Autor und Zufriedenheit. Passt das zusammen?

  • ...ich sage NEIN.


    Wer sich professionell mit der Schreiberei beschäftigt, kann, darf und wird niemals mit sich und seinem Werk zufrieden sein. Berufskrankheit.


    Warum nicht?


    1. du hast einen Roman, egal welcher Provienz geschrieben. Nun bist du mal glücklich. Endlich. Ich schaffe einen ganzen Roman. :-]


    2. du findest einen Verlag. Saugut. Der Lektor mag deine story, zerfleddert aber deine Art der Schreibe. ?(


    3. du schreibst und schreibst. Der Erfolg darf dir nicht abhanden kommen. Übst und übst. Wenn du einen guten Lektor hast, weil deine story gut war, hilft er dir, oder ein professioneller Testleser (keine Verwandten oder Freunde, und keine käuflichen Ratgeber)
    Du merkst, dein Stil ändert sich, owohl die stories gleich bleiben.


    4. du bist beim Verlag. Er fordert Nachschub. (Besser, du lieferst unaufgefordert selbst nach) Jetzt geht das Grübeln richtig los. Du merkst, dass du in dieser Maschinerie nur überlebst, wenn du einen langfristigen Plan hast, was du schreiben willst. Du musst Futter nachlegen. Sonst tauchst du bald nicht mehr beim Verlag auf. Du fängst ganz von vorne an.


    5. Ab hier ist Schluss mit Lustig. Die Verkaufszahlen stimmen nicht. Der Verlag bindet es dir aber nicht auf die Nase, dass du mindestens fünf halbwegs erfolgreiche Romane brauchst, um überhaupt vom breiten Leserpublikum wahrgenommen zu werden. Du bist bis dahin eine Fischlein unter Haien und versuchst immer irgendwo ein Löchlein für dich zu entdecken...beäugst die anderen, erfolgreicheren Autoren und wirst immer frustrierter.


    Ab jetzt nützen einem keine Ratgeber der Welt mehr etwas. Jetzt muss ein eigenes stimmiges Konzept her, das Autor dem Verlag schmackhaft machen muss. Am besten für die nächsten 5 Romane.


    Wird das akzeptiert...dann erst tritt wieder Zufriedenheit ein. Aber damit beginnt das Spiel ganz von vorne...alles nicht gut genug...muss besser werden.... :pille

  • Hallo, Hef.


    Um ehrlich zu sein, wenn ich nicht zufrieden damit wäre, was ich tue und wie ich das tue, würde ich es lassen. Natürlich ist und bleibt man immer selbstkritisch, und im Nachhinein wünscht man sich gelegentlich, einen längst gedruckten Text nochmal oder anders abliefern zu können, aber meistens ist das Heulerei auf hohem Niveau - und zuweilen, wenigstens, wenn man darüber spricht, eine Form des Fishings for Compliments. Als ich, weil er neu aufgelegt werden sollte, die Gelegenheit gehabt hätte, meinen Erstling intensiv zu überarbeiten, habe ich es schließlich doch nicht getan. Das Buch ist vielleicht keine literarische Offenbarung, aber es ist genau das Buch, das ich damals schreiben wollte, und es hat sehr vielen Menschen großen Spaß gemacht. Heute würde ich es vielleicht anders schreiben, vielleicht aber auch überhaupt nicht mehr. Trotzdem liebe ich es - so, wie es ist. Ich bin keineswegs unzufrieden damit, ganz im Gegenteil, obwohl ich seine Schwächen kenne und einiges heute anders sehe. Aber so ist das nun einmal mit der Kunst - im weitesten Sinne.


