'Eine besondere Vorsehung' - Seiten 001 - 140

  • Ich schreibe einfach mal, obwohl ich erst 22 wenige Seiten gelesen habe. :-)


    Mir ist überhaupt nicht bewusst, auf welche Thematik ich mich hier genau einlasse. Der Klappentext gibt ja nicht wirklich viel her - ob es eher um Robert geht oder eher um die Mutter und welche Tragödie, wenn überhaupt, sich ereignen wird. Das macht mich natürlich auch besonders erwartungsvoll.
    Geht es euch genauso oder wisst ihr, auf was Yates hier hinaus möchte?


    Ansonsten hat es natürlich keine drei Seiten gedauert und ich bin schon wieder gefesselt.


    "Wovon sie sprach, war bedeutungslos, er wusste, was sie tatsächlich sagen wollte. Hilflos und vorsichtig, klein und müde und bestrebt zu gefallen, bat sie ihn, ihr zu bestätigen, dass ihr Leben nicht gescheitert war. Erinnerte er sich an die guten Zeiten? Erinnerte er sich an die vielen netten Leute, die sie gekannt hatten, und an die vielen auf interessante Weise unterschiedlichen Orte, an denen sie gelebt hatten? Und was für Fehler auch immer sie gemacht haben mochte, wie ungerecht auch immer die Welt sie behandelt haben mochte, wusste er, wie sehr sie ihn liebte? ... "


    Wie immer schafft es Yates durch wenige Worte die verzweifelte Hilflosigkeit dieser Frau zu zeichnen und uns klar zu machen: die Frau ist gescheitert... :-(

  • Durch die Rezensionen hatte ich schon einen Eindruck, was mich erwartet.


    Das Buch strahlt eine gewisse Unaufgeregtheit und Gelassenheit aus. Das beginnt schon beim spartanischen Covermotiv.
    Prolog: Der Ton ist sehr nüchtern gehalten, daher kann ich noch nicht Einschätzen ob es am Stil liegt oder an einer Gefühlskälte der Hauptfigur Robert. Beim Tod seines Vaters verhält er sich jedenfalls unbetroffen.
    Seine Mutter kennt der Leser bisher nur aus seinem Sichtwinkel und ich habe den Eindruck, er kennt sie nicht richtig. Es steckt in seinen Bemerkungen und Gedanken eine latente Aggressivität ihr gegenüber, die mich beim Lesen erschreckt.


    Kapitel 1: die Beschreibungen der Ausbildung halte ich für ziemlich realistisch!
    Robert hat einen schweren Stand bei den Männern, wird weder Bob oder Kumpel gerufen sondern einfach Prentice oder verächtlich Junge oder Junior. Er ist isoliert, nur zu John Quint könnte eine Annäherung möglich sein.

  • Zitat

    Original von SueTown


    Wie immer schafft es Yates durch wenige Worte die verzweifelte Hilflosigkeit dieser Frau zu zeichnen und uns klar zu machen: die Frau ist gescheitert... :-(


    Das ist mir auch schon bei den beiden anderen Romanen von Yates aufgefallen: er schafft es, seine Figuren auf knappe Art und Weise so realitätsnah und detailliert zu skizzieren, daß sie der Leser direkt vor Augen hat und sie fast zu kennen glaubt. Als Leser habe ich das Gefühl, das gelingt ihm mühelos und quasi nebenbei, dahinter steckt aber sicherlich Yates´ enormes schriftstellerisches Vermögen.
    Abgesehen davon hat es mich auch schon gepackt (ich bin mit Prolog und Kapitel 1 durch), so wie es auch schon bei "Easter Parade" und "Zeiten des Aufruhrs" war.


