Die rächende Frau

  • Sehr geehrte Büchereulen!


    Ich bin Studentin der Germanistik und schreibe meine Magisterarbeit.
    Sie wird von Frauen in der Literatur handeln, die sich für körperliche Gewalt (Misshandlung, Vergewaltigung, Mord eines geliebten Menschen) durch Selbstjustiz in Form von Gewalt rächt.


    Ein schönes Beispiel ist die Figur "Pono" in "Haifischfrauen", die einen Mann, der sie wiederholt vergewaltigt, umbringt und ihn in einem Sumpf von ihren Freunden versenken lässt. Bevor er untergeht, lässt sie ihn wieder herausziehen, reißt ihm sein Rückgrat heraus und fertigt sich daraus einen Stock, auf den sie sich mit 80 Jahren noch stützt.


    Das ist ein sehr grässliches Beispiel, hinterlässt aber ein zutiefst befriedigendes Gefühl beim weiblichen Leser.


    Ich würde mich über Diskussionen, Buchvorschläge, etc. zu diesem Thema sehr freuen.
    Einerseits interessiert mich, wie ihr solche Frauen in der Literatur aufnehmt.
    Selbstjustiz ist ein Verbrechen, 2 Jahre Bewährung für eine Vergewaltigung keine angemessene Strafe... es gibt viele interessante Aspekte.


    Sich rächende Frauen in:
    Witwe für ein Jahr - John Irving
    Haifischfrauen - Kiana Davenport
    Extremities - William Mastrosimone
    Wie vergewaltige ich einen Mann - Märta Tikkanen
    Verblendung - Stieg Larsson
    Catgut - Anna Gavalda
    Die Rache einer Frau - Werner Gräf


    Vielleicht habt Ihr diese Bücher, Dramen, Kurzgeschichten gelesen und diskutiert ein wenig mit mir darüber!
    Wenn Ihr andere kennt, wäre ich über Vorschläge hocherfreut!


    Viele Güße
    Julia

  • Dein Nick beschreibt ja eines der ältesten Beispiele für eine sich rächende Frau. Ich hab mal über Kriemhield eine Hausarbeit in Mediävistik geschrieben. Bei Kriemhild finde ich ihre Entwicklung beeindruckend. Deinen Buchbeispielen zufolge schreibst du aber offensichtlich eher in NdL, oder?


    Von den von dir aufgeführten Büchern habe ich leider bisher nur Verblendung gelesen und Lisbeth ist wirklich ein sehr gutes Beispiel aber wieder völlig anders als Kriemhild. Sie ist ja quasi prädestiniert für Selbstjustiz. Schau doch einfach mal in die Reziecke, vielleicht findest du da ja schon was.

  • Interessantes Thema - ich gebe als Y-Chromosom-Träger gerne zu, dass mir solche Themen ganz gut gefallen.


    Warum? - Da muss man(n) seine Mitgenossen nur im alltäglichen Leben beonachten und ihre Sprüche und vor allem Taten.
    Außerdem hat es etwas von David gegen Goliath.


    Wenn Du Verblendung aufführst, solltest Du Verdammnis von Larson nicht vergessen.


    Ein weiteres Buch zum Thema ist von


    Fay Weldon: Die Teufelin verfilmt mit Bette Midler


    In Eden Grove leben lauter glückliche Frauen. Sie haben einen erfolgreichen Ehemann, muntere Kinder, ein harmonisches Familienleben und ein hübsches Eigenheim. Eine friedliche kleine Welt. Allerdings nicht für alle. Da ist zum Beispiel die eher unattraktive Ruth, Gattin eines Steuerberaters und Mutter zweier Kinder. Ruths Mann sieht nicht nur gut aus, sondern hat auch ein erfülltes außereheliches Liebesleben.


    Da er »Unehrlichkeit verabscheut«, weiß Ruth darüber genau Bescheid. Die neueste Geliebte ist blond, zierlich und süß und erfolgreiche Verfasserin von Liebesromanen. Es kommt der Punkt, an dem Ruth die Geduld verliert. Sie dreht den Spieß um und plant einen Rachefeldzug. Das erste, was in Rauch aufgeht, ist das gemütliche Heim.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Auch in


    Hakan Nesser: Mensch ohne Hund


    ist die rächende Frau ein Thema, wenn auch nur als nebenfigur. Dafür ist sie ein Beispiel wie lange Frau auf ihre Rache warten können.


    Der erste Fall für Inspektor Gunnar Barbarotti
    Familie Hermansson hat sich versammelt, um zwei Geburtstage zu feiern: den 65. des gerade pensionierten Vaters Karl-Erik und den 40. der ältesten Tochter Ebba. Doch plötzlich verschwinden zwei Familienmitglieder spurlos, Sohn Walter und Enkel Henrik. Wurden Sie Opfer eines Verbrechens? Die scheinbar heile Familienwelt beginnt zu bröckeln – Inspektor Barbarotti ermittelt und stößt auf ziemlich unschöne Familiengeheimnisse und einen ungewöhnlichen Mörder ...