    Dir geht es aber in der Hauptsache um etwas Anderes, nämlich um kontinuierliche Präsenz. Das ist ein Problem, und kein kleines. Sobald sich die Marke "Autor" geformt hat oder geformt wurde, entstehen Zwänge, die man vorher nicht vermutet hätte. Sie sind in gewisser Weise abhängig vom Verlag, mit dem man zusammenarbeitet, und auch vom bisherigen Verkaufserfolg, aber sie sind vorhanden. Man soll nachlegen, aber man darf sich nicht mehr allzu stark verändern. Das betrifft Autoren von, wie soll ich es nennen?, Gebrauchsliteratur weniger stark als jene, die sich über ihre Stimme definieren und engere Zielgruppen ansprechen. Autoren von Gegenwartsliteratur, die eine hohe Identifikation bei den Lesern auslösen, müssen dieser Einordnung treuer bleiben als zum Beispiel die Autoren von Fantasy. Obwohl - auch das stimmt nicht ganz. Sobald ein Autor als Brand wahrgenommen wird, ist er diesem Etikett in gewisser Hinsicht ausgeliefert. Nur bei sehr großem Erfolg kann er das Fahrwasser fast beliebig wechseln und auch Seitenprojekte unterbringen (die sich erfahrungsgemäß aber schlechter verkaufen). Ansonsten gilt fast grundsätzlich, dass man wie der sprichwörtliche Schuster seinen Leisten vorerst treu zu bleiben hat. Aber Selbstplagiate sind auch nicht erwünscht. Originalität innerhalb der selbstgesteckten Grenzen ist gefragt. Nicht wenige Autoren lassen sich deshalb auf Serienprojekte ein und/oder arbeiten immer mit denselben Protagonisten. Wenn der Erfolg einer solchen Serie versiegt, droht dann auch immer die Gefahr, dass der Autor ganz von vorne anfangen muss. Aber das hängt, wie gesagt, auch immer ein bisschen vom Verlag ab - einige sind experimentierfreudiger als andere. Aber auch aus Sicht des Autors gibt es dieses Problem in direkter Weise - man will die paar Fans, die man über seine ersten Bücher gewonnen hat, ja nicht wieder verlieren, und das täte man möglicherweise mit einem Genre- oder Sujetwechsel. Und das geschieht auch regelmäßig.


    Ich habe mit meinen ersten drei Romanen drei strukturell und dramaturgisch sehr ähnliche Bücher abgeliefert, obwohl sie sich natürlich deutlich unterschieden haben. Mit meinem insgesamt fünften Buch habe ich versucht, mich von dieser Schiene (die aus meiner Sicht keine war!) wegzubewegen, wenigstens ein bisschen. Das Buch ist deutlich erfolgreicher als die Vorgänger, hat aber auch ein paar Fans düpiert, sogar verstört. Ich bin nach wie vor deutlich als Autor erkennbar, habe mich aber verändert. Das werde ich mit dem nächsten Buch wieder tun, allerdings auf andere Art - es wird etwas ernster und bösartiger werden. Aber ich bleibe mir dennoch treu, wie ich hoffe. Mit dem jüngsten Roman habe ich es humoriger versucht, beim nächsten wird es zynisch. Aber es bleibt Liehr. Ich werde keinen Krimi schreiben und keinen Thriller und keinen historischen Roman, jedenfalls keinen der Art "Jetztzeitleute haben Spaß im Mittelalter". Mal sehen, was ich danach mache. Ich hoffe, dass ich ein paar Freiheiten habe; bisher spricht jedenfalls nichts dagegen. Und ich habe etwas zu sagen, das ist entscheidend für mich. Wenn das nicht mehr der Fall wäre, wäre auch das ein Grund für mich, damit aufzuhören.



    Edit: Wolf Haas ist mit seinen unglaublich guten "Brenner"-Romanen berühmt geworden. Die Serie hat er dann mit "Das ewige Leben" beendet, und er legte anschließend einen Roman vor, der völlig anders war. Dieses Buch wurde vom Feuilleton gefeiert (es war auch großartig, wie ich finde - "Das Wetter vor fünfzehn Jahren"), aber ein Verkaufserfolg vergleichbar mit den "Brenner"-Romanen war es nicht. Ergo hat Haas im vergangenen Jahr dann doch wieder ein solches Buch abgeliefert. Kein sehr gutes, aber ein Verkaufserfolg. So ist das nun einmal. ;-)

  • ..hab' ich was anderes gesagt? Ich bin Hef und du Tom. Mehr weiß ich nicht...sagt die Schildkröte in Maffays Tabaluga.


