Gwenni hat eine Gabe – sie kann fliegen. Allerdings nur, wenn sie schläft. Ihre liebsten Dinge auf der Welt sind Erdbeerpudding, Krimis und schwierige Fragen stellen. Das Problem dabei ist: Nicht nur ihrer Mutter geht das ungewöhnliche, ein wenig altkluge Mädchen auf die Nerven. Auch unter den Kindern der kleinen walisischen Bergarbeiterstadt bleibt Gwenni eine Außenseiterin. Ihre einzige Verbündete ist die Nachbarin, auf deren kleine Töchter sie manchmal aufpasst. Als deren Mann eines Tages spurlos verschwindet, beschließt Gwenni, herauszufinden, wo er eigentlich abgeblieben ist. Sie will ihrer Freundin helfen und löst damit versehentlich eine Katastrophe aus.
Gwenni Morgan ist eine unvergessliche Heldin. Sie könnte Tom Sawyers kleine walisische Schwester sein, denn sie steckt voller Streiche und bezaubernder Einfälle. Aber in ihrer hinreißenden Originalität erinnert sie auch an den wunderbaren Christopher Boone aus ›Supergute Tage‹. Das detailgetreue, liebevolle Porträt einer walisischen Kleinstadt in den 50er Jahren wird durch Gwennis Präsenz zu einem magischen Roman, der uns in eine ganz andere Welt versetzt.
Mari Strachan lebt mit ihrem Mann in Wales. ›Die Welt summt in b-Moll‹ ist ihr erster Roman.
Ich hoffe, die Kategorie stimmt. Hatte beim Einsortieren ein echtes Problem.
Die kleine Gwenni ist ein echt hinreißendes Mädchen und man schließt sie sofort ins Herz - obgleich man am Anfang nicht unbedingt mit ihrer Naivität, ihren kindlichen (manchmal kindischen) Einfällen umzugehen weiß. Jedenfalls verstehe ich jetzt Mortimer Wittgenstein um einiges besser (für die Lycidas-Leser)... Gwenni tut einem oft leid: ihre Mutter, ihre Schwester, fast alle Schulkameraden, überhaupt so ziemlich alle finden sie nervig - dabei ist sie bloß etwas (schon gut: seeeehr) neugierig! Und dabei ist sie ein herzensguter Mensch, der immer helfen will. -Nur geht das leider manchmal in die Hose.
Die kleine Kriminalgeschichte um Ifan Evans nimmt dabei einen wesentlich kleineren Teil ein als man im Voraus denkt und ist auch eher sekundär. Überhaupt gibt es kein 'großes Ganzes', sondern viele kleine Gechichten und Anekdoten, die sich dann irgendwie zuammenschieben. Höchst detailgetreu wird jedoch die walisiche Kleinstadt der 50er-Jahre beschrieben: das Land stelle ich mir sehr idyllisch vor (ein Blick in meinen Atlas sagt mir, daß das ganze irgendwo bei Llanbedrog [wie auch immer man das jetzt ausspricht] spielen muß). Ach ja: erst fand ich die walisichen Bezeichnungen für Familienangehörige etwa schwierig; im Nachhinein erschließen sie sich dann (kleine Hilfe für Neuleser):
Mam - Mutter
Tada - Vater
Nain - Oma
Taid - Opa
Eigentlich handelt das Buch von familiären Beziehungen/Schwierigkeiten, es geht ums Erwachsenwerden (oder eben nicht) eines verträumten kleinen merkwürdigen Mädchens, das nicht so recht in seine Welt paßt. Diese 'Welt' ist das andere Hauptthema: wie es in den 50er-Jahren in Wales zugeht, wie Wales aussieht, seine Bewohner, alles noch im Hintergrunde des vergangenen Weltkrieges, der nach wie vor Schatten wirft. (Hoffentlich habe ich jetzt niemanden abgechreckt - es lohnt sich echt zu lesen!!). Ich vermute, Mari Strachans eigenes Leben (oder ihre Familiengeschichte) spielen auch eine Rolle - aber das weiß ich nicht.
Das Ganze ist in einer schönen Sprache erzählt, mit einem Hang zu Vergleichen, auf die man nicht unbedingt von selbst gekommen wäre (so der mit den Schafen ziemlich am Schluß). Dabei verzichtet die Autorin auf jeglichen Kitsch. Die Figuren sind liebevoll und detailreich-lebendig gezeichnet und viele schließt man schnell ins Herz. Gut fand ich die vielen kleinen Kapitel, sodaß man auch gut mal andere Dinge tun kann, wenn das Buch sich zieht.
Trotz einiger Längen bis ca. Seite 200 (habs ewig vor mir hergeschoben - bis die Alternative Don Quijote war...) und einem....abrupten Ende eine schöne, durchaus lesenswerte Hommage an die Heimat der Autorin, ein Roman über Familie, das Leben/den Tod, 'verdrehte' Leute, die 50erjahre/Nachkriegszeit, Kindheit und Erwachsenwerden, Fliegen, Detektivgeschichten und Gegen den Krieg, der Wales als nächstes Reiseziel ganz weit nach oben katapultiert!
Für mich
8/10 Punkten