    Mal sehen was mir aus dem Unterhaltungsbereich noch einfällt.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Mir ist das spontan das unten gezeigte Buch eingefallen, allerdings weiß ich nicht, ob das wirklich 100% zum Thema passt:


    Von amazon:


    Die hübsche Karen Kern blickt voller Zuversicht in die Zukunft. Sie wird ihren Collegefreund heiraten, Kinder haben und glücklich werden. doch dann läßt sie sich nach einer Party von dem charmanten Jurastudenten Bob nach Hause begleiten. Alle sehen, wie sie das Fest gemeinsam verlassen. Keiner sieht, wie er sie vergewaltigt. Bob stammt aus einer wohlhabenden und einflußreichen Familie und behauptete, Karen habe den Sex gewollt. Er kommt ungestraft davon, und Karen muß mit Wut, Angst und Schamgefühl fertig werden. Dreißig Jahre lang bleiben ihre Beziehungen zu Männern gestört. Bis Karen Kern das tut, wozu die meisten Opfer nie in der Lage sind: Sie rechnet mit dem Mann ab, der ihr Leben zerstört hat.


    Ihre Abrechnung sieht so aus:



    Zählt das auch zu Selbstjustiz im weiteren Sinne?


    Lieben Gruß
    Larna


    Edit hat die ISBN-Nummer eingefügt.

    :lesend "Als wir unsterblich waren" von Charlotte Roth

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  • Eines der köstlichsten Beispiele.


    Arto Paasilinna schildert in seinem neuen Roman den furiosen Kampf, den die Offizierswitwe Linnea gegen ihren Neffen Kauko und dessen beide Kumpane zu führen gezwungen ist. Die drei jungen Männer, Kriminelle der übelsten Sorte, haben Linnea ein Testament diktiert und verwenden alle ihre Energie und Phantasie darauf, die alte Dame «abzumurksen». Abenteuer folgt auf Abenteuer, und Paasilinna erzählt pointiert und in flottem Tempo. Wie in seinem ebenfalls ins Deutsche übersetzten Roman «Der heulende Müller» (1996) verarbeitet Paasilinna auch in der «Giftköchin» ernste Themen auf burleske Art. Immer wieder räsoniert der Ganove Kauko über die «grossen Fragen» des Lebens, und er kann es nicht fassen, dass Gerichtsurteile gleich hoch ausfallen, «ungeachtet, ob man einen jungen oder einen uralten Menschen getötet hat . . .». Fürwahr ein echter Paasilinna!
    amazon-Text

  • Yayoi Yamamoto arbeitet Nacht für Nacht in einer Lunchpaket-Fabrik am Rande Tokios, um endlich das Geld für eine eigene kleine Wohnung aufbringen zu können. Doch als sie herausfindet, dass ihr Mann Kenji ihre gesamten Ersparnisse verspielt hat, verliert sie die Nerven und bringt ihn im Affekt um. Verzweifelt versucht Yayoi zusammen mit drei Kolleginnen die Tat zu vertuschen, doch mit jedem Schritt geraten die Frauen tiefer in einen unentrinnbaren Sog des Verderbens...


    Ich hab's aber noch nicht gelesen.
    .

  • Lieber dyke,


    es geht mir um die Frau, der Gewalt angetan wurde!
    Leider Thema verfehlt! :-)


    Aber trotzdem DANKE!


    Und wie findest Du denn das als Mann, wenn die Frau zurückschlägt?
    Denkst Du auch "Gut gemacht, Mädchen!"?


    Julia

  • Zitat

    Original von Kriemhild
    Frauen, die sich für körperliche Gewalt (Misshandlung, Vergewaltigung, Mord eines geliebten Menschen) durch Selbstjustiz in Form von Gewalt rächt.


    Hallo Julia,
    mein Roman "Superior" könnte auch in diese Kategorie fallen. Eine Frau erlebt einige schlimme Sachen (Betrogen, Tod einer Freundin,...) und verliert dadurch immer mehr den Bezug zur Realität. Das artet dann immer mehr in Gewalt aus...

  • Zitat

    Original von Kriemhild
    Und wie findest Du denn das als Mann, wenn die Frau zurückschlägt?
    Denkst Du auch "Gut gemacht, Mädchen!"?


    Julia



    Das Strafmonopol liegt ausschließlich in staatlicher Hand und - glücklicherweise - nicht bei irgendwelchen Selbstjustiz übenden RächerInnen.


    Frau kann genaugenommen nur dann "zuschlagen" wenn sie sich in einer konkreten Notwehrsituation befindet.


    Und nur weil uns das eine oder andere Handeln vielleicht sympathisch ist, muss es damit noch lange mit geltendem Recht zu vereinbaren sein. Gerade bei Handlungen im Bereich der Selbstjustiz findet eine rechtliche Güterabwägung nicht statt - aber gerade durch diese Güterabwägung sind Urteile im Rechtsstaatssinne erst möglich.


