Galaxy Blues - Alison Goodman (ab ca. 12 J.)

  • OT: Singing the Dogstar Blues 1998



    Das Unerwartete kann sich zuweilen als wahrer Treffer erweisen, so auch dieses Buch, das mir im Wortsinn in die Hände fiel, als ich aus Versehen gegen ein Regal in einem Antiquariat stieß.


    Joss, die knapp achtzehnjährige Heldin, stammt direkt aus der Petri-Schale, wie sie den LeserInnen umgehend mit der ihr eigenen Unverblümtheit mitteilt. In ihre Unverblümtheit mischt sich rasch ein bitterer Ton, zu bitter für eine so junge Frau. Joss leidet unter ihren Familienverhältnissen. Ihre Mutter, eine wunderschöne und äußerst erfolgreiche Frau, ist Fernseh-Journalistin und hat nie Zeit für ihre Tochter. Ihren Vater hat Joss nie kennengelernt, weil sie als Petri-Schalen-Züchtung aus Genmaterial mehrerer Spender zusammengesetzt ist.
    Ungeliebt, wie sie sich fühlt, war Joss ein schwieriges Kind und ist inzwischen eine sehr aufsässige Jugendliche geworden. Trotzdem hat sie es geschafft, als Studentin am Institut für Neuhistorische Studien aufgenommen zu werden. Dieses Institut ist de facto ein Institut für Zeitreisen, die Studentinnen und Studenten erforschen die Vergangenheit, indem sie sie bereisen. Joss’ Spezialgebiet ist Musikgeschichte, sie spielt Mundharmonika, ihre Vorliebe gilt dem Jazz.


    Noch aber steht Joss am Beginn ihres Studiums und das kann sich als sehr kurz erweisen, der Institutsdirektor kann sie nämlich nicht leiden. Das liegt nicht allein an ihm, Joss ist keine, für die Regeln irgendwelche Bedeutung haben. Ein weiteres Problem ist, daß Petri-Schalen-Abkömmlinge gesellschaftlich nicht besonders angesehen sind, vor allem nicht an einem Elite-Institut. Joss läßt sich nichts bieten, ihre Schlagfertigkeit in jeder Hinsicht allerdings hat zur Folge, daß ihr Unterstützerkreis eher klein ist.


    Nicht ganz sicher, ob sie demnächst von der Universität verwiesen wird oder selber abhauen soll, weil ihr mangelndes Selbstwertgefühl wieder dabei ist, Oberhand zu gewinnen, geschieht das Unerwartete. Ein Bewohner des Planeten Choria wird zu Zeitreisen zugelassen und wird ausgerechnet Joss’ Studien-Partner.


    Die Begegnung und das anschließende Zusammenleben mit Mavkel, einer Hälfte einer Art von Doppelwesen, wird für Joss eine echte Herausforderung. Plötzlich muß sie nicht nur sich, sondern auch den Chorianer von Anfeindungen ihrer MitstudentInnen schützen, eine Auftragskillerin schleicht um das Institut und genau an ihrem achtzehnten Geburtstag wird ihre Familienvergangenheit virulent. Dann wird Mav krank und offenbar kann ihn nur eins retten: der Name von Joss’ Vater. Aber wie kommt man als Studentin im ersten Jahr an eine Petri-Schale, die achtzehn Jahre zuvor in einem unbekannten Labor stand?
    Gut, daß Joss noch nie Skrupel hatte, Bestimmungen kreativ auszulegen. Allerdings ist sie nicht die einzige, die um jeden Preis ein bestimmtes Ziel erreichen will.


    Die Geschichte beginnt mit voller Fahrt und sie behält ihr Tempo fast durchgängig bei. Ereignisse und Personen sind abwechslungsreich und sehr plastisch geschildert, was vor allem dem frechen Erzählton der Hauptfigur Joss geschuldet ist, der aber auch blitzschnell ins Melancholische umschlagen kann. Der Begriff ‚Blues’ im Titel ist durchaus Programm.


    Die Versatzstücke sind allesamt bekannt, aber einfallsreich neu gemischt. Originell ist die Darstellung der Lebensart der Chorianer, Doppelwesen mit bestimmten anatomischen Eigentümlichkeiten und ganz eigenen Verhaltensweisen. Die Welt der Töne und der Musik ist ein schön gezeichnetes Verbindungsglied zwischen Mav und Joss.


    Die Krimihandlung, die dem Ganzen zugrundeliegt, ist geschickt eingeflochten, dazu gibt es interessante Details über Zeitreisen. Vor allem aber geht es um Zusammengehörigkeit, unter Freunden, unter Menschen, unter Aliens, zwischen Menschen und Aliens und in der Familie.


    Als Science Fiction-Roman ist die Geschichte zur Abteilung cosy zu rechnen, es geht eher um die innere Entwicklung der Personen als um Physik und Technik. Die Zukunftsvisionen sind aber überzeugend, die Vorstellung etwa von Computern aus organischer Masse ziemlich attraktiv.


    Gut gemachter Jugendroman voller Überraschungen und mit beträchtlichem Tiefgang, der nicht nur Jugendlichen zwischen 12 bis ca. 14 eine schöne Lesezeit beschert.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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