Dornrose: Die Geschichte meiner Großmutter – Jane Yolen

  • Berlin Verlag
    Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
    OT: Briar Rose
    Übersetzt von Ulrike Nolte


    Kurzbeschreibung / Klappentext:
    Wie oft hat Gemma ihren Enkelinnen das Märchen von Dornröschen erzählt? Doch in ihrer Version sind die Dornen so spitz wie Lagerdraht und die böse Fee erscheint als Engel des Todes in schwarzen Stiefeln. Erst spät begreifen die Schwestern, dass etwas nicht stimmt mit dem Märchen. Als sie im Nachlass eine Truhe mit Fotos und Dokumenten finden, beschließt Becca heraus zu finden, was ihrer Großmutter im Krieg widerfahren ist, eine Zeit, über die sie immer geschwiegen hat. Sie reist nach Chelmno in Polen, einem der schlimmsten Ver nichtungslager der Nazis, das die Großmutter bei der Einreise als letzten Aufenthaltsort angegeben hat. Eine aufwühlende Suche nach den Ursprüngen der Familie beginnt.


    Über die Autorin:
    Jane Yolen, geboren 1939 in New York, Studium der Erziehungswissenschaften in Massachusetts. Neben der Veröffentlichung von Kurzgeschichten, Romanen, Gedichten und Songs auch über 200 Bücher für Kinder und Jugendliche mit mehrfachen Auszeichnungen, u. a. mit dem World Fantasy Award und dem Nebula Award. Die Autorin lebt mit ihrem Mann abwechselnd in Massachusetts und Schottland


    Meine Meinung:
    Jane Yolens berühmtes, preisgekröntes Buch Briar Rose von 1992 ist endlich in Deutsch übersetzt worden. Es ist ein Roman, der den Leser schnell fesselt.
    Es handelt sich nicht um ein Märchen oder um einen Fantasyroman, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern um eine geschickt erzählte Geschichte, die Gegenwart und Vergangenheit durch märchenhafte Sequenzen verknüpft. Es ist auch ein düsteres Buch, jedoch empathisch erzählt.


    Das Buch wird durchzogen von einer Großmutter (Gemma) in Massasuchets, die ihren 3 Enkelinnen eine etwas absonderliche Geschichte von Dornröschen erzählt. Für den Leser ist schnell erkennbar, dass in diesem Erzählen ein autobiographisches Element der Herkunft und Leben der Großmutter enthalten ist. Hat auch Gemma in ihrer Jugend in einem Schloß gelebt? War sie eine Prinzessin? Wer ist der Prinz, der sie wach küsste?


    Die Erzählerin ist die sympathische jüngste Enkelin Becca, die ihrer Großmutter sehr Nahe steht. Wie Jane Yolen diese Figur entworfen hat und einsetzt, erzeugt einen warmherzigen Ton im Roman, der den Leser intensiv an der Geschichte teilnehmen lässt.


    Nach dem Tod Gemmas beginnt Becca aufgrund weniger hinterlassener Dokumente eine Recherche über die Vergangenheit der gerade verstorbenen Großmutter, da diese offenbar zu den Flüchtlingen im zweiten Weltkrieg gehörte. Die Spur führt sogar nach Polen zum Vernichtungslager Kulmhof.
    Das Rätsel der Herkunft und des Schicksals Gemmas zu lösen treibt Becca an und der Leser folgt ihr dicht. So bleibt Gemma auch nach ihrem Tode die eigentliche Hauptfigur des Buches.


    Das Märchenerzählen wird in dem Buch immer wieder in kursiven Abschnitten dazwischengeschoben. Dieses verschachtelte Erzählen erzeugt eine erhöhte Wirkung, um den Leser an das eigentliche Thema heranzuführen. Den Opfern des Holocaust.


    Ein überzeugender Roman, dem ich die Höchstnote von 10 Punkten erteile.

  • Danke für deine Rezi :wave ... Eigentlich fällt sowas eher nicht in meinen Beutebereich, aber wenn du so begeistert davon bist, kann man ja mal eine Ausnahme machen :grin


    Edit: Wie machst du das eigentlich immer? Das Buch ist doch (offiziell) erst heute erschienen :wow

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

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  • Auch ich habe das Buch jetzt zuende gelesen und muss genauso wie saz sagen: Normaler Weise entspricht so ein Buch nicht meinem "Beuteschema", aber schon beim Durchlesen des Klappentextes war ich mir sicher, dass dies ein tolles Buch ist. Und so war es dann auch.


    Hier mal meine Rezi:


    "Dornrose: Die Geschichte meiner Großmutter"


    Inhalt:


    Gemma, Beccas Großmutter, erzählte ihren Enkelinnen immer wieder das Märchen „Dornröschen“. Doch Gemmas Version dieser Geschichte war ein bisschen anders. Statt einer Heckenrose gab es Stacheldraht, nach dem 100jährigen Schlaf erwachte nur die Prinzessin und die böse Fee erschien in schwarzen Stiefeln und mit einem silbernen Adler.
    Als Gemma stirbt, stellt sich heraus, dass ihre Familie kaum etwas über sie wusste. Die 23jährige Becca begibt sich auf die Spuren ihrer geliebten Großmutter, die sie bis in ein Vernichtungslager der Nazis führen.


    Meine Meinung:


    Jane Yolen hat mit diesem (Jugend-)Buch meiner Meinung nach ein wahres Meisterwerk geschaffen. Voller Eindringlichkeit und Überzeugung schildert sie auf der einen Seite die liebevolle Beziehung von Becca zu ihrer Oma und auf der anderen Seite die Vergangenheit der Großmutter. Dies geschieht in einer ungewohnt natürlichen und in die Geschichte eingebetteten Weise; ohne erhobenen Zeigefinger!
    Beim Lesen hatte ich immer wieder eine Gänsehaut, die erschaffene Atmosphäre ist einfach toll!


    Mehr möchte ich hierzu auch nicht sagen, denn von diesem Buch sollte man nicht von anderen Leuten hören, man sollte es selber lesen.

  • Meine Rezension
    Becca und ihre Schwestern wuchsen mit dem Märchen von Dornröschen auf. Doch es ist eine ganz eigene, um nicht zu sagen, eigenartige Version von Dornröschen, die sie von ihrer Großmutter Gemma erzählt bekommen und die in etlichen Punkten von der bekannten Geschichte abweicht.


    Als im Nachlaß der Großmutter eine Truhe mit Bildern und Dokumenten gefunden wird, geht Becca auf, dass die Geschichten von einst durchaus einen wahren Kern enthalten könnten und sie begibt sich auf die schmerzvolle Suche nach der Wahrheit.


    Erst war ich ein wenig irritiert, als die Großmutter den drei Mädels ihre Version des Grimm-Märchens erzählt – kam aber schnell dahinter, dass es ihre ureigene, verschlüsselte Geschichte ist. Spannend nachzulesen, wie Gemma sich auf Spurensuche macht und sehr berührend, was sie dabei herausgefunden hat. Zwar konnte mich die Geschichte nicht in allen Details überzeugen, dennoch fand ich das Buch ungemein lesenswert.


    Auch wenn sich die zentrale Geschichte um Gemma dreht ist es doch - wie bereits auch Herr Palomar anmerkte – Becca, die der Geschichte Leben einhaucht und ihr mit ihrem Charakter den Stempel aufdrückt.
    Es ist auch wieder mal eines der Bücher, bei deren Lektüre ich mal wieder was dazugelernt habe, den von Chelmno hatte ich vorher noch nie etwas gehört und konnte wiki etc. sei dank meine Wissenslücken so schließen.


    Ein gutes, ein lesenswertes Buch, das sich heute ruckzuck fast wie von alleine weggelesen hat. :wow 9 Punkte von mir.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Danke für die Rezi!
    Eigentlich lese ich kaum Jugendbücher -
    dieses habe ich mir allerdings geschnappt.
    Derzeit bin ich noch bei Carlos Ruiz Zafon und seinem Spiel des Engels -
    gleich im Anschluss ist dann die Großmutter dran. :-)

  • Meine Meinung:


    Ich hätte dieses Buch wohl nicht in die Jugendbuchreihe eingeordnet.
    Vielleicht setzt diese Geschichte nicht unbedingt einen bestimmten Wissensstand voraus,
    zumindest aber eine gewisse geistige Entwicklung/Reife.


