Die verschwundene Dienerin von Tarquin Hall

  • OT: Vish Puri - The most privat investigator - The case of the missing servant - 2009
    Aus dem Englischen Jochen Stremmel
    384 Seiten
    Henye-TB 43416
    Deutsche Erstausgabe 02/2010
    ISBN 9783453434165


    Der Autor:
    Tarquin Hall, 1969 in London geboren, ist ein britischer Journalist und Autor. Er lebte und arbeitete viele Jahre seines Lebens in Südasien, Nahost und Afrika, heute lebt er mit seiner indischen Ehefrau abwechselnd in London und in Delhi. Hall ist Autor von drei erfolgreichen Sachbüchern. "Die verschwundene Dienerin" ist sein Romandebut. Weitere Romane mit der Hauptfigur Vish Puri sind geplant


    Worum geht es?
    Vishwas Puri, der sich nur noch Vish Puri nennt, denn dieser Name konnte als „Gewährer der Wünsche“ verstanden werden, 51 Jahre und übergewichtig, ist der Gründer und Geschäftsführer der Privatdetektei Most Private Investigators Limited“ in Neu Dehli.
    Er ist davon überzeugt, der beste Detektiv in Indien zu sein, den schließlich hat er alle seine Fälle aufgeklärt und schon einen internationalen und sechs nationale Preise gewonnen.
    Eine seiner Eigenarten ist, das er seinen Verwandten, seinen engsten Freunden und den meisten seiner Mitarbeiter Spitznamen gibt. Seine Ehefrau ist „Allerwerteste“,seine Fahrer „Handbremse“, den faulen Bürojungen „Türstopper“. Einen seiner Mitarbeiter nennt er „Neonröhre“,weil der morgens nur schwer wach wird, einen anderen „Spüler“, weil er eine Toilette mit Wasserspülung besitzt. Und dann gibt es noch die Undercover-Agentein „Gesichtscreme“. Er selbst wird von seiner Familie und guten Freunden Chubby bzw. Dicker genannt, bei seinen Mitarbeiter besteht er auf „Boss“.
    Da in Indien Ehen noch gerne durch Vermittlungen geschlossen werden, ist die Überprüfung möglicher Ehekandidaten sein tägliches Brot. Aber sein Ruf „Sherlock Holmes von Indien“, den er allerdings hasst, den er führt sein Können auf den Staatsmann, Philosophen und Begründer der Kunst der Spionage und Ermittlung Chanakayn, 300 v. Chr., zurück, bringt ihm auch immer wieder richtige Fälle. Diesmal ist es der angesehen Anwalt Ajay Kasliwal, dem zur Last gelegt wird, eins seiner Dienstmädchen. Das spurlos verschwunden ist, ermordet zuhaben.
    Ein Mädchen, von dem es kein Bild und keine Beschreibung gibt, in dem Volk von Milliarden von Menschen zu finden - wahrlich eine Herausforderung für Vish Puri, der er sich zuversichtlich stellt.
    Dazu muss er noch für einen hochrangigen Militär eine Ehekandidaten-Überprüfung durchführen und, als er auf dem Dach seine Spezial-Chili-Züchtungen pflegt, wird auf ihn geschossen.


    Eindruck:
    Der Verlag preist diese Buch mit den Worten: Brillant, charmant und unwiderstehlich spannend an.
    Vish Puri, ein wahrer indischer Meisterdetektiv, der Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Philo Vance in nichts nachsteht, hat wirklich einen eigenwilligen Charme. Seine Schlussfolgerungen sind stellenweise brillant. Allerdings fehlt etwas die Spannung, auch wenn die Lösungen der Fälle überrascht. Auch der, durch die Spitznamen erwartete, Humor hält sich in Grenzen.
    Der Roman hat aber einen fast unwiderstehlichen Reiz durch die Darstellung Indiens und seiner Bewohner. Es herrscht ein kaum vorstellbares Nebeneinander von Dritter-Welt-Armut, Beamtenkorruption und Reichen, die den Stil der ehemaligen Kolonialmacht England nachahmen.
    Der Beschreibung nach, und der Autor scheint das heutige Indien gut zu kennen, ist dieses Land, das sich zu einer Wirtschaftsweltmacht aufschwingt, einfach ein riesiges, für uns unvorstellbares Chaos. Das überhaupt etwas funktioniert grenzt schon an Wunder.
    Auch das Kastensystem bzw. Kastenwesen, das offiziell abgeschafft ist, scheint das indische Leben noch stark zu prägen.


    Nachteilig empfand ich die vielen indischen Ausdrücke, die allerdings in einem 14-seitigen Glossar erklärt sind. Das hat aber, besonders am Anfang zur Folge, dass man häufig nachschlagen muss. Auch die Cover-Illustration sieht "billig" aus.


    Insgesamt aber ein netter unspektakulärer Krimi, der sein Flair hauptsächlich durch die fremde Kultur gewinnt.
    Wer sich darauf einlassen kann, hat ein paar unterhaltsame und Augen öffnende Stunden vor sich.
    Dies ist der erste Band, weiter sind geplant. Einen zweiten würde ich mir auf jeden Fall zu Gemüte führen.


    Zdeum hat mir diese Buch Lust auf einen meiner 4 subbenden Romane von Amitav Ghosh gemacht.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson