Das Kind auf der Treppe - Karla Schmidt

  • Kurzbeschreibung:
    Ein Mann liegt gefesselt auf einem Feldbett. Man hat ihm erst die Zunge, dann Scheibe für Scheibe das linke Bein abgeschnitten. Langsam und qualvoll wird der Mann zerstückelt. Er wartet auf den Tod - oder auf Rettung. Als sich jemand an der Wohnungstür zu schaffen macht, aktiviert der Mann seine letzten Kraftreserven und kann sich bemerkbar machen. Doch bevor die Hilfe naht, kommt seine Peinigerin, um sich das nächste Stück Fleisch zu holen ...


    Über die Autorin:
    Karla Schmidt, geboren 1974 in Göttingen, lebt mit Mann und zwei Kindern in Berlin, wo sie ihr Kultur-, Theater- und Filmwissenschaftsstudium abschloss. Seit 2007 arbeitet Karla Schmidt als Studienleiterin für die Hamburger Akademie für Fernstudien (Studiengang Belletristik). Als freie Autorin schreibt sie Prosa und Zeitschriftenartikel. Karla Schmidt erhielt 2009 den »Deutschen Science Fiction Preis« für die beste deutsche Kurzgeschichte.


    Rezension:


    Leni Draugur ist auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann, vor ihrer Vergangenheit und wohl auch vor sich selbst.
    Ihr Ziel ist ihre Halbschwester, zu der sie 21 Jahre lang keinen Kontakt gehabt hat. Doch als sie ankommt, ist Zicky nicht da - und Leni richtet sich auf eine Wartezeit im Treppenhaus ein. Dort trifft sie einen merkwürdigen kleinen Jungen. Leni beschließt, sich um den Kleinen zu kümmern, bis seine Mutter wieder kommt.
    Schon ist Leni in das Leben gleich mehrerer Personen verstrickt obwohl sie ihr eigenes nicht im Griff hat.


    Über die Handlung kann ich nicht mehr sagen, ohne zu viel zu verraten, doch gleich vorweg: Dieser Thriller ist nichts für Zartbesaitete oder für Leute mit einem schwachen Magen.
    Ich bin ja einiges gewohnt, doch dieser Roman hat selbst mich schockiert. Manche Stellen sind eklig, manche blutig, viele sind deprimierend - doch nie ist er flach oder blutrünstig bloß des Blutes Willen.
    Karla Schmidt hat es ihren Figuren nicht leicht gemacht. Sie leiden, trauern, haben Albträume und leben in Angst. Leni, die Hauptfigur, ist trotz ihrer Fehler sympathisch und sie verdient das hoffnungsvolle Ende, das die Autorin für sie ausgedacht hat, ohne ins Happy End Klischee abzugleiten.


    Ich hatte den Roman in einem Rutsch durchgelesen, nur mit ein paar kurzen Zwangspausen dazwischen. Wenn man mal anfängt, muss man sich wohl mit Gewalt losreißen, zumindest ging es mir so.
    Besonders liebenswert fand ich die Hommage an David Bowie, dessen Musik und sein Leben geschickt in die Handlung eingeflochten wurde, auch wenn ich persönlich kein großer Fan des Musikers bin.
    Von mir gibt es 10 Punkte für "Das Kind auf der Treppe".

    Berta Berger - "Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen wollte" 2008 Autumnus Verlag
    "Kunigund kugelrund" Autumnus Verlag 2009


    Valentina Berger - "Der Augenschneider" Psychothriller, Piper Verlag August 2010

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  • Kurzbeschreibung:
    Die junge Musikerin Leni Draugur flieht aus Reykjavik vor ihrem gewalttätigen Mann. Sie weiß nicht, ob sie ihn in Notwehr getötet hat oder ob er ihr auf den Fersen ist - und welcher Gedanke der schlimmere ist...Als sie endlich spät nachts bei ihrer Halbschwester Zicky in Berlin ankommt, sitzt dort im Treppenhaus ein merkwürdig blasser, kleiner Junge allein auf den Stufen. Leni nimmt sich des geheimnisvollen Kindes an und versucht es zu beschützen, denn in Berlin hat das "Schulwegmonster" bereits mehrere Kinder auf bestialische Art getötet. Gleichzeitig weiß sie, dass sie vor ihrem Mann erst dann sicher sein kann, wenn er tot ist.


    Zur Autorin:
    Karla Schmidt, geboren 1974 in Göttingen, lebt mit Mann und zwei Töchtern in Berlin, wo sie ihr Kultur-, Theater- und Filmwissenschaftsstudium abschloss. Als freie Autorin schreibt sie Prosa und Zeitschriftenartikel, 2009 erhielt sie den "Deutschen Science Fiction Preis" für die beste deutsche Kurzgeschichte.


    "Und nun durchstach sie damit Magnus' Reifen und zerschnitt seinen Bremsschlauch. Sie würde dafür sterben, wenn er es herausfand. Leni fror so sehr, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. (Seite 108)


    Rezension:
    Wow, was für ein Buch!! Ich lese sehr gerne Thriller, in denen es richtig "zur Sache" geht und bin dahingehend einiges gewohnt. Aber selbst mich haben hier einige Szenen zum Schlucken gebracht, daher kann ich "Das Kind auf der Treppe" nur Lesern empfehlen, die einen gesunden Magen haben.


    Der Roman selbst ist eine gekonnte Mischung aus Psychothriller und Familiendrama, das stückchenweise aufgeklärt wird. Und genau diese Mischung zieht den Leser in einen Sog hinein, dem man nicht widerstehen kann, man möchte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen.


    Karla Schmidt ist ein wirklich rasanter Roman gelungen. Einige Begebenheiten ließen mich ungläubig staunen, gerade weil sie sich im Nachhinein wirklich perfekt zu einer tragischen Gesamtgeschichte zusammenfügen. Ein Kompliment an die Autorin!


    Zur Gestaltung des Buchs: Das Cover gefällt mir sehr gut. Eine angedeutete Treppe im Hintergrund (passend zum Buchtitel), die im Licht silbern scheint. Perfekt! Von der Seitenzahl her kommt das Buch etwas "dünn" daher, aber dafür hat es der Inhalt doppelt in sich.


    Fazit: Ein wahrhaft spannender Psychothriller, den man bis zur Lösung hin nicht aus der Hand legen mag. Ich bin sehr auf weitere Romane von Karla Schmidt gespannt!


    Wertung: 5 von 5 Punkten

  • Meine Meinung:
    Real – irreal – surreal?


    Beim Lesen hoffte ich die ganze Zeit, dass es am Ende nicht auf eine so ärgerliche Auflösung hinausläuft wie in „Tod im Schnee“ von Brigitte Aubert, einem der grässlichsten Bücher, das ich je gelesen habe. In dieser Hinsicht wurde ich nicht enttäuscht.


    Leni ist auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann und kriecht bei ihrer Schwester Zicky in Berlin unter. Die ist glühender Bowie-Fan und wohnt gemeinsam mit ihrer blinden Lebensgefährtin Olga in dem Haus, in dem David Bowie in den 1970er Jahren in einer Zweizimmerwohnung lebte. Dort wohnt auch noch die allein erziehende Krankenschwester Ines, Mutter von zwei Kindern. Soweit klingt das ja alles recht normal. Ist es aber nicht. Nichts in diesem Roman ist normal; na ja, fast nichts.


