Die Karte für diese Lesung hatte ich noch am selben Tag gebucht, als ich "Limit" gekauft hatte und dort auf einem informativen kleinen Papp-Lesezeichen, die Tourdaten für die Lesereise erblickte. Frank Schätzing, einer meiner Lieblingsautoren in Nürnberg, soviel stand fest, da musste ich hin. Fünf Monate musste ich danach auf diese meine erste „Multimedia-Lesung“ warten, bis es schließlich am 2. März soweit war. Ich hatte Karten für die erste Reihe in der Meistersingerhalle besorgt und aus einer alten Gewohnheit heraus die Platznummer 13 gewählt. Wie schon öfters, sollte diese Nummer sich wieder als meine Glückszahl bewahrheiten, denn der Platz war unmittelbar vor dem Podium an und um das Schätzing die meiste Zeit des Abends las. Näher ging nicht.
Im Anflug auf unsere Plätze (mein Vater besuchte mit mir die Lesung), erblickten wir im vorbeigehen den "Schmidt Max" vom Bayrischen Rundfunk. Die Lesungen in Bayern werden wohl, so entnahm ich das den vielen Pappaufstellern, von Bayern 2 präsentiert. Auf jedem zweiten Sitzplatz war als kostenlose Hörprobe jeweils die erste CD des Limit-Hörbuchs ausgelegt. Schöne Idee! Da ich das Hörbuch aber schon besitze, hab ich meine Gratisprobe meiner Sitznachbarin geschenkt.
Um 20 Uhr ging schließlich die Saalbeleuchtung aus und auf der riesigen Leinwand auf der Bühne wurde der Limit-Trailer der auch auf Frank Schätzings Homepage (http://www.frank-schaetzing.de) zu sehen ist, eingespielt. Dort gibt es im Übrigen unter "Tour-Termine -> Live" auch eine kleine Videokostprobe von den Lesungen. Nach dem Trailer ertönte Frank Sinatras "New York, New York" aus den Lautsprechern, und passend dazu kam der Autor nun selbst auf die Bühne und begann ohne Unterbrechung den Prolog aus „Limit“ vorzulesen, in dem eben dieser Song auch eine Rolle spielt. Gelesen hat Frank Schätzing im Übrigen von einem Ebook-Reader mit einer kleinen Leselampe (Hmpf, und ich krieg jedes mal Krämpfe im Arm wenn ich länger als eine Stunde "Limit" lese), während er praktisch unablässig auf der Bühne hin- und herlief. Gekleidet war der Star des Abends äußerst leger, schwarze Cowboystiefel, modisch-gelöcherte Jeans und ein dunkelgraues Sweatshirt.
An einigen Stellen war die Musik ein bisschen übersteuert, so dass es nicht ganz leicht fiel Schätzing zu verstehen. Andere Menschen im Publikum hatten außerdem, wie ich später so hörte, auch generell Probleme Schätzing, der manchmal etwas schnell liest und dazu neigt ein klein wenig zu nuscheln, zu verstehen. Mir persönlich ist es nicht so stark aufgefallen, aber ich bin seine Art zu lesen inzwischen auch von einigen Hörbüchern gewöhnt.
Nächster Punkt der Lesung war ein auf der Leinwand eingespieltes Video, das eine fiktive Nachrichtensendung aus dem Jahr 2025 darstellte. Schön wurden dort Ereignisse aus "Limit" mit humorvollen Einlagen vermischt (Beispiel: Bundeskanzler zu Guttenberg trifft US-Präsident Schwarzenegger um über ein Klonverbot für Politiker zu beraten, da Berlusconi sich 5 mal hatte klonen lassen um seine Wiederwahl für die nächsten Jahrzehnte sicherzustellen), es gab "Live-Schaltungen" zur O.S.S. (Orley Space Station) und zum Mond. Erst als die Moderatorin verkündete, dass der 1. FC Köln weiterhin auf Platz 1 der Bundesliga verweile, sah sich der Autor genötigt einzuschreiten um die Glaubwürdigkeit des Projektes nicht zu gefährden. An dieser Stelle wurde erstmals das schöne und gut getimete Zusammenspiel von Aufzeichnung und Live-Darbietung demonstriert, indem Schätzing sich tatsächlich mit den Leinwand-Akteuren zu unterhalten schien.
Im weiteren ging Frank Schätzing darauf ein, warum er für seinen Roman gerade das Jahr 2025 gewählt hatte, nämlich weil es nicht zu weit entfernt ist, für praktisch jeden Leser noch in seiner eigenen Lebenszeit liegt und nicht zuletzt, weil Zukunftsprognosen, je weiter sie in die Zukunft gerichtet sind, umso ungenauer und unzutreffender werden. Als Beispiele nannte er einige Zitate aus Wirtschaft und Politik, die wunderbar daneben lagen, wie etwa Thomas Watson, Vorsitzender von IBM, der 1943 verkündete: "Ich denke, es gibt weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer.", oder dass Margaret Thatcher 1974 meinte: "Es wird noch viele Jahre dauern – und dies nicht zu meinen Lebzeiten –, bevor eine Frau britische Premierministerin wird."
In Anlehnung an diverse Umfragen die zu der Schlussfolgerung führen, dass der Deutsche ziemliche Zukunftsängste hegt, hat Schätzing ein Musikvideo produziert, dass diese thematisierte, beruhigte sein Publikum aber anschließend gleich wieder, da die Zukunft ja noch nicht da und somit frei gestaltbar sei. Außerdem muss man verstehen lernen, dass man auch einer Katastrophe durchaus etwas positives abgewinnen kann. Wer es nicht glaubt wurde zu den langsamen Klängen von Frank Sinatras "Fly me to the moon" eines Besseren belehrt. Wo wären wir heute ohne unseren Mond? Vermutlich gar nicht da, und wenn dann nur sehr flach und vielfüssig, da Leben so wie wir es kennen eben nur durch unseren Trabanten möglich ist. Und wie entstand das gute Stück? Vermutlich durch die Kollision der frühen Erde mit einem Planeten namens "Theia", die ihn von der Mutter Erde abspaltete (Animations-Video). Da haben wir sie, die "positive" Katastrophe.
Und welche der vielen denkbaren Zukunftsvisionen hatte Schätzing nun für sein Jahr 2025 gewählt? Dies wurde wieder anhand von diversen Video-Versatzstücken (die u.a. auch der Doku "2057 – Die Welt in 50 Jahren" entnommen waren, die Schätzing im ZDF moderiert hatte) aufgezeigt, Gerüchte und Wahrscheinlichkeit gegenübergestellt.
Schließlich klärte der Meister sein Publikum über die zwei Fragen auf, die ihm am häufigsten zu „Limit“ gestellt wurden: "Wie funktioniert die Sache mit dem Weltraumfahrstuhl?" und ... "Sex in der Schwerelosigkeit?" In diesem Zusammenhang war die Schilderung der Rechercheversuche recht witzig und während Schätzing noch genau ausmalte welche Folgen Schwerelosigkeit oder 1/6-Gewicht auf die menschliche Libido haben würden, wurde es im Hintergrund auf der Leinwand wieder unruhig...
Ein Mann in einem langen schwarzen Ledermantel kam ins Bild gestolpert und rief lauthals um Aufmerksamkeit. Bei näherer Betrachtung erkannte der aufmerksame Zuschauer, dass es sich um Jan Josef Liefers handelte, der sich als Cyberdetektiv "Owen Jericho", eine der Hauptfiguren des Buches, vorstellte. Es entspann sich ein recht amüsantes Wortgefecht zwischen Autor und Schöpfung, das auch Sätze wie das mittlerweile schon obligatorische „Owen... Ich – Bin – Dein- Vater!“ beinhaltete. Wieder war das Timing so gut gesetzt, dass man fast vergessen konnte, dass es sich bei Owen um eine Aufzeichnung handelte. Dieser bekam auch noch Verstärkung durch die freche Yoyo (natürlich ebenfalls ein Buchcharakter), die gleich mal einen entscheidenden Fehler monierte, der „Limit“-Lesern ebenfalls aufgefallen sein musste: Im Buch bist du blond! Auf einer Seite steht, du wärst ein „skandinavischer Typ!“
Trotzige Antwort seitens Owens/Jan Josefs: Na und?! Ich bin eben Südskandinavier!
Kleines Highlight dieser Szenerie: Die anschließende gemischt live-aufgezeichnete Lesung einer Verfolgungsjagd, die in einem Stahlwerk spielt. Frank Schätzing las auf der Bühne live den Part des Erzählers, während Yoyo und Owen auf der Leinwand brav (und manchmal auch ungeduldig wippend) auf den Einsatz ihrer Rollen warteten. Eine wirklich gelungene Inszenierung!
Zur Entspannung wurde als nächstes eine Videoaufzeichnung der japanischen Mondsonde Kaguya gezeigt, die die Oberfläche unseres Trabanten gestochen scharf vor unseren Augen vorbeiziehen ließ, und ein letzter Abschnitt aus dem Buch gelesen, in dem die Mondreisegruppe im „Nebelland“ Käfer und Spinnen begegnet.
Nach dem Ende der gut zweistündigen Vorstellung (ohne Pause), strömten die Massen nach draußen und ich musste erkennen, dass ein Platz in der vordersten Reihe auch einen entscheidenden Nachteil hat... man steht in der Reihe zum Signieren ziiiiemlich weit hinten. Bibelsprüche können ja so recht haben. Zum Glück dauerte es keine 10 Minuten bis Frank Schätzing seinen Platz am Tisch einnahm und die lange Schlange begann, allmählich vorwärts zu rücken.
Ich war ja nun auch schon bei der einen oder anderen Lesung und weiß, dass Autoren auch nur Menschen sind. Ich bin außerdem dem Teenie-Alter schon lange entwachsen. Und trotzdem ist es mit Schätzing nochmal was ganz anderes. Während die Schlange so langsam vorwärts rückte und der "Kontakt" immer näher kam, da wurde ich schon ehrlich zusehends nervöser, fing an, an meinen Haaren rumzufummeln wie eine Blöde und überlegte verzweifelt, ob mir nicht was geistreiches einfallen würde, das ich absondern könnte während er meine Bücher signiert. Mehr als ein "Hallo. Für <mich> bitte" fiel mir nicht ein. Erbääärmlich. Aber dank des beherzten Vorgehens meines Papas und der Freundlichkeit des Autors, hab ich jetzt ein sehr schönes persönliches Bild mit dem Meister zusammen. Hach neeee wat schön.
Ich bedanke mich sehr bei Herrn Schätzing für den unterhaltsamen und interessanten Abend und auch für das schöne Foto zu dem er sich bereit erklärt hat: Sie haben da jemandem eine große Freude gemacht!
Mein Fazit: Ich weiß, dass Schätzing nicht jedermanns Sache ist, aber ich lese seine Bücher gern und liebe seinen Humor. Mir hat der Abend sehr gefallen, und ich bin froh, dass ich dabei war. Sollte zum nächsten Buch wieder eine solche Veranstaltung in Nürnberg stattfinden, bin ich auf jeden Fall wieder mit dabei.
Online-Artikel über die Lesung am 02.03.2010:
Nürnberger Nachrichten: http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1182956&kat=48&man=4
Nürnberger Zeitung: http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=1183308&kat=49&man=4