Allerliebste Schwester - Wiebke Lorenz

  • Ich hab das Buch schon vor einigen Tagen beendet und mußte erstmal wieder Luft holen.
    Gerade wenn man Wiebke kennt und mag, weiß man wie viel Herzblut in diesem Buch stecken muß. Gerade deshalb hatte ich schreckliche Angst, daß es kitschig oder pathetisch werden wird und mir somit gar nicht gefällt.
    Meine Angst war komplett grundlos. Zart und doch unheimlich bedrückend schildert Wiebke das Drama der Zwillingsschwestern Eva und Marlene. Sie erzählt eine Geschichte von falschen Entscheidungen, von Vertrauen und mangelndem eben solchem, von Hass, Tod, Trauer und Familienbanden. Eine bewegende Geschichte, die einen stellenweise auch wegen der unheimlich guten Szenen und gewählten Sprache zu Tränen rührt. (Und das obwohl ich mich sonst als total harte Sau bezeichnen würde.)
    Wie auch schon bei Was Wäre Wenn, bei dem es ja eine Songlist gab, spielt auch hier die Musik eine sehr große Rolle und hilft sich in die Situationen genau einzufühlen.
    Auf Seite 101 singt Eva, das Beerdigungslied für ihre Schwester am Flügel im Wohnzimmer und mit mir war es vorbei. Hemmungslos flennend saß ich in der S-Bahn und erntete irritierte Blicke, während ich nur schniefen konnte: "Buch is soooo traurig!" Die Leute haben bestimmt gedacht, ich ticke nicht sauber.
    Trotz der Kürze des Buches habe ich immer wieder Pausen einlegen müssen, eben weil es so tiefgehend war, daß man das nicht einfach so runterlesen konnte, ohne darüber nachzudenken, sich einzufühlen und mit zu leiden.
    Einziges Minus, das Ende war für mich ein wenig vorhersehbar, tat aber dem Lesegenuß an sich keinen Abbruch, da es hier weniger auf die Auflösung, als mehr auf die Begleitung der Protagonisten und dem nachfühlen ihrer Emotionen und Gedanken ankam.
    Wiebke hat, indem sie geschrieben hat "was raus muß", einen ganz neuen Weg, weg von Anne Hertz und Was Wäre Wenn, eingeschlagen und hat mich voll und ganz überzeugt, daß dies der richtige Weg ist.


    Die Aufmachung des Buches hat mir außerdem ebenfalls mehr als gut gefallen für wenig Geld hat man hier tatsächlich noch mal ein richtiges echtes Hardcover in den Fingern, mit einem Umschlag der sich in den Händen ausgesprochen gut anfühlt.

  • Logisch, bei jedem anderen hätte Ich geschrieben:
    - vorhersehbar
    - deprimierend
    - zu kurz


    ;-)
    erwarte baldigst die Zahlung der versprochenen 10.000 € auf mein Konto in der Schweiz!

  • Zitat

    Original von Insomnia
    Dachte ich auch gerade, was für ein Schnäppchen. BJ-Rezis gibts also schon für schlappe €28,74 pro Wort :grin


    Und die Rechtschreibfehler zur Authentizität gabs sogar umsonst... special price und so.
    Schluß jetzt hier ernsthaft, das ist ein ernsthaftes Buch, das verdient einen ernsthaften Fred....!


    (ach ja und ich verdiene Lob und Anerkennung, weil ich die Beiträge der letzten 2 Stunden sämtlich auf dem Iphone getippt habe...)

  • So Wiebke, ich hab heut mal dafür gesorgt, daß die Bücherhalle auch das Buch bestellt.
    Habe ihnen davon vorgeschwärmt und sie überzeugt, daß es ein wunderbares Buch ist.


    So wird halb Hamburg dann bald das uch kennen und die Leute wissen dann schon jetzt, was sie Weihnachten verschenken werden. :zwinker

  • ich habe die beiden schwestern kürzlich irgendwo in einem morgen- oder mittagsmagazin gesehen und werde mir das buch jetzt wohl ebenfalls bald einmal beschaffen :-)

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Zart und doch unheimlich bedrückend


    Genau das war auch mein Eindruck! Obwohl die ganze Grundstimmung so bedrückend ist (oder gersde deshalb?), hat es mir so gut gefallen!
    Nach dem Lesen sitze ich jetzt hier und kann Eva nur alle Daumen drücken, dass sie es schafft und wieder ein glücklicher und vor allem eigenständiger Mensch wird. Ich wünsche ihr und Ihrem Kind nur das Beste!

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • Zitat


    Zitat: Original von Babyjane
    Zart und doch unheimlich bedrückend


    Original von kissy
    Genau das war auch mein Eindruck! Obwohl die ganze Grundstimmung so bedrückend ist (oder gersde deshalb?), hat es mir so gut gefallen! Nach dem Lesen sitze ich jetzt hier und kann Eva nur alle Daumen drücken, dass sie es schafft und wieder ein glücklicher und vor allem eigenständiger Mensch wird. Ich wünsche ihr und Ihrem Kind nur das Beste!


    So empfinde ich auch.
    Ich habe das Buch grad beendet und bin immer noch begeistert.

  • Aufmerksam auf diese Buch bin ich durch amazon geworden. Das dazugehörige Video hat mich dann umso mehr angesprochen. So das dieses Buch gleich auf die Wunschliste gelandet ist. Besonders ansprechend fand ich die Covergestaltung dieses Buches. Ich habe dieses Buch innerhalb kürzester Zeit regelrecht verschlungen. Die letzten Seiten habe ich in der Badewanne genossen und konnte nicht vorher raus bis das Ende erreicht wurde. Nach diesem Ende musste man dieses Buch erstmal Revue passieren lassen.


    Die Geschichte von Eva und Marlene ist sehr ergreifend. Die besonderen unerschiedlichen Zwillingscharakter erfahren wir in diesem Buch sehr gefühlvoll. Des Weiteren erfahren wir, wie unterschiedlicher jeder das aufwachsen im Elternhaus erlebt hat. Am Ende erfahren wir was den Selbstmord von Marlene ausgelöst hat.


    Da ich Allerliebst Schwester von Astrid Lindgren nicht kenne, konnte ich damit nichts vergleichen. Werde es mal im Auge behalten und diese Geschichte von Astrid Lindgren lesen. Vielleicht sehe ich dieses Buch dann noch mit weit anderen Augen..!? Man muss aber dazu sagen, dass man die Geschichte von Astrid Lindgren nicht kennen muss, da alle Handlungsabläufe genau beschrieben werden, warum die Beziehung zu Eva und Marlene so auseinander ging.


    Dies war mein erstes Wiebke Lorenz Buch und auch nicht mein letztes.


    Fazit: Von mir bekommt dieses Buch die volle Punktzahl.

  • Das ist ja lieb, das du nachfragst, Wiebke! :-)
    Beschäftigt hat es mich schon noch die letzten Tage, in Gedanken. Aber das spricht ja nur für dein gutes Buch! Lese ansonsten kaum die Art von Geschichten, aber nachdem ich von deiner Lesung so begeistert war, wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht. (An dieser Stelle danke nochmal an Johanna, die mich "mitgeschleppt" hat ;-) ) Wirklich toll!


    Ps:


    Hoffentlich sehen wir uns bald mal wieder, ansonsten spätestens bei deiner nächsten Lesung dann ;-) :wave

  • Kurzbeschreibung:
    Was ist passiert, in jener Nacht, in der Evas Zwillingsschwester starb? Eva weiß es nicht. Sie weiß nur, dass sie nicht ans Telefon ging, als Marlene versuchte, sie zu erreichen. Als ihre Schwester ihr vielleicht sagen wollte, weshalb das Leben für sie auf einmal sinnlos geworden war. Seitdem wird Eva von Schuldgefühlen geplagt, so sehr, dass sie sogar Tobias heiratet, den Mann der verstorbenen Marlene.


    Sie versucht es aufrecht zu erhalten, dieses fragile, bröckelnde Leben, flüchtet an die Seite von Tobias in scheinbare Normalität. Bis zu dem Tag, an dem Eva ihr gemeinsames Kind verliert - da bricht es zusammen, das mühsam errichtete Kartenhaus einer heilen Welt. So öffnen sich Abgründe zu Evas Vergangenheit, die sie so lange und verzweifelt zu ignorieren versuchte. Und in deren Mittelpunkt ein schreckliches Geheimnis steht.



    Spannend wie ein Thriller und bewegend wie ein Drama - ein ganz großes Leseerlebnis


    Eva hatte eine Zwillingsschwester. Ihre einst so feste Beziehung ist im Laufe der Zeit brüchig geworden, bis sie ganz auseinander riss. Sie haben kaum noch Kontakt zueinander - bis zu dem Tag, an dem Marlene sich vor einen Zug stürzt.
    Schlagartig ist auch Evas Alltag durcheinander. Sie wird von Schuldgefühlen geplagt und nimmt hierauf Marlenes Platz im Leben ein. Sie heiratet sogar den ehemaligen Mann ihrer Schwester.
    Es scheint zu funktionieren, doch wiederum fällt Evas Welt in sich zusammen wie ein Kartenhaus, als der gemeinsame Sohn Lukas tot geboren wird.
    Eva fällt in ein Loch. Sie zieht sich zurück, kann keine Leidenschaft mehr für ihren, Marlenes Mann, empfinden und will wieder sie selbst sein.
    Sie sieht ihre Schwester, ihre tote Schwester und spricht mit ihr. Sie beginnt langsam wieder zu leben, nimmt ihre Hobbys wieder auf.
    Doch dann begegnet sie einer verbotenen Leidenschaft. Sie hat davon gekostet, kommt von der Freiheit nicht mehr los.
    Sie beginnt, Fragen zu stellen, Fragen, die unterdrückt werden müssen.
    Ein Strudel aus Eifersucht, Drama und Tragödie droht sie zu verschlingen.