    Bei Robert scheint sich einiges an Widerwillen gegen die Persönlichkeit und gegen die Lebensführung seiner Mutter angehäuft zu haben, ohne daß er es sich bislang ihr gegenüber deutlich anmerken hätte lassen, das wird sicher noch ein größeres Thema werden.
    Bei der militärischen Ausbildung wird klar, daß Robert auf ein Außenseiterdasein reduziert ist und sich deshalb an Quint anzuhängen versucht, sich ihm quasi andient. Im Prolog wurde ja schon verdeutlicht, daß er als Schüler durch die häufigen Umzüge und die Armut immer auffiel unter den Jungen und sich eine Nische schaffen mußte.

  • Kapitel 2: Auf Seite 67 wird der Film „Reise aus der Vergangenheit“ mit Bette Davis erwähnt. Das ist ein atmosphärisch dichter Film aus dem Jahr 1942, der eine eigentümliche Atmosphäre aufweist. Wenn man den Film kennt, kann man die vergleichbare Stimmung spüren, die von Roberts Verunsicherung geprägt ist.
    Bette Davis schafft es im Verlaufe des Films sich von einer nervenschwachen, unselbständigen Frau, die von ihrer Mutter beherrscht wird, in eine selbtstbewusste Frau mit eigenem selbstbestimmten Leben zu wandeln.
    Ich wünsche mir das für Robert auch!

  • Gerade mal mit dem Prolog durch (ständig quatscht mir heute einer dazwischen) muss ich mir gleich mal Luft machen, weil ich jetzt schon nach 30 Seiten merke, dass mir das alles ziemlich unter die Haut gehen wird.


    Roberts Verhalten (beim Essen im Billig-Restaurant) ist für mich durchaus nachvollziehbar, denn er hat es mit einer Mutter zu tun die ihm immer wieder ihre "Opferrolle" aufgedrängt hat, wenn sie z.B. einen Herzinfarkt vortäuscht wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Und dann kommen natürlich seine Entschuldigungen. So erzieht man seine Kinder zu Menschen die immer ein schlechtes Gewissen haben und sich für ihre Eltern, bzw. in diesem Fall für die Mutter verantwortlich fühlen. Schrecklich!!Das ständige Umziehen, der Streit und die Schulden beim Vermieter bzw. Kohlenhändler zeigt gleichermaßen ihr Scheitern aber auch ihr Sein fern jeglicher Realität.
    O je, ich fürchte dieser Roman kostet mich viel Kraft und es zeigt sich schon nach 30 Seiten dass niemand so gut die Psycho-Keule schwingen kann wie eine Mutter.


    SueTown
    deine Frage läßt sich für mich im Moment noch nicht beantworten. Aber ich bin mehr als gespannt wie er die beiden Hauptfiguren auf den restlichen Seiten miteinander umgehen läßt.


    @Mankell
    es geht mir wie dir, obwohl ich noch nicht so weit bin, ich bin auch gleich in der Geschichte drin gewesen.


    Herr Palomar
    meinst du wirklich Robert ist gefühlskalt? Er hatte sich ja gewünscht, den Vater kennenzulernen, der sich für ihn (Privatschule) und seine Mutter (Bildhauerin????) zugrunde gerichtet hat.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zu dem Eindruck der Gefühlskälte kam ich hauptsächlich wegen dem Satz auf Seite 19 unten: Was soll das, Mutter - sollen wir wirklch weinen, nur weil er gestorben ist?


    Ich halte ihn tatsächlich für emotional unterentwickelt. Aber er ist noch jung und hat noch Möglichkeiten, sich zu verändern.

  • So, mit dem ersten Abschnitt bin ich nun ganz durch.


