Thomas Glavinic: Das bin doch ich

  • Kurzbeschreibung:


    Ein Mann schreibt einen Roman. Der Mann heißt Thomas Glavinic, und dieser Mann will das, was alle wollen: Erfolg. Er will einen Verlag, einen Preis, Geld. Was er hat, ist ein Manuskript, Kopfschmerzen und leider zumeist unerträgliche Mitmenschen. Ein Bericht über einen Besessenen, ein aberwitziges Spiel mit der Wirklichkeit, ein unglaublich komischer Roman.


    Meinungen:
    Eine furiose Egomanie. Auf komischste Art doppelt gemoppelt. (Pual Jandl in der Neuen Zürcher Zeitung)


    So ein Buch gehört sich eigentlich nicht. Ein Roman über den Literaturbetrieb, der sich und seine Leser in den lakonischen Irrwitz treibt. Wer es liest, hat über Stunden hin zu lachen. (Ursula März in die Zeit)


    Meine Meinung:
    Nach dem Buch "Die Arbeit der Nacht", das mich fast süchtig gemacht hat, das mich getrieben hat, weiterzulesen, bis ich am Ende - bis heute - doch recht ratlos und verwirrt nach einer Auflösung geforscht hatte, griff ich wieder zu einem Buch von Thomas Glavinic. Ich war sehr neugierig, denn ich lache nur über wirklich gute Witze!
    Und tatsächlich! Es war mir fast peinlich in der Straßenbahn dieses Buch zu lesen, da ich immer wieder aufkichern musste.
    Da wird ein Autor beschrieben, wie - zumindest ich persönlich- mir immer einen Autor vorgestellt habe: Schlecht gelaunt, genervt, menschenverachtend, hypochondrisch, grübelnd usw. Aber Glavinic gelingt es trotzdem, so einen Typen auch liebevoll, menschlich und herzlich darzustellen. Einen Typen, den man gerne in seinem Alltag begleitet, denn er ist kein Held, er ist wie du und ich - und wächst einem so richtig ans Herz.
    Schade, dass es so kurz ist!


    mit vielen Grüßen
    Sayyida

  • Die Vermessung der Schriftstellerwelt


    Thomas Glavinic hat in diesem Roman, der 2007 erschien, über einen Autor namens Thomas Glavinic geschrieben. Dieser lebt in Wien, hatte bereits ein paar Achtungserfolge, kann sogar eine Verfilmung vorweisen, aber so recht hat sich der Erfolg noch nicht eingestellt. Erfolg, das wäre die Longlist zum Deutschen Buchpreis. Großer Erfolg, das wäre die Shortlist. Ganz großer Erfolg aber ist, was Daniel Kehlmann, ein Spezi Glavinics, mit "Die Vermessung der Welt" parallel vormacht. Ein wiederkehrendes Element in "Das bin doch ich" sind Gespräche oder SMS-Dialoge mit Kehlmann, die zumeist mit der Nennung der aktuellen Verkaufszahlen enden. Fast eine Million Bücher sind es am Ende. Auf Kehlmann, den ein Kritiker sinngemäß als "die bemerkenswerteste deutsche Autorenstimme" bezeichnet, bezieht sich dann auch der Titel: "Das bin doch ich", kommentiert Glavinic gedanklich den Kommentar.


    Dieser Roman-Glavinic ist egozentrisch, hypochondrisch, idiosynkratisch, aviophob, tendenz-misantroph und auf dem besten Weg zum Schwerstalkoholiker. Er nimmt jeden Termin wahr, der sich bietet, so auch die Jury-Mitgliedschaft bei einem Filmpreis, der ihn überhaupt nicht interessiert, fühlt sich aber meistens unwohl unter Menschen, nicht nur unter fremden. Er geht täglich zum Inder essen, am Naschmarkt, und isst auch immer das gleiche, und findet fortwährend Ausreden dafür, das Ritual zu wiederholen. Er schreibt nachts im Suff E-Mails und schämt sich am Morgen dafür, ist aber erstaunlicherweise nicht dazu in der Lage, nachzuprüfen, was er da der Weltgeschichte mitgeteilt hat. Er wartet auf Antwort seiner Agentin, der das neueste Werk - "Die Arbeit der Nacht" - vorliegt. Glavinic googelt ständig nach sich selbst, hat sogar den eigenen Wikipedia-Eintrag verfasst, aber er schämt sich ein bisschen, allerdings auf eitle Weise, wenn er wieder einmal erklären muss, darf oder soll, Schriftsteller zu sein. Er liest andere Autoren - etwa Denis Johnson - und ärgert sich darüber, solche Bücher nicht schreiben zu können. Er zweifelt. Er trinkt und trinkt und trinkt. Er meidet den Anblick der eigenen Hoden, weil er mal gelesen hat, dass Vergrößerungen auf Krebs hinweisen können. Er ist, in wenigen Worten zusammengefasst, eine unsichere, fremdbestimmte Person, was ihn wohl auch - nach eigener Diagnose, die irgendwo zwischen den Zeilen aufzufinden ist - hauptsächlich von jenen Autoren unterscheidet, die Erfolg haben, also auf irgendwelchen Long- oder Shortlists herumhängen. Aber das ist - im Roman wie in der Kritik - eine Mutmaßung.