    Ich fragte mich die ganze Zeit beim Lesen: Warum? Warum muss es auf jeder Seite vor Brutalität, Widerwärtigkeiten und Perversionen wimmeln? Warum kann man die Geschichte nicht erzählen, in dem man es bei Andeutungen belässt? Weil sich dann niemand dafür interessieren würde? Weil diese Geschichte so oder ähnlich schon unzählige Male erzählt wurde? Was bleibt übrig, wenn man die Brutalität, die Gewalt und den Ekel beiseite lässt? Dann bleiben eine Handvoll Akteure, die mehr oder weniger erfolgreich versuchen, ihr Leben zu leben. Das ganze sehr anschaulich und lebendig erzählt, wobei mir recht schnell klar war, worauf die Geschichte letztendlich hinauslaufen würde.


    Ich fand die Geschichte so makaber und absurd, dass ich sie nur kopfschüttelnd und widerwillig zu Ende gelesen habe. Hinter solchen Absurditäten und dieser Ansammlung von Psychopathen vermag ich die Ernsthaftigkeit eines echten Psychothrillers nicht zu erkennen, wobei ich der Autorin den Vorwurf der Effekthascherei nicht einmal machen möchte.


    Was mich sehr irritiert hat:
    Warum stört sich in all den vielen positiven Rezensionen, die ich zu diesem Buch im Netz gefunden habe, niemand ernsthaft an dieser unglaublichen Anhäufung von schockierenden Widerwärtigkeiten und Gewalt?


    Gefallen haben mir Titel und Cover, auch der Schreibstil der Autorin spricht mich an. Ich weiß allerdings beim besten Willen nicht, ob ich ein weiteres Werk von ihr in die Hand nehmen würde.


    Ach ja: Wem dieses Buch gefallen hat, dem sei auch „Furchtbar lieb“ von Helen FitzGerald empfohlen.

  • Na, das klingt doch nach einer neuen, vielversprechenden Autorin :-)
    Was mir in letzter Zeit auffällt: Psychothriller aus Germany scheinen in Mode zu kommen. Hat Fitzek das vieleicht eine Welle losgetreten?

  • Ich habe mir das Buch auch gekauft, fange heute Abend an zu lesen, bin so gespannt drauf. Danke noch mal für den Tipp. :anbet

    Zitat

    Bücher haben Ehrgefühl, wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück. T.Fontane


    :lesend :fruehstueck
    Ich lese Thomas Mann; Der Zauberberg;

  • Ich habs heute von Tauschticket bekommen, aber wenn ich die Rezies so sehe bei euch, stelle ich das Buch wohl doch lieber wieder ein. Ich glaube das ich mir doch zu blutig. oder was meint ihr. :gruebel

  • Zitat

    Original von Dagmara06
    Ich habs heute von Tauschticket bekommen, aber wenn ich die Rezies so sehe bei euch, stelle ich das Buch wohl doch lieber wieder ein. Ich glaube das ich mir doch zu blutig. oder was meint ihr. :gruebel


    Antesten würd ich sagen.Vielleicht nicht lesen wenns dunkel ist :chen

  • Durch die vielen positiven Rezensionen und das Prädikat "Psychothriller" beeinflusst, ging ich mit hohen Erwartungen an dieses Buch heran - und wurde bitterlich enttäuscht. Auf mich wirkte "Das Kind auf der Treppe" wie ein plumper Versuch, so viele Grausamkeiten wie möglich zu schildern. Eigentlich recht clever, schließlich lässt sich unfassbar grausam geschilderte Brutalität aktuell sehr gut verkaufen.


    Grundsätzlich habe ich auch kein Problem damit, wenn mir ein Thrillerautor (oder eine Thrillerautorin) derbe Kost anbietet; aber vorrangig erwarte ich einen gut durchdachten und spannend aufgebauten Plot. Ich mag es, wenn mir als Leser häppchenweise Informationen preisgegeben werden, anhand derer ich versuche, ein Gesamtbild zu konstruieren, um dann irgendwann feststellen zu müssen, dass ich auf die falsche Fährte geleitet wurde. Werden diese Irrungen und Wendungen noch plausibel aufgeklärt - umso besser.