    Am letzten Abend vor der Truppenverlegung nach Übersee wird Robert von einem Mädel mitheimgenommen und hat offensichtlich den ersten Sex seines Lebens. Interessant, was ihm bis dahin alles durch den Kopf geht und worüber er sich Gedanken macht, anstatt sich zu entspannen.
    Der gesamte Rest dieses Abschnitts handelt von der Verlegung nach Übersee bzw. von Roberts ersten Erlebnisses bei den Kampfhandlungen. Mehrmals gerät er in für ihn "peinliche" Situationen und muß Niederlagen einstecken, schlägt sich aber besser, als ich gedacht hätte. Das Angebot, wegen seiner angeschlagenen Gesundheit von der unmittelbaren Front weg zur Erste-Hilfe-Station gebracht zu werden, lehnt er wiederholt ab; Quint hätte das Angebot wohl ohne zu zögern angenommen (und damit Köpfchen bewiesen).
    Die Schilderungen der Militärhierarchie sowie Roberts Unfähigkeit, sich auf die Erfordernisse der Situation einzustellen, fand ich gut geschildert; auch den Aspekt der Dreierfreundschaft mit Quint und Sam bis hin zu Quints verbalen Wutausbruch.
    An einigen Stellen wird Yates ziemlich deutlich und setzt Konstrastpunkte zum übrigen Text; zB die Sanitäter, die einen Verletzten mittels Bahre vorsichtig abtransportieren und den Mann dann einfach in den Schlamm kippen, als sie seinen eingetretenen Tod feststellen.
    Der nächste Abschnitt wird sich wohl mehr mit der Mutter beschäftigen oder vielleicht auch mit der gemeinsamen Vergangenheit von Mutter und Sohn.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Zu dem Eindruck der Gefühlskälte kam ich hauptsächlich wegen dem Satz auf Seite 19 unten: Was soll das, Mutter - sollen wir wirklch weinen, nur weil er gestorben ist?
    .


    Ich habe darin eher einen Vorwurf an die Mutter gesehen - weint sie weil er gestorben ist, oder weint sie weil ihr zu diesem Zeitpunkt schon klar ist dass ihr die finanziellen Mittel abhanden kommen?
    Robert war ja entsetzt über ihr theatralisches Verhalten bei der Beerdigung und hat das letztendlich als Inszenierung erkannt.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich möchte noch gerne eine Anmerkung zu der Geschichte in der Bar machen (S. 59 letzter Absatz)


    Ich meine, dass die USA in den letzen Zügen des Krieges das Mindestalter für den Alkoholkosum auf 18 Jahre herabgesetzt hat (wenn sie schon so jung zum Sterben nach Europa geschickt werden können die jungen Männer auch Alkohol trinken) und nach dem Ende des Krieges wurde es wieder auf 21 Jahre angehoben.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Beim Lesen dieses Abschnittes, die Schilderungen beim Militär und Roberts große Probleme sich den bestehenden Strukturen anzupassen war ich sehr distanziert.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Beim Lesen dieses Abschnittes, die Schilderungen beim Militär und Roberts große Probleme sich den bestehenden Strukturen anzupassen war ich sehr distanziert.


    Das kann ich für mich auch so unterschreiben.


    Ich weiß nicht genau, woran ich festmache, dass mir in diesem Abschnitt etwas gefehlt hat. Ganz ehrlich muss ich gestehen, dass ich die Schilderungen von Roberts Krankheit im Gegensatz zu den Schilderungen, was er dennoch leistet überzogen fand. Ich war erleichtert als er zuletzt endlich das Handtuch geworfen hat.


    Ich konnte aus diesem ersten Teil noch nicht viel Informationen ziehen. Die Freundschaft zwischen Quint und Robert finde ich wenig außergewöhnlich. Ich denke, derart Konstellationen gab es zahlreiche zu Zeiten des Krieges. Natürlich waren die sehr jungen Männer, wie Robert es einer ist, unerfahren und ängstlich. Die Fragen, die Robert ständig an Quint stellt ärgern diesen, weil er sie selbst gerne beantwortet hätte und mindestens ebenso viel Angst hat wie Robert.


    Robert hat Schwierigkeiten sich anzupassen, das stimmt. Allerdings finde ich seine Anpassungsschwierigkeiten weit weniger dramatisch als befürchtet.


    Ich bin gespannt, was der nächste Abschnitt bringt.