Der Kirschgarten von Anton Tschechow
Über den Autor:
Anton Tschechow, geboren 1860 in Tanganrog (Russland) stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen,praktizierte als Arzt und
widmete sich neben seinem Beruf dem Schreiben. Es entstanden über 600 Stücke, die weitestgehend unbekannt blieben.
Bekannt wurde Tschechow vor allem durch seine Theaterstücke "Die drei Schwestern", "Die Möwe" und "Der Kirschgarten".
Tschechow starb 1904 in Badenweiler.
Über den Inhalt:
Die Tragikomödie "Der Kirschgarten" spielt 1901 auf einem russischen Landgut, das einen wunderschönen Kirschgarten
besitzt. Anja, die Tochter des Hauses, holt ihre Mutter Ljubow Andrejewna Rajewskaja aus Paris zurück, weil das überschuldete
Gut zwangsversteigert werden soll. Rajewskaja ging Jahre zuvor mit ihrem Geliebten nach Frankreich, weil ihr kleiner Sohn im Fluss ertrunken war und sie den Schmerz nicht mehr ertragen konnte. Seit ihrer Abreise wurde das Land von ihrem Bruder Leonid Andrejewitsch Gajew verwaltet, der das Gut in
die Schulden trieb. Kurz vor der Zwangsversteigerung unterbreitet der Kaufmann Lopachin, Sohn und Enkel ehemaliger
Gutsarbeiter, inzwischen zu Geld gekommen und Warja, der Pflegetochter Rajewskaja wohlgesonnen, das Angebot, die Kirschbäume
abzuholzen, auf dem Anwesen Datschen zu bauen und sie zu verpachten, um so die Schulden zu begleichen.
Die Gutsbesitzerin lehnt das Angebot ab und es kommt zur Versteigerung.
Meine Meinung:
Schon lange stand dieser russische Autor auf meiner Leseliste und anlässlich eines bevorstehenden Theaterbesuchs
war "Der Kirschgarten" meine erste Lesebegegnung mit diesem großartigen Schriftsteller.
In seiner Tragikomödie greift Tschechow Themen auf, die auch 100 Jahre nach Entstehung des Stückes an Aktualität nichts
eingebüßt haben.So erinnert der geschäftige Selfmademan Lopachin, der nichts anderes im Kopf hat als den Kirschgarten zu besitzen, an die Investmentbanker, die die noch immer währende Bankenkrise verschuldet haben, Rajewskaja und und ihr Bruder Gajew stehen stellvertretend für die heutige konsumorientierte Gesellschaft, die den Umgang mit Geld verlernt hat und die verliebte Warja wagt es nicht, Lopachin einen Heiratsantrag zu machen.
Tschechow geht dieser Gesellschaft auf den Grund, legt den Finger in die Wunde und lässt die Protagonisten sich mit ihren
Schwächen auseinandersetzen. Rajewskaja schiebt immer wieder den Tod ihres Sohnes und die verschmähte Liebe vor,
um sich nicht die Verschuldung des Gutes vergegenwärtigen zu müssen.
Rajewskajas Bruder Gajew ignoriert die Angebote Lopachins, da es unter seiner Würde ist, sich mit dem Sohn eines ehemaligen
Gutsarbeiters abgeben zu müssen. Immer wieder mahnt der Autor über Randfiguren des Stückes nach Auswegen aus den Schulden zu
suchen und die Zwangsversteigerung zu verhindern, zum Beispiel wenn der alte Diener Firs an den Kirschverkauf früherer Jahre erinnert, der längst vergessen ist.
Wie gelähmt scheinen Rajewskaja und Gajew und lassen den Leser, der während des Stückes immer wieder Hoffnung auf eine
Rettung des Kirschgartens hatte, ob der Tatenlosigkeit der Protagonisten verzweifeln.
Erwartungsgemäß und doch offen endet dieses Stück, das mehr Tragik als Komödie bietet, eine Menge russischer Seele
in sich birgt und eine leichte Schwermütigkeit auf die Handlung legt.
Fazit:
Lesen oder ins Theater gehen!