Glücklich sein

  • Es kostet mich immer irgendwie Überwindung, eigene Texte hier zu posten, aber es kann ja nun mal nicht immer alles positiv sein ... Und wie soll man lernen, mit Kritik umzugehen, wenn man sich ihr nie stellt?


    Also, mal ein geistiger Erguss, der gerade aus mir heraus wollte ... :grin Also, wer etwas sagen mag, nur zu. :wave




    Glücklich sein


    Die Bezeichnung „Glück“ bekommt plötzlich eine ganz andere Bedeutung,
    wenn ich den Blick zur Seite richte und die Person betrachte, die dort mit
    einem abwesenden Gesichtsausdruck auf den Bildschirm starrt.
    Vorher war es Glück, wenn – alles in Ordnung war. Wenn wir gesund waren,
    wenn wir einigermaßen fröhlich waren.
    Jetzt ist es einfach nur Glück, sie anzusehen. Zu wissen, dass sie hier ist, zu
    wissen, dass die Welt sich nicht mehr nur um mich allein dreht, sondern dass
    da noch jemand ist.
    Und ich stelle mir die Frage, welche Bedeutung „Glück“ noch hat. Was braucht
    der Mensch, um ehrliches, reines Glück zu empfinden?
    „Amy …“
    Sie taucht sofort aus den Tiefen ihrer Gedanken auf und sieht mich lächelnd
    an.
    Einen Augenblick lang bin ich wie gelähmt, kann noch immer nicht glauben,
    dass sie dieses Lächeln mir schenkt. Wir waren Mitschüler, Freunde – und
    heute ist sie der wichtigste Mensch für mich. Wichtiger als meine Familie,
    wichtiger als meine Freunde – ich kann heute verstehen, warum meine
    Freunde ihre Abende so oft mit ihren wichtigen Menschen verbringen.
    Ich hole Luft. „Amy – was bedeutet für dich Glück?“
    Ihre Augen bekommen einen eigenartigen Glanz und ihr Lächeln ist nicht
    mehr nur ein Lächeln voller Liebe – es ist plötzlich weicher, verständnisvoll,
    nachdenklich.
    „Eine Familie ist Glück, eine Familie, die dich liebt und die du liebst. Freunde
    sind Glück. Jeder Mensch braucht einen Freund, und es ist egal, wer dieser
    Freund ist. Wichtig ist, dass du dich wohl mit ihm fühlst.“
    Ob eine Waffe ein Freund sein kann, wenn man sich mit ihr wohl fühlt? Ich bin
    skeptisch.
    „Glück ist die Sonne, wenn sie am Morgen nach einer langen, dunklen Nacht
    aufgeht“, fährt sie fort. „Glück ist die Nacht, in der tausende Sterne am
    Himmel leuchten, in der du die Stille fühlen kannst. Glück ist … wenn du
    fühlst, dass du lebst.“
    Über ihren letzten Punkt muss ich einen Augenblick lang nachdenken.
    „Wie fühle ich denn, dass ich lebe?“, frage ich sie dann. Als Krankenpfleger
    denke ich zuerst an den Herzschlag und die Atmung, funktionierende Sinne …
    „Ich weiß nicht, wie du fühlst, dass du lebst. Ich fühle es, wenn ich das nasse
    Gras am Morgen unter meinen nackten Füßen spüre, wenn ich die Sonne auf
    meiner Haut spüre … wenn ich frisches Wasser trinke, fühle ich es.“
    „Klingt sehr sommerlich“, bemerke ich trocken.
    Sie lächelt und schließt die Augen. „Ich fühle es auch, wenn ich durch
    strömenden Regen an einem kalten Abend nach Hause gehe. Wenn der Wind
    meine Haare zerzaust.“
    „Du fühlst also nur, dass du lebst, wenn es mit dem Wetter zu tun hat?“
    Einen Augenblick bleibt sie still. „Nein“, entgegnet sie dann. „Ich fühle, dass
    ich lebe, jede Sekunde. Nicht jede Sekunde ist schön, aber viele Sekunden
    sind es. Ich fühle, dass es mich gibt.“
    Ich glaube, Glück ist etwas, dass man nicht in Worte fassen kann. Man kann
    stundenlang darüber sprechen, versuchen, die richtigen Worte zu finden, am
    Ende wird das Gegenüber höchstens einen Hauch einer Ahnung vom Gefühl
    des Glücks haben.
    Glück erfährt man nur an sich selbst … Man selbst muss glücklich sein, um zu
    spüren, dass man es ist.
    „Was ist denn für dich Glück?“, fragt sie und sieht mich an.
    Ich senke den Blick, zögere einen Augenblick, dann rücke ich nah an sie heran.
    Erst, als ich direkt neben ihr bin, blicke ich ihr wieder in die dunklen Augen.
    „Glück ist für mich, mit dir hier zu sein. In deiner Nähe zu sein“, erkläre ich
    leise.
    Sie schweigt. Ich schweige auch.
    Es gibt Bilder, die man nicht in Worte fassen kann. Man kann sie seinem
    Gegenüber auch mit tausend Worten nicht beschreiben.
    Aber diese Bilder brennen sich auf ewig in der Erinnerung ein.
    Sie sind ein Teil des eigenen Glücks.
    Glücklich sein ist nicht schwer. Mit etwas Dankbarkeit und einem Blick für die
    vielen, kleinen Dinge ist es wirklich nicht schwer.

  • Mir gefällt der Dialog der Beiden sehr gut, und die Gedanken des Ich-Erzählers dazu. Nur den Schluss finde ich etwas aufgesetzt und abgedroschen. Vor allem das mit den vielen kleinen Dingen, die man sehen muss und so. Einfach schon viel zu oft gehört. :rolleyes Aber ich mag deinen Schreibstil und Amy und ihr Freund sind mir irgendwie sympathisch.

  • Gern geschehen! :wave
    Übrigens hast du mich - ich weiß gar nicht warum - gerade auch zu einem spontanen Schreiberguss inspiriert. Gleich, nachdem ich deine Geschichte gelesen habe, hab ich auch was geschrieben. Was inhaltlich nicht wirklich mit deiner Geschichte zusammenhängt - oder vielleicht doch ein bisschen, kA? Naja, ich werd es dann mal posten, jedenfalls danke für die Inspiration! :knuddel1