Kurzbeschreibung:
Tonio ist der Sohn des Getreidegroßhändlers Konsul Kröger und dessen schöner, südländischer Frau. Von ihr hat er die dunklen Augen und das südlich scharf geschnittene Gesicht. Vom Bruder seiner Mutter, seinem Onkel Antonio, stammt der landesfremde Vorname. Tonio Kröger lebt in einer alten, giebeligen Stadt an der Ostsee.
Über den Autor:
Thomas Mann wurde 1875 in Lübeck geboren und wohnte seit 1894 in München. 1933 verliess er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee, dann in den vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an der Universität in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Zürich am 12. August 1955.
Meine Meinung:
Thomas Manns Novelle von 1903 ist auch nach mehr als hundert Jahren noch aktuell und lesenswert.
Tonio Kröger ist ein zerrissener Protagonist zwischen zwei Welten, der künstlerischen und der bürgerlichen, wie TM es nennt. Seine Mutter ist südamerikanischer Herkunft, spielt Klavier, der Vater ein Konsul in einer norddeutschen Stadt. Tonio hat Eigenschaften beider Elternteile geerbt, die künstlerische Seite drückt sich aus in seinen literarischen Arbeiten, und doch leidet er daran, nicht zu sein wie sein Freund Hans Hansen, in den er ebenso verliebt ist wie in die fröhliche Ingeborg Holm. (Hans Hansen ist einem bewunderten Schulfreund TMs nachempfunden!)
Die ersten Kapitel zeigen das Leben des Schülers Tonio Kröger. Szenen auf dem Heimweg aus der Schule oder bei der Tanzstunde gehören zu den eindringlichsten Passagen der Novelle.
Später ist Tonio Schriftsteller in München, seine innere Zerrissenheit diskutiert er gerne mit der Künstlerin Lisaetta. Er beschließt in seine Vaterstadt und dann nach Dänemark zu fahren. Dort sieht er junge Leute, die ihn stark an Hans und Ingeborg erinnern. Sein Schicksal bleibt jedoch außerhalb der „normalen“ Menschen.
Die Wirkung der Stimmung ist stark, die Dialoge aber noch teilweise zu theoretisch, das betrifft in erster Linie die Gespräche Tonios mit Lisawetta. Die inneren Dialoge Tonios mit sich selbst sind melancholisch-bitter gehalten. Noch hat er nicht vollständig zu sich selbst gefunden.
Mich persönlich haben immer die frühen Episoden mehr überzeugt. Da gab es bei mir viel Identifikationspotenzial. Tonio Kröger hat sehr viel mit Thomas Mann zu tun. Tonio Krögers Herkunft und Lebensweg gleichen denen TMs. Deswegen wirken die späten Abschnitte der Novelle nicht im gleichen Maße, seine Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Man spürt beim Lesen, dass da noch etwas kommen muss.
Die Novelle „Tonio Kröger“ ist geeignet, mehrfach gelesen zu werden. Trotz des begrenzten Umfangs gibt es einiges zu entdecken.