    Ich bin alt und du bist jung. Den Rest musst du selbst herausfinden...


    euer hef

  • Wie auch immer, nichts ist umsonst, Tom.
    Für deinen ersten Absatz erhebe ich dich gerade auf einen Sockel und starre ehrfürchtig hinauf. Außerdem spiele ich mit dem Gedanken, diese Sätze auszudrucken, zu rahmen und über mein Bett zu hängen.
    Das werde ich dann zwar wohl doch nicht tun, sei dir aber bitte bewusst, dass ich den Kommentar sehr tröstlich, hilfreich und überhaupt "Mulle, krieg dich wieder ein" finde :wave


    Zufrieden bin ich übrigens auch nie mit mir, allerdngs auch nicht unzufrieden. Ich weiß gar nicht wie das geht, sich selbst zu beurteilen. Ich kann fremde Bücher und Texte (meiner Meinung nach) sehr gut einschätzen und nach Schwächen absuchen. Bei meinen eigenen funzt das nicht, da vertraue ich meinem Lesergeschmack absolut überhaupüt nicht. Ich sehe da ... nix. Nur Fragezeichen: "Ist das gut? Ist das mies?"
    Ich habe keine Ahnung.
    :kopfschmerz

  • Es wird Autoren geben, die sind meistens zufrieden mit ihren Werken, andere wiederum sind nie so ganz überzeugt von dem was sie erarbeitet haben...


    E.M. Remarque war bekannt dafür, dass er seine Romane teilweise bis zu 5 x umgeschrieben hat, bis er sie freigegeben hat. Und selbst dann war er immer noch voller Zweifel.


    Zweifel zu haben ist sicher kein Nachteil......sie helfen einem, nicht stehen zu bleiben, nicht nur beim Bücherschreiben.


    :wave

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Tom


    Sicher? ;-)


    Und was wolltest Du jetzt warum und mit wem diskutieren, wenn Du Hef bist und alle anderen z.B. Tom? :gruebel


    Waren wir nicht schon einmal für Hef nur Studienobjekte? Irgendwie klingelt da was bei mir im Hinterkopf..... :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Mulle
    Bei meinen eigenen funzt das nicht, da vertraue ich meinem Lesergeschmack absolut überhaupüt nicht. Ich sehe da ... nix. Nur Fragezeichen: "Ist das gut? Ist das mies?"
    Ich habe keine Ahnung.
    :kopfschmerz


    Mulle, lass mal liegen ein paar Jahre, lass keinen mit der Überarbeitungsschere ran und lies sie dann nochmal. Dann merkst du's auch. Mehr noch, dann gehen dir die Äuglein über.


    Hab vor zwei Jahren was geschrieben, das von einer Agentur abgelehnt wurde. Hab es versenkt, aber ca. die ersten 70 Seiten meiner Schwester gegeben. Von dort durchliefen diese 70 Seiten die ganze Familie, gingen weiter an Arbeitskollegen der Eltern, machten die Runde durch's Dorf. Jetzt wollen plötzlich alle wissen, wie es weitergeht mit der G'schicht. Ich hab ja den Ausdruck noch hier. Ja gut, sag ich zu meiner Schwester, ich geb ihn dir mit, wenn du mich am Wochenende besuchst.
    Das Wochenende naht. Ich kram den Packen raus und beginne zu lesen. Mit jeder umgedrehten Seite dreht sich auch mein Magen um: Sowas kann man doch keinem Menschen zu lesen geben!!!!!


    Ich war damals sehr zufrieden mit der Geschichte. Hielt sie für so gut, dass nichts daran verbessert werden musste. Mag die Geschichte immer noch. Aber der Stil (und auch den fand ich damals gut) ist zum Fürchten!


    So entwickelt man sich halt weiter, aber wenn man jedes Mal wartet, darauf, wie viel besser man in zwei Jahren ist, dann stirbt man drüber hinweg, ein Autor werden zu wollen, der mit sich selbst zufrieden ist.


    Aber Hefs festgefahrene Meinungen wollte ich mit meinem Eindruck natürlich nicht attackieren. Meine Antwort galt allen anderen :lache

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Waren wir nicht schon einmal für Hef nur Studienobjekte? Irgendwie klingelt da was bei mir im Hinterkopf..... :gruebel


    Voltaire , meinst du das hier? Ich zitiere aus Seite 7 der Suchfunktion über hefs Beiträge:


    "Ein Forum ist ein Erfahrungsaustausch. (Da können Doc oder Tom wieder ihren blöden Senf dazu geben.)
    Nun gut, wir befinden uns in der Autorenecke, da wird schon mal geflappst.
    (Aber die sollte auch n u r Autoren zugänglich gemacht werden, wie in anderen Foren auf der Welt)
    Da dies bei der Eule nicht der Fall ist, muss ich mich teilweise, für die blöden und nichtmal komischen Beiträge als Autor schämen.
    Wer von den Lesern nimmt uns da noch ernst?
    Kein außenstehender traut sich doch noch, aus Angst von einigen Großkotzen nieder gemacht zu werden, ins Forum.
    Und ich weiß wovon ich spreche. Denn die Büchereule liegt von 100 Foren, die 6 Monate beobachtet wurden, im Faktor soziale Kompetenz an 84 Stelle."


