Radio Heimat - Frank Goosen

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  • 163 Seiten, Gebunden, EJ: 2010, 14.95 Euro


    Klappentext
    Wie heißt es im Pott so treffend: Woanders ist auch scheiße, oder?
    In Radio Heimat erzählt Frank Goosen Geschichten von zuhause, von Helden und Laberfürsten, von Pomeesbuden und Kneipen. Zhause, das ist das Land der Autobahnen, der frechen Blagen und der alten Frauen, die nicht auf den Mund gefallen sind. Goosens Omma taucht hier ebenso wieder auf wie die Kumpels Mücke und Scotty, wenn der Autor und Kabarettist unterwegs ist in Stadien und Partykellern, in Parks und Brachen. Drängende Fragen werden beantwortet: Wieso sagte Vattern früher: Mach die Augen zu und iss? Was meinter der Wirt, als er sprach: Wat der Mensch braucht, dat muss er haben? Und wer kann hier von sich behaupten: Kär, wat ham wir früher malocht?


    Autor
    Frank Goosen lebt seit Mai 1966 in Bochum. Neben seinen erfolgreichen Romanen (darunter Liegen lernen, Porkorny lacht und So viel Zeit) hat er zahlreiche Kurzgeschichten veröffentlicht und tourt mit seinen erfolgreichen Kabarettprogrammen (z.B. "A40") durch Deutschland.
    Zuletzt erschien bei Eichborn sein Fußballbuch "Weil Samstag ist", das inwzischen in der 8. Auflage vorliegt.
    Er wohnt mit seiner Frau und zwei hoffnungsvollen Nachwuchskickern in Bochum.


    Meinung


    "Höflichkeit ist was für Leute, die nicht richtig arbeiten können!" (Seite 163)


    Genial - ehrlich! Wir Goosen seine Heimat beschreibt, Land und Leute, Landschaften und Gebräuche, ist genial, erfrischend und hemmunglos ehrlich.
    Schon der erste Satz ist grandios!


    "An lauen Sommerabenden stehe ich gern auf der Eisenbahnbrücke am Lohring in Bochum und schaue auf meine Stadt. Ich sehe das Mercedes-Hochhaus am Bahnhof, die Fiege-Brauerei, das neue Hochhaus der Stadtwerke (das ein bisschen aussieht wie der Monolith aus 2001), die Türme von Propstei- und Christuskirche, und ganz rechts erkenne ich sogar noch den Förderturm des Bergbau-Museums. Und dann denke ich: Boah! Schön ist das nicht!" (Seite 9)


    Mit einer großen Portion Ruhrpott-Patriotismus erzählt Frank Goosen in stetig humorvollen Ton von seiner Heimat, seinen Erfahrungen, seinem Aufwachsen und seinen "Lieben". Er erzählt von einem Menschenschlag, der "nicht besonders höflich, dafür aber sehr direkt" ist. Die Folge davon? "Man kommt mit ihnen ins Gespräch, ob man will oder nicht".


    Egal, ob es um den besagten Menschenschlag geht, der sich im Ruhrpott so herumtreibt oder um den ruhrpotteigenen Budenzauber, Frank Goosen erzählt ohne zu spotten. Einfach so, wie es ist. Für Auswärtige sehr informativ, für Einheimische völlig normal und für alle ausgesprochen amüsant.


    "Das größte Plus für die Lebensqualität zwischen Recklinghausen und Hattingen, Duisburg und Unna ist jedoch die "Trinkhalle" oder "Selterbude", kurz: die Bude, ein nicht wegzudenkender Versorgungsstützpunkt, der elementare Grundnahrungsmittel wie Flaschenbier, Kartoffelchips und Klümpchen auch jenseits der üblichen Ladenöffnungszeiten bereithält."


    Woran man gute Buden erkennt, das sollte man besser selbst nachlesen.


    Um das obige Zitat besser einordnen zu können, muss man natürlich wissen, dass für Goosen "Südlich von Hattingen Tirol ist und nördlich von Recklinghausen Dänemark, östlich von Unna beginnt für ihn Sibirien und westlich von Duisburg ist die Welt zu Ende und da fallen alle ins Urmeer!" :-)


    Umgehauen hat mich auch die Beschreibung der Haushaltskittel der Ruhrfrauen - das wohl meistgetragenste Kleidungsstück dieser Gegend.


    "Man fragte sich spontan: Wie kam die Tante da überhaupt rein? Vermutlich wie der Christbaum ins Netz kommt: Im Altersheim stand auf dem Gang eine durchgeschnittene Tonne, da kam vorne der Pullover drauf, und hinten schoben zwei Zivis." :rofl


    Ich habe gelernt, Schrebbagahten und Currywurstpommesamayo gehören zum Pott wie Stoibers "äh" und Hofbräuhaus zu Bayern. Das ist Kultur! Von wegen Klischees! Und eines ist sicher: "Woanders is auch scheiße!"


    Fazit: Egal ob Ruhrpottler oder Auswärtiger, der bei einem Ruhrbesuch den Begriff der Schönheit erweitert bekommt, dieses Buch ist eine Meisterleistung und eine großartige Hommage an Land, Leute und Kultur. Umwerfend komisch, aber von Herzen kommend. Bitte Herr Goosen, mehr davon!

  • Zitat

    Original von SueTown
    "Man fragte sich spontan: Wie kam die Tante da überhaupt rein? Vermutlich wie der Christbaum ins Netz kommt: Im Altersheim stand auf dem Gang eine durchgeschnittene Tonne, da kam vorne der Pullover drauf, und hinten schoben zwei Zivis."


    als ich mir das gerade vorgestellt habe, musste ich laut lachen, danke, SueTown!
    Das Buch steht zwar schon ein Weilchen auf der Wunschliste, rutscht nun aber ein ganzes Stück nach oben :-)

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Auch wenn das sicher eine Stelle war, über die ich am meisten lachen konnte, das Buch steckt voll von diesen Szenen. Man merkt Goosen an, dass er nicht nur Schriftsteller ist, sondern auch Kabarettist. Du tust dir sicherlich einen Gefallen, wenn du den Titel bald von der Wunschliste in den Warenkorb ziehen lässt. :-]

  • @geli: Die Hörbuch-Version habe ich ebenfalls und in diesem Fall würde ich sehr dazu raten. Frank Goosen ist ja von Haus aus Kabarettist und liest wirklich genial. Der einzige Nachteil ist, dass die Hörbuch-Version gekürzt ist.

  • Ich bin gestern mit dem Buch fertig geworden und habe mich prächtig amüsiert.
    Als HÖrbuch kann ich mir den Roman auch gut vorstellen

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Titel: Radio Heimat. Geschichten von zuhause
    Autor: Frank Goosen
    Verlag: Eichborn
    Erschienen: Januar 2010
    Seitenzahl: 165
    ISBN-10: 3821860723
    ISBN-13: 978-3821860725
    Preis: 14.95 EUR


    Frank Goosen lebt seit 1966 in Bochum. Neben seinem erfolgreichen schriftstellerischen Schaffen tourt er auch noch als Kabarettist durch die Lande. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.


    „Radio Heimat“ ist ein sehr lesenswertes Buch, eine Liebeserklärung an das Ruhrgebiet. Durchaus ironisch, aber nie bösartig beschreibt Frank Goosen dieses Gebiet im Westen der Republik. Und als Leser hat man den Eindruck das eine riesige Menge von autobiographischen Schnipseln in diese Geschichten mit eingeflossen sind.


