Nach den Vampiren scheinen nun die Engel die Bücherwelt zu erobern, und die amerikanische Autorin Lauren Kate springt mit ihrem Erstlingswerk auf diesen Zug auf. „Engelsnacht“ ist der erste Teil einer Trilogie um die junge Lucinda, genannt Luce, die seit ihrer Kindheit von unheimlichen Wesen verfolgt wird und nach einem tragischen Unfall in einer Besserungsanstalt landet. Dort begegnet sie dem mysteriösen Daniel, den sie von irgendwo her zu kennen glaubt und zu dem sie sich stark hingezogen fühlt. Dies scheint jedoch nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn Daniel scheint aus unerklärlichen Gründen eine große Abneigung gegen Luce zu hegen. Er behandelt sie schlecht, geht ihr aus dem Weg und demütigt sie mehrfach. Doch das hält Luce nicht davon ab, ihn anzuhimmeln und Nachforschungen über ihn anzustellen. Von außen scheint dieses Verhalten wenig nachvollziehbar, aber da immer wieder betont wird, dass Luce und Daniel sich von irgendwo her zu kennen scheinen und das Mädchen sich sicher ist, Daniel zu lieben, ist ihre Standhaftigkeit beinahe schon bewundernswert – zumal Daniel (zumindest zu Beginn des Buches) wenig Liebenswertes zeigt. Sowieso ist Luce eine Figur die man einfach gernhaben muss. Das Leben hat ihr übel mitgespielt, seit ihrer Kindheit sieht die die unheimlichen Schatten und bleibt völlig allein mit dieser großen Bürde. Man empfindet Mitleid für sie, auch, weil man sehr gut nachvollziehen kann wie sie sich fühlt. Denn der Leser kommt selber kaum dahinter, was es mit den rätselhaften Schatten auf sich hat. Man stellt zwar Vermutungen an, aber eine wirkliche Lösung findet man nicht. Die Geschichte bleibt die ganze Zeit über ziemlich mysteriös und undurchsichtig und leider werden auch zum Ende hin nicht alle Fragen geklärt. Es bleibt zu hoffen, dass dies in einem der Folgebände noch passieren wird.
Für die Spannung ist diese Undurchsichtigkeit jedoch sehr förderlich. Obwohl die „Vorgeschichte“ sehr lang ist und es eigentlich nach 250 Seiten erst richtig losgeht ist „Engelsnacht“ auf keiner Seite langweilig! Der Spannungsbogen baut sich langsam, aber kontinuierlich auf, endet dann allerdings in einem ziemlich kleinen Showdown, von dem ich mehr erwartet hatte. Etwas Größeres, Fulminanteres, irgendwie… Bombastischeres. Der große Knall, DAS Ende blieb aus, allerdings ist es ja durchaus möglich, dass die Autorin es sich für das Ende dieser Reihe aufgespart hat.
Durch die vielen übriggebliebenen Fragen und das relativ offen gehaltene Ende lässt „Engelsnacht“ den Leser ein kleines bisschen unbefriedigt zurück.
Mit ihrem leichten, sehr angenehm zu lesenden Schreibstil kann Lauren Kate überzeugen. Doch trotzdem sollte man ihr Buch nicht unterschätzen oder als seichte Kost abtun. Durch den manchmal etwas verworrenen Plot muss man sich beim Lesen konzentrieren um alles mitzubekommen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Geschichte um Lauren und Daniel in den nachfolgenden Büchern entwickelt und ob sie zu einem befriedigenden Ende kommt. Der zweite Band „Torment“ ist Ende September bereits auf Englisch erschienen, da dürfte die deutsche Übersetzung nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Ich bin gespannt!