mir die Worte. Wo ist der gesunde Menschenverstand bei den Herren Priestern?


    Kurze Nachfrage: Was war das mit der Bischofskonferenz und dem Hirtenbrief? Den Brief habe ich glaube ich sogar gehört, in Irland in einem Gottesdienst. Aber was hat die Bischofskonferenz dazu gesagt? Hab ich verpasst...

  • Es gab in Deutschland doch so viel Kritik, dass der Papst sich zu den Vorfällen in Deutschland nicht geäußert hat. In seinem Hirtenbrief an die irischen Katholiken bezeichnet er die Missbrauchsfälle als "regionales Problem" in Irland.


    Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, hat ebenjenen Hirtenbrief daraufhin so ausgelegt, dass er sich auf alle Katholiken dieser Welt beziehe. Und eben auch auf die deutschen Missbrauchsfälle. Insgesamt wirkte sein Statement aber eher wie ein verzweifelter VErsuch, bloß niocht nich mehr Kritik zu ernten und den Papst nicht länger negativ darstehen zu lassen. Und nicht mit einem Wort gibt es irgendein Schuldbekenntnis. Hat mich in dem Moment ziemlich aufgeregt.
    Ich glaube, das lässt sich auf der HP der Bischofskonferenz nachlesen...Pressemitteilung vom 20.3.2010.

  • Zitat

    Original von Tom
    Eine grundlegende Diskussion über die Rolle der Kirche, ihrer Mandats- und Würdenträger muss her. Und ihre Sonderstellung muss endlich beseitigt werden. :fetch


    Sonderstellung?


    Ansonsten finde ich auch:
    Macht sie alle - schiesst sie aus der Halle......(oder so ähnlich...). :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe es 1958 und in den Jahren davor und danach auch nicht als "normal" gehalten, mit einem dünnen Stock vom Pfarrer auf die Finger und Hände geschlagen zu werden, nicht einmal, nein mehrmals, bis zu zehn mal hintereinander.
    Aber ich kam aus einem streng katholischen Haus und da hätte ich eh kein Recht von meinen Eltern bekommen. :-(

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Zitat

    Original von Tom
    beowulf : Mixa redet von "vor zwanzig Jahren", nicht ich. Und vor zwanzig Jahren war: 1990. Da bist Du ganz sicher nicht mehr von Deinen Lehrern in irgendeiner Form missbraucht worden.


    Da hätte selbst der Referendarausbilder sich einen anderen suchen müssen...


    Aber ernsthaft, das Zitat lautete "so vor zwanzig- dreissig Jahren", da kommt es auf das Jahrzehnt bei älteren Herrschaften nicht mehr so genau an- wirst du auch noch merken- warts nur ab... 1990 jedenfalls hatte Mixa keine Kinder mehr zum Ohrfeigen.

  • Hallo, Beowulf.


    W ... äh ... Mixa war von 1975 bis 1996 (und um diese Zeit geht es!) Stadtpfarrer von Schrobenhausen, hatte also, wie Du es so nett ausdrückst, durchaus "Kinder zum Ohrfeigen". Davon abgesehen, um Insos Einwurf zu ergänzen: Ich bin auch in den Sechzigern und Siebzigern zur Schule gegangen. Prügel, oder, wie der alte Herr das zu nennen pflegt, "Watsch'n" waren da längst nicht mehr üblich. Ganz im Gegenteil.


    Außerdem geht es darum, dass Herr Bischof zunächst energisch abgestritten hat, was ihm da vorgeworfen wurde. Den Opfern wurde sogar mit rechtlichen Schritten gedroht. Und nun erinnert sich der Mann plötzlich an die Möglichkeit, dass er hier und da - was seiner Meinung nach in den, meinetwegen auch Achtzigern, Neunzigern "normal" gewesen sei - ein paar "Watsch'n" ausgeteilt hätte. Wenn man ihn länger nachdenken lässt, fallen ihm sicher auch noch andere Dinge ein.