    Dieses Buch erinnert vielleicht auch ein wenig daran,
    bestimmte Dinge nicht aufzuschieben.
    Dass man am Leben unserer Familienmitglieder und Freunde interessiert sein sollte,
    denn irgendwann, hat man vielleicht nicht mehr die Möglichkeit nach Erlebnissen u.ä. zu fragen.


    Diese Geschichte stimmt nachdenklich.
    Und die Verknüpfung von Dornröschen mit dem Holocaust macht dieses Buch sehr speziell, wühlt auf und schafft eine sehr einzigartige Atmosphäre.
    Lesenswert!

  • Eigentlich dachte ich das es eine wahre Geschichte ist. Denn wenn das so passiert wäre, dann hätte sich wieder mal gezeigt das es noch Zeichen und Wunder gibt. Glaube ich zumindest. Leider ist die Geschichte eine reine Fiktion, nachzulesen in der Anmerkung der Autorin.


    Es ging schnell es zu lesen und an sich finde ich die Geschichte schön aber man merkt auch das es eher für sehr junge Leute geschrieben ist.

  • Gemma führte nach ihrer Übersiedlung nach Amerika ein erfülltes Leben. Sie sah ihre Tochter Eva aufwachsen und hatte 3 Enkeltöchter, Shana, Sylvia und Becca, die ihr viel Freude bereitet haben. Ein besonders inniges Verhältnis hatte sie zu ihrer jüngsten Enkelin Becca, einer Journalistin bei der örtlichen Presse. Dieser hat sie das Versprechen abgenommen, nach dem Schloss von Dornrose zu suchen. Jetzt ist Gemma im hohen Alter verstorben und die 23-jährige Becca sieht die Zeit gekommen, endlich zu ergründen, was es mit dem Schloss von Dornrose auf sich hat und mit dem Prinzen, von dem Gemma immer sprach und wo Gemma ursprünglich herkam. Fast sicher ist, dass Gemma zu Zeiten des 2. Weltkrieges aus Polen floh, denn sie war Jüdin.


    Doch die Recherche erweist sich schwieriger als ursprünglich gedacht, denn Gemma war nur die Abkürzung von Grandma. Wie hieß sie wirklich? Bisher ging die Familie davon aus, dass Gemma in Wirklichkeit Dawna Prinz hieß, doch auf einem alten Einreiseformular ist der Name Gitl Mandelstein und auf der Geburtsurkunde ihrer Tochter Eva war sie als Dawna Stein vermerkt. Welche Geheimnisse hatte Gemma noch?


    Becca versucht in den USA einen Teil der Vergangenheit ihrer Großmutter zu entschlüsseln, doch stößt sie schon bald an ihre Grenzen. Doch einen Hinweis hat sie noch, er führt sie nach Polen, genauer gesagt Chelmno, einem Ort, der als letzter Wohnort benannt wurde, bevor sie in die USA einreiste. Mit Hilfe der Studentin Magda Bronski, die ihr als Übersetzerin dienen soll, macht sie sich auf den Weg nach Chelmno, doch was sie dort entdeckt, hätte sie niemals für möglich gehalten. Sie kann tatsächlich jemanden ausfindig machen, der Gemma während des 2. Weltkrieges kannte, doch was ihr offenbart wird, damit hätte sie im Leben nicht gerechnet.



    Was für ein ergreifendes Buch! Der Plot wurde sehr detailliert und historisch aufschlussreich erarbeitet, wobei mir hier besonders die Darstellung des Widerstandes während des Holocaust gefallen hat. Die Figuren, allen voran Protagonistin Becca, wurden ausgesprochen facettenreich und tiefgründig in Szene gesetzt, sodass ich mir die jeweiligen Handlungen jederzeit nachvollziehen konnte. Den Schreibstil kann ich nur als fesselnd und ergreifend beschreiben, etwas anderes fällt mir dazu nicht ein. Warum ich erst jetzt, durch Zufall, auf dieses Buch aufmerksam geworden bin, ist mir unbegreiflich. Es handelt sich auf jeden Fall um ein Buch, dass ich jedem nur ans Herz legen kann.