Damals, das Meer - Meg Rosoff

  • Klappentext:
    Wie ich Finn traf? Und die kleine, windschiefe Hütte direkt am Meer fand, angefüllt vom ewigen Rauschen der Wellen, mit dem prasselnden Kaminfeuer und der wärmenden Suppe? Das war, als ich auf mein drittes Internat kam, St Oswald, mit seiner Kälte, seinem Drill und seinem erbärmlich schlechten Essen.
    Zuerst suchte ich nur eine Zuflucht...


    Über die Autorin:
    Bevor sie anfing zu schreiben, arbeitete Meg Rosoff in vielen verschiedenen Jobs, unter anderem im Verlagswesen und in der Werbung. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in London. Ihr außergewöhnlicher Debütroman So lebe ich jetzt wurde mit dem Guardian Fiction Award ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, den sie mit ihrem zweiten Buch Was wäre wenn 2008 auch gewann.


    Meine Meinung:
    Nachdem ich in diesem Jahr bisher nur recht Geschehnislastige Bücher in Form von Thrillern, Krimis und Ähnlichem gelesen habe, empfand ich "Damals, das Meer" als herrlich wolkig, aber nicht seicht; als verspielt, aber nicht realitätsfremd und vor allen Dingen als menschlich.


    Das Buch beginnt mit:


    "Ich bin hundert Jahre alt, ein unmögliches Alter, und meine Gedanken sind nicht in der Gegenwart verankert. So driften sie dahin und landen fast immer am gleichen Ufer.
    Heute, wie an den meisten anderen Tagen, ist es das Jahr 1962. Das Jahr, in dem ich die Liebe entdeckte.
    Ich bin wieder sechzehn."


    Da man das gesamte Buch über mit diesen Zeilen im Hinterkopf durchlebt, kommt man häufig zu Schlussfolgerungen, die sich als völlig falsch erweisen und man wird umso öfter überrascht. Man denkt automatisch in eine bestimmte Richtung und wird im Laufe des Buches dann schlagartig eines Besseren belehrt. Das fand ich unglaublich unterhaltsam, denn immerhin ist das Buch weder besonders ereignisreich, noch ein Spannungshighlight. Trotzdem wirkt durch die liebevollen Beschreibungen und sorgsam gewählten Details alles lebendig und interessant. Besonders da die Haupterson, sprich der Ich-Erzähler der Geschichte, dessen Namen erst einmal ein wohlgehütetes Geheimnis bleibt, in zwei völlig verschiedenen Welten lebt: einmal im Internet, wo er der (nicht ganz so extreme) Außenseiter ohne besondere Begabung oder irgendein Interesse ist und einmal bei Finn, in einer Welt, die wir wohl als Armut bezeichnen würden, die mir durch die Beschreibungen im Buch allerdings wie das Paradies vor kommt. Ein Paradies mit Finn, der alles ist, was der Erzähler jemals sein wollte, der aber - um es milde auszudrücken - ein einziges, großes Geheimnis ist. Seltsam, dass er trotz der wenigen Worte und der vielen Ungereimtheiten, bis zum Schluss sympathisch bleibt. Man macht es wohl dem Erzähler gleich: man nimmt Finns Schweigen hin und begnügt sich ganz mit seiner Anwesenheit.


    Das Buch begnügt sich dann erst einmal recht lange mit diesem Status quo und ich hätte das Buch wohl auch nicht zu Seite gelegt, wenn dieser Zustand noch ein paar 100 Seiten länger angedauert hätte, aber es gibt dann doch recht drastische Veränderungen und Einschläge und - man glaubt es kaum - auch ein paar gelöste Rätsel, wenngleich man Antworten auf Fragen bekommt, die man sich nicht einmal stellt.
    Schön fand ich auch den Ausklang des Buches. Immer mehr Autoren benutzen Blitzabgänge, die wohl der Spannung des Buches die Krone aufsetzen sollen. Damals, das Meer hätte das nie nötig gehabt. Gerade dieser schöne, runde Auslauf macht das Werk vollkommen.


    Sprachlich waren die (kurzen) 250 Seiten ein Genuss. Wie auch bei der Geschichte selbst, war sie wolkig, aber nicht seicht; verspielt, aber nicht realitätsfremd und vor allen Dingen war sie weder hochgestochen, noch der Sparte "idiotensicher" zuzuordnen. Es war eine rund herum runde Mischung und für die Lektüre in den ersten Frühlingssonnenstrahlen einfach nur perfekt geeignet. Vielleicht tragen diese seltenen wärmenden Strahlen ihren Teil zu meiner Euphorie bei, aber ich denke, dass jeder, der kleine Menschensgeschichten mag, das Buch ebenso mögen wird.

    "Sobald ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich Bücher; und wenn noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung." - Desiderius Erasmus