    :lache


  • Es gibt sogenannte Erfolgsautoren, von denen ich noch nie ein Buch im Laden gesehen habe, noch nie ein Buch gelesen habe und die es ohne große Schwierigkeiten schaffen, in mir das Verlangen zu unterdrücken, diesen Umstand zu ändern! :anbet

  • Hallo, Corinna.


    Das ist jetzt aber ein ganz klein wenig gemein, gelle? ;-)


    Immerhin ist ohnehin nur ein Bruchteil aller verfügbaren Titel im Präsenzbuchhandel vorzufinden, und selbst Bestsellerautoren sind zuweilen nicht mit allen Titeln vertreten, manchmal verblüffenderweise sogar überhaupt nicht.


    Aber "Erfolg" ist auch kein geschützter Begriff. Davon abgesehen ist es m.E. definitiv ein Erfolg, vier Romane bei einem großen Publikumsverlag veröffentlicht zu haben. Aber, stimmt schon: Erfolgsautor ist man dadurch irgendwie noch nicht wirklich. Sondern "nur": Autor.

  • Hallo Tom,


    ja, sicher ist das Veröffentlichen beim Publikumsverlag ein Erfolg. Das brauchst du mir nicht zu sagen. Das streitet keiner ab. ABER. in meinen Augen ist ein Erfolgsautor der, dessen Bücher mir in der Buchhandlung entgegengeworfen werden. Gut, vielleicht müsste man die noch in die Bestsellerautoren kategorisieren, noch einen Tick erfolgreicher halt. Keine Ahnung.


    Es ging mir aber in erster Linie darum, dass solche Äußerungen nicht gerade angebracht sind, dass ich mich als Leser respektiert fühle, und ergo der Schuss, mich auf den Autoren neugierig zu machen, mit Volldampf (sozusagen) in die Hose ging ... Solche Klopper sind eher ein Weg, es sich mit einer Schicht von Lesern für immer zu vergällen - denen, die in Foren mitlesen, nämlich. Finde ich.

  • Hallo, Corinna.


    Der Schlüsselsatz lautet, glaube ich:


    Ich bin alt und du bist jung.


    Vielleicht wertet man als älterer Mensch schon etwas als Erfolg, das ein jüngerer nur als "ganz okehe Sache" bezeichnen würde. :grin


    Du hast ja recht. Ein "Erfolgsautor" ist auch nach meinem Verständnis jemand, der auf Papier kackt und dafür den Pulitzer bekommt. Oder der den LitNob aus Zeitgründen ablehnt. Und auch der Amazon-Verkaufsrang sollte zwei-, besser aber einstellig sein. ;-)

  • ...finde eure Diskussion herzallerliebst. Danke :knuddel1


    Zum Thema: Bei mir hängt ein Spruch von Hochhuth: Ein Schrifsteller, der nicht an sich zweifelt, ist wie ein Bergsteiger, der aus Angst, abstürzen zu können, den Berg erst garnicht besteigt...


    Gut, ich bin ein Perfektionist und Selbstzweifler und auf die Suche nach ähnlich gelagerten Persönlichkeiten in der Literatur gegangen. Dann fühlt man sich nicht so alleine.


    Und siehe da: Goethe
    Schiller
    Lessing
    Shakespeare
    Dosdojewski
    Hemingway
    Rowling
    P. Highsmith
    Follett
    Donna Leone
    ganz schlimm Simenon
    Agatha Christie


    alle hatten den ständigen Zweifel mit sich selbst auszufechten. :fechten


    Ein Psychologe führt daraus ihren Arbeitseifer ab. Ein Werk nach dem anderen fertigen müssen um irgendwann den Kampf mit und gegen sich bestehen zu können.


    euer hef

  • Hi, Hef.


    Zitat

    Dosdojewski


    Da fragt man sich doch, wo Du gesucht hast. :grin


    Von Selbstzweifeln war in Deinem Posting keine Rede, sondern von Zufriedenheit. Das schließt einander keineswegs aus. Ich kann permanent von Selbstzweifeln geplagt sein (tatsächlich erwarte ich täglich meine Entlarvung als Literatur-Bluffer ;-)), aber trotzdem zufrieden mit dem sein, was ich tue.