    OT Mixa (vor etwa drei Wochen): "Ein Priester muss gewaltlos sein. Daran habe ich mich immer gehalten." Mit dem ersten Teil dieser Aussage zumindest hatte er recht.


    Das Bistum hatte zuvor noch verlauten lassen, die Vorwürfe seien "absurd, unwahr und offenbar in der Absicht erfunden, den Bischof persönlich zu diffamieren".


    Mixa war es übrigens auch, der als Ursache für sexuellen Missbrauch in den Reihen der Kirche originellerweise die sexuelle Revolution der sechziger und siebziger Jahre ausmachte.


    Ein origineller Mann. Der in den Ruhestand gehört, aber vorher am besten noch vor ein Strafgericht.

  • Zitat

    Original von Tom
    (...) um Insos Einwurf zu ergänzen: Ich bin auch in den Sechzigern und Siebzigern zur Schule gegangen. Prügel, oder, wie der alte Herr das zu nennen pflegt, "Watsch'n" waren da längst nicht mehr üblich. Ganz im Gegenteil.


    Hü? :yikes


    Ich hab doch noch gar nix dazu gesagt und brav auf meinen Fingern gesessen :wow

  • Ich bin ´84 eingeschult worden - in der zweiten Klasse wusste mein Musiklehrer meinen Genius an der Blockflöte nicht zu würdigen und zog sie mir über die Rübe.
    Kraft meiner Wassersuppe stand ich auf und ging sofort zum Direktor und der alte kurz vor der Pensionierung stehende Drecksack von Musiklehrer bekam mächtig Ärger...


    Die Paukergeneration von damals hatte sicherlich ein lockeres Händchen - das ist (mal wieder) nichts, was ausschließlich die katholische Kirche zu verantworten hätte. Ich kann Toms Frust sehrwohl verstehen und auch nachvollziehen, schließlich gehts ihm (sollte ich das richtig verstanden haben) mehr um diese Scheinmoral und Scheinheiligkeit als um die Verteufelung der Institution als solche. Er hat ja auch sein fliegendes Spaghettimonster gefunden ;-)


    Dennoch muß ich nun einfach mal bekunden, daß mir diese Hexenjagd mittlerweile doch auf den Sender geht - sie dreht sich im Kreis.


    Meine Entscheidung, aus der katholischen Kirche auszutreten reift schon seit langem - denn mit der Institution in Rom kann ich mich nicht mehr identifizieren. Dennoch bin ich und bleibe ich Christ - konvertieren bliebe logischste Alternative - nur wohin weiß ich noch nicht ?(

  • Hallo, Mar ... Inso. :grin


    Zitat

    schließlich gehts ihm (sollte ich das richtig verstanden haben) mehr um diese Scheinmoral und Scheinheiligkeit als um die Verteufelung der Institution als solche


    Die Frage lautet: Lässt sich das trennen? Die Kirche hat im Hinblick darauf, eigene Wahrheiten zu formulieren und auf sehr eigene Weise mit allem, was Recht ist, umzugehen, eine lange Tradition. Nach meinem Gefühl sind die aktuellen Geschehnisse auch nur ein Ausdruck hiervon. Dass ein solches Rechtsempfinden, einhergehend mit Unantastbarkeit und dem Verständnis, eine hohe, übergeordnete Transzendenz zu repräsentieren, auch in den Köpfen der Priester, Kardinäle und Bischöfe vorzufinden ist, wundert nicht wirklich. Ich hielte ganz im Gegenteil den Umkehrschluss (die einzelnen sind schuld) für verkehrt.

  • Zitat

    Original von Tom
    Eine grundlegende Diskussion über die Rolle der Kirche, ihrer Mandats- und Würdenträger muss her.


    Unbedingt. Dringend. Sofort. Hier bei den Eulen. Hatten wir noch nie!


    :teufel

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • churchill : Ist aber ne geile Idee, oder? ;-)


    Edit: Spaß beiseite. Ich habe nicht notwendigerweise damit gemeint, dass diese Diskussion bei den Eulen stattzufinden hat. Sondern eher gesamtgesellschaftlich.