    Natürlich kann die Frau zurückschlagen - muss dann aber bitteschön auch die Folgen für ihr rechtswidriges und strafbares Handeln tragen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Das Strafmonopol liegt ausschließlich in staatlicher Hand und - glücklicherweise - nicht bei irgendwelchen Selbstjustiz übenden RächerInnen.


    Frau kann genaugenommen nur dann "zuschlagen" wenn sie sich in einer konkreten Notwehrsituation befindet. ...


    Die bisher genannten Bücher weisen möglicherweise auf Schwächen des Rechtstaates oder auf ein Schielen von Justitia hin. Bei Natsuo Kirino hat der Mann vielleicht sogar den Beifall der Öffentlichkeit dafür, dass er allein das für das gemeinsame Alter Angesparte Vermögen verprasst. Welche legale Möglichkeit hätte seine Frau gehabt, das zu verhindern?


    Bei Tuckermann kann der Täter sich darauf verlassen, dass seinem Opfer eine Mitschuld vorgeworfen und er vermutlich frei gesprochen wird.


    Bei Paasilinna nutzen drei kräftige, arbeitsscheue Kerle eine alte Frau aus. Dass sie überraschend noch einen Trumpf im Ärmel hat, verursacht Schadenfreude beim Lesen. Diese Schadenfreude kann ich mir nur so erklären, dass die Leser sich auf die Seite des Opfers stellen, das ohne Selbstjustiz keine Handhabe gegen die Typen gehabt hätte.


    In allen drei Fällen waren die Frauen körperlich unterlegen. Was bei Kirino zur grotesken Schilderung führt, wie drei Frauen sich mit der Beseitigung einer Leiche abplagen.

  • Vielleicht etwas seichter als die oben genannten Bücher, aber die Rache der Protagonistin ist nicht ohne...
    Die meisten Bücher, die sich mit dem Thema beschäftigen, gehen eher auf die Opfer ein und schildern die Täter hauptsächlich negativ. Da ist es kein Wunder, dass man mit dem Opfer fühlt und wenn es dann tatsächlich Rache übt, erfreut es den Leser, da er sich bewusst ist, dass das Ganze nur fiktiv ist und er zudem nur eine Zuschauerrolle einnimmt und somit keinerlei Konsequenzen zu tragen hat.

  • Apropos Kathy Bates, da ist mir das hier eben eingefallen.


    Bin mir nicht sicher, ob man mit Stephen King bei einer Magisterarbeit einen Blumentopf gewinnen kann :grin, aber das Thema scheint mir bei ihm öfter vorzukommen.
    "Dolores" ist einer von den rein "realistischen" Kings.


    Etwas fantastischer noch bei "Das Bild" oder zuletzt in "Love".

  • Kurzbeschreibung
    Maria Kallio, von ihrem Publikum zu Hause geliebt und mit jedem Buch sehnsüchtig aufs Neue erwartet, wird in einen Fall verwickelt, der mysteriöser nicht sein könnte. Säde, eine junge Therapeutin, beschließt, zukünftig nicht mehr nett zu sein und den misshandelten Frauen, die sie betreut, auf eine ungewöhnliche Art zu helfen. Eine mörderische Therapie nimmt ihren Lauf.


    Auch hier eine rächende Frau und Sympathieträgerin.

  • An Voltaire -


    das ist ein ganz wichtiger Aspekt!
    Frau darf nicht rächen! Es ist ein Verbrechen...


    In einigen Büchern denkt die Frau erst über die Möglichkeit einer Anzeige nach, kommt zu dem Schluss, dass einige Jahre auf Bewährung der Tat nicht genüge tun und schreitet dann zur Tat.


    In "Wie vergewaltige ich einen Mann?" vergewaltigt sie ihn wirklich und ruft dann die Polizei an. Als die Polizisten am Tatort erscheinen (verheulter, gefesselter Mann auf dem Bett), bekommt sie zu hören, dass sie als Paar machen dürften was sie wollen und ziehen unverrichteter Dinge wieder ab.
    Sehr frustrierend für sie...


    In Catgut wird eine Tierärztin nachts auf einen Hof gerufen und von drei Kerlen vergewaltigt. Danach betäubt sie die Herren und macht sie erektionsunfähig (durch abbinden der Blutzufuhr), näht einem seine Hoden an den Adamsapfel und fährt nach Hause. Dort bringt sie ihrer Nachbarin ihren Hund, sagt ihr, sie müsse für einige Zeit fort, die Nachbarin möge doch bitte das Tier versorgen. Dann geht sie heim und wartet auf die Polizei.
    Diese ist also durchaus bereit, die Konsequenzen zu tragen.


    Tatsache ist aber, dass es eine gewisse Akzeptanz für Selbstjustiz gibt.
    Im realen Fall Bachmeier, die im Gerichtssaal den Mörder ihrer 7-jährigen Tochter erschoss, haben danach viele Deutsche 100.000 € auf das Konto einer für sie eingerichteten Stiftung gespendet!