    Zu Beginn habe ich gedacht: Dieses Buch ist nichts für mich. Da finde ich nicht rein.
    Vielleicht liegt das an dem nüchternen Schreibstil, der Offenheit dieses Buches.
    Doch man gewöhnt sich daran.
    Man merkt, dass die sonstige freche Autorin auf einem hohen Niveau schreibt.
    Sie beweist, dass sie ernst sein kann, dass sie sich mit dem Leben und seinen Prioritäten beschäftigt.


    Sie zeigt eine Geschichte auf, voller Tiefen und Abgründe.
    Man mag zwischendurch verwirrt sein, doch langsam schaut man selbst als Leser hinter die Kulissen.
    Es geht um die enge Bindung zweier Schwestern, um Parallelen zu einem bekannten Kinderbuch und deren Wahrheit.


    Dieses Buch hat mich als Leser zutiefst bewegt und zeitgleich auch verstört.
    Die Charaktere sind mir so nahe gegangen auf den wenigen Seiten, ich war voll und ganz in deren Geschichte gefangen.


    Mit diesem Buch ist Wiebke Lorenz ein beindruckendes Psychodrama auf unglaublich hohem Level gelungen.
    Unvorhergesehene Wendungen, plastische und authentische Charaktere und viele tiefgründige Überlegungen haben überzeugt, sodass man dieses Buch gelesen haben MUSS.

  • Kurzbeschreibung:
    Drei Jahre ist es her, dass Eva ihre Zwillingsschwester verlor, unter Umständen, die nie ganz aufgeklärt worden sind. Danach nahm Evas Leben eine von vielen als ungeheuerlich empfundene Wendung: Sie heiratete den Witwer, den Ehemann der verstorbenen Marlene. Allmählich haben sich die Menschen in ihrer Umgebung an dieses Arrangement gewöhnt. Doch ihr selbst kommt es wie ein Frevel vor, und die Totgeburt, die sie jetzt erleidet, empfindet sie als Strafe dafür. Während ihr Mann diese Tragödie als bloßes Malheur behandelt, wird Eva davon aus der Bahn geworfen. Sie flüchtet sich in Erinnerungen an die vermeintlich glückliche Kindheit mit ihrer Zwillingsschwester.
    Immer öfter erscheint ihr Marlene in verstörend realen Tagträumen. Eva droht allen Halt zu verlieren, bis eines Tages in der Buchhandlung, in der sie als Aushilfe arbeitet, ein Mann auftaucht, der ihre Schwester gekannt hat. Auf sonderbare Weise fühlt sie sich zu diesem Unbekannten hingezogen und glaubt, dass er ihr helfen kann, das Rätsel um Marlenes Tod zu lösen.


    Zur Autorin:
    Wiebke Lorenz, geboren 1972 in Düsseldorf, studierte in Trier Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaft und lebt heute in Hamburg. Sie arbeitet journalistisch u. a. für Cosmopolitan und stern.de und schreibt Drehbücher für TV-Filme. Bereits mit 26 Jahren debütierte sie als Schriftstellerin und veröffentlichte seitdem mehrere Bücher. Ihr Roman Was? Wäre? Wenn? (2003) war bei Kritik und Publikum höchst erfolgreich.


    So viel trinkt Eva normalerweise nicht. Nicht mehr, sie weiß, dass Alkohol die Tür zu ihren Abgründen aufstößt. Die muss verschlossen bleiben, musste immer fest verschlossen bleiben in den vergangenen Jahren, damit Eva nicht hindurchfällt, durch das feine Gitternetz ihres neuen Lebens. (Seiten 49/50)


    Rezension:
    Wiebke Lorenz schafft es, mit "Allerliebste Schwester" auf 240 Seiten ein gut recherchiertes und detailliertes Psychogramm der Protagonistin Eva zu zeichnen. Die düstere Stimmung bleibt über das ganze Buch erhalten und der Leser erlebt Evas langsamen Absturz in die Schizophrenie hautnah mit.


    Spannung ist bei mir beim Lesen nicht aufgekommen, auch das Ende war nicht wirklich verblüffend. Daher lies mich das Buch etwas unbefriedigt mit dem Ausgang der Geschichte zurück, da ich mir hiervon mehr versprochen hatte.


    Trotzdem erzeugt das Buch eine hohe Emotionalität und die Hintergrundgeschichte der beiden Zwillingsschwestern Eva und Marlene ist sehr bildhaft geschildert. "Allerliebste Schwester" ist ein gelungenes Buch, man muss es aber nicht unbedingt gelesen haben.


    Zur Gestaltung des Buchs: Das Cover wird von einer Apfelhälfte dominiert, an der Blut heruntertropft. Ich interpretiere diese Apfelhälfte als die überlebende Zwillingsschwester Eva, was hinsichtlich der Geschichte gut passt.


    Fazit: Gelungenes Psychogramm mit einer glaubhaften Protagonistin, die sich schuldig am Tod ihrer Schwester fühlt. Das Ende ist etwas zu vorhersehbar, was ich schade finde.


    Wertung: 3 von 5 Punkten