    Nebenbei bemerkt: Bei einem Psychothriller darf die Handlung gerne mal fernab des logisch Nachvollziehbaren verlaufen und die Auflösung etwas verworrener ausfallen, denn das macht den Reiz der Bücher, die sich diesem Genre zuordnen lassen, für mich aus.


    Karla Schmidt gelang es - aus meiner Sicht - jedoch leider nicht, einen Psychothriller zu verfassen, der diese Qualitätsmerkmale vorweisen kann. Denn: Letztendlich ist der Verlauf der Handlung sehr vorhersehbar und hat - neben den geschilderten Absurditäten und Grausamkeiten - nicht viel mehr zu bieten als die Geschichte einer junge Frau, die sich auf der Flucht vor ihrem Ehemann befindet und im Rahmen dieser Flucht einer kleinen Anzahl von Menschen begegnet, denen das Leben bislang übel mitgespielt hat und die versuchen, mit ihrem vorgegebenen Leidensweg einigermaßen klarzukommen. Und auch der Nebenhandlung "Hauptprotagonistin produziert experimentelle Musik mit einer blinden Frau ..." konnte ich nichts abgewinnen, da sie den Gesamtkontext nicht bereichert hat.


    Wer sich auf der Suche nach einem raffinierten Psychothriller befindet, sollte also lieber einen großen Bogen um dieses Buch machen. All jenen, die über einen schwachen Handlungsstrang hinwegsehen können, solange ihnen ein möglichst tiefer Einblick die Abgründe des menschlichen Daseins gewährt wird, sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

  • Wunderbar! Nicht nur das Cover glänzt wohltuend aus den Stapelbergen heraus, auch inhaltlich ist dieses Buch wie ein Silberstreif am Horizont der Einheitsthrillerliteratur. Lange habe ich keine so ungewöhnlichen, starken und in Details leuchtenden Protagonisten mehr gelesen wie Leni, Zicky, Olga, Jason, Ines und Nicky. Diese Gruppe Einsamer, die sich in einem Berliner Wohnhaus zusammen findet, ihre Schicksale, ihre Erlebnisse und die schockierende Wahrheit ihrer kleinen Notgemeinschaft fesselt einen von Anfang an.
    Leni ist auf der Flucht vor Magnus, ihrem Mann, den sie möglicherweise getötet hat. Wenn er lebt, wird er sie nie gehen lassen. Unterschlupf findet sie bei ihrer Schwester Zicky in Berlin und gerät damit mitten in ein Beziehungsdreieck sowie in die entsetzliche Geschichte des Schulwegmonsters sowie in die sich enger ziehende Schlinge ihrer eigenen Vergangenheit.
    Was dabei nach und nach, von der Autorin sorgfältig in Schichten frei gelegt, ans Tageslicht kommt, sprengt jede Vorstellungskraft. Immer stärker wird man vom Sog mitgerissen, verfolgt die verschiedenen Handlungsstränge atemlos und muss am Ende erst einmal das eine oder andere Glas Wein zur Verdauung trinken. Ja, in Karla Schmidts Roman geht es um Gewalt in ihren übelsten Formen. Es geht um Grausamkeiten und darum, was sie mit Menschen machen. Dennoch habe ich diese Grausamkeiten nie als plakativ oder zentral empfunden. Sie sind sehr detailreich geschildert, wie die ganze Geschichte auch, die Sprache ist klar, fließend und voller Farben, sie lässt einen nie stolpern. Allein dafür gebührt der Autorin ein großes Lob. Keinesfalls ist der Roman voller Brutalität und keinesfalls kann man ihn nur mit größter Nervenkraft lesen. Für Liebhaber des Genres ist er ein bereichernder weil keineswegs konventioneller Thriller und auch für nicht so klassische Thrillerleser ist es eine hochdramatische Geschichte von Gewalt, Flucht und Neubeginn. Ein Neubeginn auch für den Thriller? Man kann es nur hoffen und wartet gespannt auf weitere Romane dieser großartigen Neuentdeckung!


    lg :wave Claudia