Richard Paul Evans - Das vergessene Herz

  • Kurzbeschreibung
    Gegen den Widerstand von Fayes Eltern sind Michael und Faye ein Liebespaar – zwar ein heimliches, aber ein glückliches. Hoffnungsfroh sehen sie in die Zukunft, die ihnen voller wunderbarer Möglichkeiten erscheint. Kurz bevor Faye zum Studium nach Baltimore aufbrechen muss, heiraten sie – um ihre Liebe zu besiegeln und vor den Anfechtungen der räumlichen Trennung zu schützen. Aber dann erfahren sie, dass auch die größte Liebe vor harte Prüfungen gestellt wird. Schwere Zeiten können ein Paar entweder zusammenschweißen oder auseinander reißen.


    Über den Autor
    verrät das Buch, dass er mit seiner Familie in Utah lebt. Er ist Autor mehrerer sehr erfolgreicher Bücher, die jeweils in mehr als siebzehn Sprachen übersetzt und teilweise für das Fernsehen verfilmt wurden.


    „Das vergessene Herz“ ist der Nachfolgeband von „Der unendliche Traum“.



    Meine Meinung
    „Das vergessene Herz“ ist eines dieser erstaunlichen Bücher, die auf wenigen Seiten – hier sind es gerade einmal 250 und eine halbe Seite Romantext – sehr viele Geißeln der Menschheit auflisten können, als da unter anderem wären Demenz, Kindesmissbrauch, Aids, MS, Verlust ein ungeborenen Kindes, Selbstmord, Depressionen, und bei denen ich doch nicht das Gefühl von einem „zu viel“ habe. Es hat alles seinen Platz, es hat sogar, um die Story so zu gestalten, seine Notwendigkeit.


    Es ist auch eines dieser Bücher, bei denen ich über die Erfindung der transparenten Post-Its außerordentlich froh bin, ist die Kennzeichnung schön formulierter Sätze oder Szenen, die trotz dieser Schönheit einen oftmals verblüffenden (Wahrheits-)Gehalt haben, doch wesentlich einfacher geworden.


    Der englische Originaltitel des Buches lautet „The Carousel“. Dieser hat, da ein Karussell eine Rolle im Roman spielt, durchaus seine Berechtigung. Allerdings finde ich den deutschen Titel gelungen, auch wenn ich seine Bedeutung erst am Schluss richtig verstanden habe.


    „Damals begriff ich, dass es keine Liebe ohne Verzeihen geben kann und dass Vertrauen dauerhafter ist als Verständnis.“ (Seite 10)
    Richard Paul Evans erzählt die Geschichte von Michael und Faye aus der Perspektive des Mannes, und nach meiner Meinung gewinnt er gerade dadurch beträchtlich an Glaubwürdigkeit. Trotz der manchmal so bemühten Sachlichkeit, der Distanz, die Michael zu wahren versucht, wenn er die kleinen und großen Momente des Glücks und der Trauer oder das, was die Welt, die Liebe und Faye ihm antun, Wort für Wort und Satz für Satz erzählt, ohne es immer zu verstehen, war seine emotionale Achterbahnfahrt für mich mehr als gut nachvollziehbar.
    Die Träume, die die Liebe dem Paar eingibt, sind so schön wie bei vermutlich jedem anderen Liebespaar auf dieser Welt auch. Aber solche Träume haben die perfide Angewohnheit, der Realität nicht standhalten zu können. Zu viele Ansprüche anderer, seien es Familienangehörige, seien es Freunde oder Arbeitskollegen, zerren an den luftigen Gespinsten, die Michael und Faye sich erdacht haben, zu viele raue Winde des Lebens lassen die zarten Blumen der Hoffnung ersterben. Und dann lernt man sie, diese manchmal so grausame Lektion, oder man scheitert.


    „Man sagt, die Not bringe den wahren Wert einer Beziehung zutage.“ (Seite 134)
    Eine Binsenweisheit, natürlich, aber darum nicht minder wahr. Nun ist „die Not“ in der ehelichen Beziehung von Faye und Michael nicht in erster Linie ihre große räumliche Trennung – auch wenn ich meine Zweifel ob einer solche Beziehung, die praktisch nur durch tägliche Telefonanrufe aufrecht erhalten wird, mal hintanstelle -, sondern ein Unglück in Fayes Familie, die damit verbundenen Schuldgefühle und ein sich daran anschließendes Unglück, das Faye und Michael sehr direkt betrifft. Situationen, in denen man sich auf seinen Partner verlassen, sich auf ihn stützen können sollte, in denen das Vertrauen das Verstehen oftmals beiseite schiebt und wichtiger wird. Situationen, in denen der eine für den anderen da ist. Täler, die man gemeinsam durchschreitet. Da sein, wenn der andere zusammenbricht, verzeihen, wenn die Not den anderen ungerecht werden lässt. Begreifen, dass das Unglück nicht nur den einen Partner trifft. Diese kleinen, großen Dinge eben, die sich so selbstverständlich anhören und es doch nicht sind, manchmal nicht sein können. Michaels Vertrauen in Faye und ihre Beziehung ist jedenfalls größer als ihres und, so nebenbei gesagt, auch meines. Und als ich die letzte Seite umgeschlagen hatte, war ich mir nicht einmal sicher, ob ich mir für Michael dieses Ende gewünscht hätte.


    Vielleicht ist das die große Kunst von Richard Paul Evans: Seine Personen so zu gestalten, sie so agieren zu lassen, dass ich als Leserin Anteil nehme, dass sie mir nicht gleichgültig sind, ich für sie das Beste wünsche, auch wenn der Wille des Autors sie manchmal oder besser gesagt oftmals Wege beschreiten lässt, vor denen ich sie gerne bewahrt hätte. Er ist jedenfalls auch einer von jenen Schriftstellern, die ich immer wieder gerne lese, auch wenn das bedeutet, für die Zeit der Lektüre durchaus mitleiden zu müssen. Es sind einfach herzerwärmende Bücher.


    „Das Beste, was wir verschenken können, ist unser Herz.“ (Seite 245)
    So ist es. Ganz genau so. Und weil das so ist, ist es auch der perfekte Schlusspunkt.

  • Danke für die schöne Rezi. Ich habe diesen Schlußband der sog. "Locket-Trilogie" sowohl auf Deutsch als auch in der verlinkten amerikanischen HC-Ausgabe. Sehr schön ausgestattet (Leinen, Roughcut) - und mit Signatur des Autors. :-]


    Jetzt brauche ich nur noch die Zeit, das Buch auch mal Lesen zu können.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Wie schon der erste Teil "Der unendliche Traum" ist auch dieses Buch wieder wunderschön zu lesen. Der Klappentext verspricht eine Liebesgeschichte mit Höhen und Tiefen. Das bekommt man auch, allerdings steckt in diesem 253 Seiten starken Büchlein soviel mehr. Man freut und leidet mit den Protagonisten. Das Buch macht nachdenklich und manchmal auch ein bißchen wütend. Wieviele Tiefen erträgt eine Liebe ? Gibt es ein Happy End ? Das verrate ich Euch natürlich nicht. Findet es selbst heraus, es lohnt sich.