    Um zwei Dinge geht es in "Das bin doch ich" nur am Rande. Einerseits um Glavinics Familie, insbesondere die Frau Else und den Sohn Stanislaus, die zwar zum Personal gehören, aber eher die Präsenz von Nachbarn oder Arbeitskollegen aufweisen (diese Schonung könnte als Indiz für die Authentizität der Erzählung gewertet werden). Und andererseits, erstaunlicherweise, um das Schreiben. Hin und wieder wird zwar der Druck, das Schreibenmüssen, thematisiert, aber die Schriftstellerei als Motiv reduziert sich auf die Rezeption durch andere, auf den messbaren Erfolg und die Würdigung durch die Kritiker. Folgerichtig endet der Roman auch damit, dass "Die Arbeit der Nacht" zwar bei einem nennenswerten Verlag (Hanser) erscheint, Glavinic aber wieder nicht auf einer "List" landet (das wird übrigens später ausgerechnet mit "Das bin doch ich" erstmals gelingen).


    Das Buch wird als Roman gehandelt, eine Kategorisierung, die der Leser hinnehmen muss, weshalb sich die Frage danach, was hier Fiktion und was Biografie ist, eigentlich verbietet. Allerdings gibt es auch kein Gesetz, das die Spielregeln eines Autors für die Wahrnehmung von dessen Werk vorschreibt. Wer Autor und ehrlich zu sich selbst ist, wird sich im Roman wiedererkennen, woran auch die dezente ironische Überspitzung nichts ändert. Kulturschaffende sind Sklaven jener, die Kultur bewerten, und von dieser Form der Sklaverei handelt "Das bin doch ich." Vom Hoffen und Bangen, vom Vergleichen und Abwarten, vom Ausgeliefertsein. Dass die Schöpfung selbst dabei zum Nebenaspekt gerät, erklärt sich spätestens an dieser Stelle.


    Sprachlich kommt "Das bin doch ich" im Vergleich zum restlichen Oeuvre Glavinics eher geradlinig daher, weniger kunstvoll, persönlicher, wenn man - wer eigentlich? - so will. Das Buch ist möglicherweise ein kleines, gemeines Spielchen mit der Erwartungshaltung des Lesers, vielleicht aber auch einfach ein ehrliches Stück biografischer Gegenwartsliteratur, das endlich jemand den Mut hatte, zu schreiben. So oder so - es ist interessant, meistens spannend und im Wortsinn bemerkenswert.

  • Mein erstes Buch von Thomas Glavinic hat mir sehr gut gefallen. "Das bin doch ich" wird als Roman tituliert, liest sich aber wie eine überspitzte Autobiographie, sodaß man sich nie sicher sein kann, wo denn nun die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion liegt. Gerade in dieser Unwissenheit liegt ein großer Reiz, schließlich wird sicher so einiges am Verhalten der Romanfigur Glavinic von dem Autoren Glavinic stammen, was allerdings im Detail, bleibt im dunkeln.
    Vor allem aber ist dieses Werk wirklich komisch, es brachte mich mehrmals herzlich zum Lachen, ohne je ins Niveau der Stammtischschenkelklopfer abzusinken. Wie Glavinic hier seinen Protagonisten charakterlich zeichnet, enthält neben allerlei Seitenhieben auf den Literaturbetrieb eine große Portion Selbstironie und nimmt den Leser für den Österreicher ein.
    Ich werde auf jeden Fall weitere Bücher von ihm lesen.

