Paul Maar: Andere Kinder wohnen auch bei ihren Eltern
Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg
ISBN: 978-3-7891-4234-5
144 Seiten
Erschienen 1976; Neuauflage 2002 (Diese Rezension bezieht sich auf die Ausgabe aus dem Jahr 1976.)
Der Autor
Paul Maar ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Kinderbuchautoren, Übersetzer und Illustratoren.
Klappentext
Kilian will nicht weg aus Niklasweiler. Weil dort Opa Rochus und Oma Josepha und sein Freund Lubber wohnen, weil man dort Inseln im Main besetzen, „Tom Sawyer“ spielen und auf den Acker fahren kann - und überhaupt.
Eines Tages stehen Kilians Eltern vor der Tür, um ihren Sohn zu sich in die Stadt zu holen. Damit beginnen seine Schwierigkeiten. Aber Kilian versucht, das Beste aus seiner Situation zu machen. Andere Kinder wohnen schließlich auch bei ihren Eltern! Nur: Es ist nicht einfach, mit Eltern zurechtzukommen, die man erst mit zwölf Jahren kennenlernt.
Kurzbeschreibung
Dieses Buch zu rezensieren fällt schwer. Der Text liest sich unglaublich leicht, weil Paul Maar es verstand, dieses bedrückende Thema meisterlich in so natürliche Sätze zu packen, als hörte man der Stimme des Erzählers tatsächlich zu.
Auf 144 Seiten erzählt Paul Maar den wichtigsten Schritt im Leben eines jungen Menschen, nämlich den Übergang vom Kind hinein in die Pubertät, indem er während des Verlaufs der Erzählung die innere Perspektive der Figur aus der emotionalen Sichtweise heraus in Richtung rationales Denken hin verändert.
Das brutale Herausreißen des zwölfjährigen Kilians aus der gewohnten Dorfumgebung und weg von seinen geliebten Großeltern und seinen Freunden, allen voran der Lubber, lässt Kilian abstürzen. Nur langsam findet er sich in die neue Umgebung einer großen Stadt ein, die Schule fällt ihm schwer und Freunde hat er quasi keine. Paul Maar beschreibt diese Phase sehr direkt anhand gut gewählter Beispiele und einiger Schlüsselszenen. Zum Beispiel lässt er Kilian weinend vor der Haustür sitzen, als seine Mutter gerade vom Friseur kommt. Zum ersten Mal bahnt sich eine Art liebevolles Gespräch zwischen den beiden an, bis Kilian ihr seine Angst vor dem strengen Vater gesteht. Als er ihr dann seine Sechs in Englisch beichtet, fällt ihm die Mutter mit den Worten in den Rücken: „Ach, daher weht der Wind!“ und bricht das Gespräch ab.
Kilian flüchtet sich in seine Erinnerungen an die schöne Zeit in Niklasweiler, bis der Druck zu groß wird. Die Schule läuft schlecht, in den Ferien verbietet der Vater zum wiederholten Mal den Besuch in Niklasweiler bei den Großeltern und als Kilian sitzenbleibt, haut er mit einem gestohlenen Moped vom Schulhof direkt ab in Richtung Niklasweiler. Doch dort ist die Welt in den vergangenen Jahren auch nicht stehen geblieben: In seinem ehemaligen Zimmer hängen geräucherte Schinken, der Opa hat fast keine Arbeit mehr als Büttner und seine Freunde von damals, allen voran der Lubber, sind auch ganz anders als in der Erinnerung. „Für dich ist Niklasweiler das Land hinterm Sonntag. Alles ist gut und schön dort. Das Schlechte vergisst du einfach. Und in der Stadt ist alles schlecht - weil Du‘s so willst! - …“ Mit diesen Worten, die Paul Maar Kilians Opa Rochus sprechen lässt, wirft er den Kilian in die Realität hinein. Zurück in der Stadt verändert sich durch diesen neuen Blickwinkel für Kilian vieles hin zu einem besseren Leben.
Mein Fazit
Andere Kinder leben auch bei Ihren Eltern ist ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe. An vielen Stellen erinnert man sich an seine eigene Kindheit und denkt, ja stimmt! Genauso war das. Ein ehrliches Buch, das ich gerne weiterempfehle.
Viele Grüße
Dieter Ziegler