    So wie Goosen die Menschen des Ruhrgebietes beschreibt, so kann nur jemand schreiben, dem gerade diese Menschen ans Herz gewachsen sind. Menschen mit all ihren Schrullen, Eigenheiten und Besonderheiten. Menschen, die eben nicht sehr oft auf der Sonnenseite des Lebens stehen, aber trotzdem dieses Leben optimistisch und offen leben. Das Ruhrgebiet ist viel, viel mehr als Kohle, Fördertürme und dunkle Arbeitersiedlungen. Das Ruhrgebiet ist auch mehr als Fußball und Kittelschürzen. Sicher wird man sich irgendwann entscheiden müssen, ob man nun für Blau-Weiß, für Geld-Schwarz oder für das andere Blau-Weiß ist. Goosen hat sich als Bochumer natürlich für das „einzig wahre“ Blau-Weiß entschieden, dem VfL Bochum. Und wie er selbst schreibt, wird im Ruhrgebiet „Fußball gearbeitet“.


    Dieses Buch offenbart dem Leser wohl mehr über das Ruhrgebiet als es ein Hochglanzbilderband je vermögen würde. Das Buch ist authentisch, das Buch beschreibt das Leben aus der Sicht, die wirklich auch sieht. Nichts an diesen Geschichten wirkt aufgesetzt, nichts scheint übertrieben und wohl Wenige haben es bisher geschafft die Menschen des Ruhrgebiets besser zu beschreiben.


    Während meiner Bundeswehrzeit habe ich viele Jungs aus dem Ruhrgebiet kennen und vor allen Dingen auch schätzen gelernt. Diese Ruhrgebietler habe ich als ganz besonderen Menschenschlag erfahren, ehrlich, direkt, zuverlässig und immer bereit ein paar Pils zu vernichten.


    Ein sehr schönes, ein wirklich sehr lesenswertes Buch, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die liebevolle Karikierung der Menschen des Landstriches, welcher sich „Ruhrgebiet“ nennt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • ich habe das buch schon oft in der hand gehabt... und schon einige positive meinungen zu dem buch gehört - aber meiner meinung nach, kein wunder. der autor ist schließlich frank goosen :grin er schreibt einfach unterhaltsam und witzig... ich muss mir das buch langsam mal zulegen...

  • Ich bin in Bochum aufgewachsen und habe das Buch mit großer Begeisterung gelesen. Frank Goosen erfindet keine Geschichten, er hat sie erlebt und schildert Orte und Handlungen so authentisch, dass man sich fühlt, als säße man mit ihm im "Sportfreund" und ließe sich die Geschichten bei einem Pilsken erzählen :-)

  • Ein wirklich witziges und lesenswertes Buch. Sogar mein Mann (der nicht unbedingt eine Leseratte zu nennen ist) hat dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen.

  • Ich mag Bochum, wirklich, auch wenn, oder vielleicht weil, ich dort den schlimmsten Döner meines Lebens gegessen habe. Ich mag auch den Ruhrpott im Allgemeinen, ist doch meine heißgeliebte Omma (wir nannten sie tatsächlich mit zwei M, obwohl wir im tiefsten Schwaben wohnten) in Essen geboren und aufgewachsen und hat mich als Kind mit wunderbaren Geschichten versorgt.
    Deshalb habe ich mich auch sehr auf dieses Buch gefreut, und war am Ende noch mehr enttäuscht.


    Im Grunde ist dieses Buch ein weiteres der gerade inflationär auf den Markt drängenden Kindheitsgeschichten in den Siebzigern. Pottspezifische Eigenheiten (Seltersbude, der Dialekt, Opel) wirken lediglich wie die Verbrämung der üblichen Rekapitulation alter Kinderserien, Tapetenmusterentgleisungen und frühpubertärer Alkoholexperimente. Ommas Schlafzimmer mit Penatencreme behandeln? Meine Güte, das haben wir als Kinder doch alle mal getan. Diese Kindheitsanekdoten haben mich sehr an die Szene aus "Harold and Maud" erinnert, als die Mutter einer möglichen Heiratskansidatin Harolds Mutter von den unglaublich witzigen (in Wirklichkeit freilich unglaublich langweiligen) Kindheitsstreichen ihrer Tochter erzählt, während sich Harold im Hintergrund gerade die Hand abhackt.


    Durch die witzige (aber keineswegs originelle) Sprache abgelenkt, wurde mir erst in der Mitte klar, dass es sich bei diesen Kindheitserinnerungen im Grunde um einen rührseligen Rückblick auf eine stinkelangweilige Kindheit handelt, die nur durch einen gewissen Wiedererkennungswert überhaupt von Interesse für den Leser ist. Und die "lockere Schreibe" ist genau die Schreibe, die man von solch einem Buch erwartet, vordergründig witzig, am Ende aber dann doch die übliche Einheitssoße.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich habe es mir inzwischen aus der Bücherei ausgeliehen, in der es ein "Longseller" ist. Hm, müsste doch eigentlich anders heißen. "Longborrow" oder so...


    Die ersten 3 Geschichten habe ich meinem Mann laut vorgelesen, der unbedingt und viel lieber das Hörbuch hören will. Ich selber las dann für mich weiter.


    Ja, die Geschichten sind witzig und ja, ich kann mir den Ruhrpott nun bildlich vorstellen. So manches Mal habe ich laut aufgelacht, die Geschichte mit den Kitteln z.B. oder die Begegnung mit dem Bayern auf der Zugfahrt von München nach Hannover.


    Doch um es in einem Rutsch durchzulesen, war es mir ein wenig eintönig. Ich hab das ganze nun innerhalb von 4 Wochen häppchenweise gelesen und mich sehr gut amüsiert.


    Von mir 8 Punkte. Die Idee, mal so einen Einblick in einen Menschenschlag Deutschlands zu geben, ist klasse. Die Umsetzung noch viel besser.

  • Ein super tolles Buch. Ich komme nicht aus dem Ruhrpott aber nun kann ich einiges besser verstehen.Es war so lustig, dass ich oft vor mich hin gelacht habe und zwar wirklich laut, was ich gar nicht bemerkt habe.


    Ich habe gesehen, dass es von F.Goosen noch mehr Bücher gibt und werde diese direkt auf meinen Wunschzettel packen.


    Dieses Buch kann man wirklich empfehlen.

  • Lesenswertes, tolles Buch!


    Von Frank Goosen habe ich zuerst "Sommerfest" vor 2 (?!) Jahren gelesen - das fand ich richtig gut. Dann habe ich mir in der Zwischenzeit "Raketenmänner" von ihm geholt - das fand ich richtig schlecht. Jetzt wollte ich ihm mal wieder eine Chance geben.


    Für mich ist das Buch eine Hommage an das Ruhrgebiet bzw. vielmehr die Menschen, die dort leben. Es ist eine Anreihung von Kurzgeschichten. Man kann das Buch perfekt mal weglegen, drei andere Bücher zwischendurch lesen und wieder mit "Radio Heimat" anfangen. Mir persönlich hätten zwar 100-150 Seiten auch gereicht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich a) nicht aus der Generation des Autors stamme und b) nicht aus dem Pott komme. Dennoch ein lesenswertes und tolles Buch, hat mir gefallen.

  • Frank Goosen ist stolz auf seine Heimat und berichtet gerne von ihr. Insbesondere von seiner Kindheit und Jugend in den Siebzigern und Achtzigern in Bochum und Umgebung. Von verrückten Ausflügen mit Kumpel Mücke, von Siggis legendärer Kneipe, von den witzigen Aussprüche von der Omma (über saubere Unterwäsche) und wie das mit der Wohnung direkt über dem Rathaus war. Alles mit viel Humor und Herzblut. Es ist genau das Richtige für jeden, der in den 70ern oder 80ern jung war, ganz egal, ob er aus dem Ruhrpott kommt oder nicht. Nicht sonderlich tiefschürfend, aber höchst unterhaltsam.