  • Ich fand das ein ganz unterhaltsames Buch, humorvoll, ironisch. hätte ich allerdings 19,90€ dafür bezahlt hätte ich das nicht witzig gefunden. Was uns Thomas Glavinic mit diesem Roman wirklich sagen will erschließt sich mir nicht. Gut, er säuft ab und an sehr viel, er kennt die Kneipenszene in Wien im fünften Bezirk, dann trinkt er über Wochen wieder nichts, er schreibt e-mails und ab und an auch Romane, allerdings nicht sehr diszipliniert oder zielgerichtet. Den Erfolg ersehnt er mit der Aufnahme auf die Shortlist des deutschen Buchpreises, weil sein Freund Daniel mit der Vermessung der Welt das geschafft hat. Gut, er ist ein liebevoller Vater und treuer Ehemann, er kennt den Kulturstadtrat von Wien und er ißt gern indisch am Naschmarkt. Aber langt's das?

  • Titel: Das bin doch ich
    Autor: Thomas Glavinic
    Verlag: DTV
    Erschienen: Februar 2010
    Seitenzahl: 237
    ISBN-10: 3423138459
    ISBN-13: 978-3423138451
    Preis: 9.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Ein Mann schreibt einen Roman. Der Mann heißt Thomas Glavinic, und der Mann will das, was alle wollen: Erfolg. Er will einen Verlag, einen Preis, Geld. Was er hat, ist ein Manuskript, Kopfschmerzen und leider zumeist unerträgliche Mitmenschen. Und er hat auch einen netten Freund, der selbst einen Roman geschrieben hat, 'Die Vermessung der Welt', dessen Verkaufszahlen enorm sind.


    Der Autor:
    Thomas Glavinic, geboren 1972 in Graz, schreibt seit 1991 Romane, Essays, Erzählungen, Hörspiele und Reportagen. Im Jahr 2010 erhielt er den Literaturpreis der deutschen Wirtschaft in der Sparte Prosa. Thomas Glavinic lebt mit seiner Familie in Wien. 2014 erhielt er das "Sepp-Schellhorn-Stipendium " für Literatur.


    Meine Meinung:
    Ein wunderbares Buch, eine grandiose satirische (?) Nabelschau. Paul Jandl nannte es in der NEUEN ZÜRICHER ZEITUNG eine „furiose Egomanie“. Und als Leser fragt man sich, wieviel Autobiographisches steckt in diesem Roman. Oder ist es eine Autobiographie, nur eben völlig überzeichnet – oder vielleicht doch nicht überzeichnet?
    Es ist eines dieser Bücher die man kaum aus der Hand legen mag, ein Buch voller Selbstmitleid, ein Buch aus der Gruppe der „Anti-Empathie“ - einfach eine hypochondrische Nabelschau der ganz besonderen Art. Aber Thomas Glavinic entlarvt auch so ganz nebenbei den „elitären“ Literaturbetrieb, der eigentlich nichts weiter ist als ein großer aufgeblasener Popanz, eine Ansammlung von Wichtigtuern, von Wichtigtuern und von Wichtigtuern.
    Ich habe jede Seite diess Buches genossen, habe teilweise auch schallend gelacht (was ich übrigens normalerweise kaum mache). Ein wirklich sehr lesenswertes Buch – 9 Eulenpunkte für ein grandiosen Autor aus Ösiland.
    Ach ja - wunderbar auch, wie Thomas Glaivinic den Denis Scheck als das entlarvt was Scheck ist: Ein aufgeblasener Wichtigtuer......

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ein herrlicher Lesespaß, ich habe mich beim Lesen des Buches köstlich amüsiert.
    Wenn man davon ausgeht, dass ein Teil des Buchs autobiographisch ist, schafft es Glavinic, witzig und selbstironisch mit den eigene Schwächen umzugehen und diese zu einer Stärke des Buches zu machen.
    Außerdem spiegelt er die irrsinnigen Mühlen des Literaturbetriebs wider, die zeitweise das letzte bisschen Selbstwertgefühl schonungslos zermahlen.
    Dass Glavivic ausgerechnet mit diesem Buch zum ersten Mal auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis gelandet ist, gibt doch Anlass zur Hoffnung, dass eben nicht nur nach Verkaufszahlen geschaut wird.
    Der Protagonist/ Autor ist mit mit all seinen Unzulänglichkeiten, seiner Hypochondrie, seinen Selbstzweifeln, seiner Großkotzigkeit, seinem Neid so sympathisch, dass ich ihm ein wunderbar langes Leben mit seiner Else und viele, viele verkaufte Bücher wünsche.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin