'Hamlet' - 4. Abschnitt: 3. Aufzug - 3. - 4. Szene

  • Das Schauspiel hat mit einem Skandal geendet, und alle reden auf Hamlet ein. Die Königin will mit Hamlet über sein Betragen sprechen, und der König beauftragt Polonius, mit Wissen der Dame alles zu belauschen. Der König hat in seiner Kammer einen Moment der Reue und wird im Gebet versunken fast von Hamlet erstochen, der es aber dann doch nicht tut.
    Die Mutter macht Hamlet Vorwürfe. Aus Versehen bringt Hamlet Polonius um, der hinter der Tapete steht. Er hält der Königin den Spiegel vor, und diese bricht zusammen. Dann taucht auch noch der Geist auf, und die Königin kann ihn weder sehen noch hören. Ist Hamlet doch verrückt?
    *****


    Erschütternd finde ich, mit welcher Leichtigkeit Hamlet über den versehentlichen Tod von Polonius hinweggeht, ein Kollateralschaden.
    Wenn ich ehrlich bin, musste ich aber schmunzeln an der Stelle, denn Hamlet tut einen Stoß durch die Tapete und was sagt Polonius ?
    "Oh, ich bin umgebracht!"
    Fällt und stirbt

  • Zitat

    Original von Clare
    Wenn ich ehrlich bin, musste ich aber schmunzeln an der Stelle, denn Hamlet tut einen Stoß durch die Tapete und was sagt Polonius ?
    "Oh, ich bin umgebracht!"
    Fällt und stirbt


    Ich war mir erstmal gar nicht sicher, ob er nun wirklich tot ist. Im englischen Orginal sagt er "I am slain", was auch heißt: "Ich bin umgebracht", aber ich kannte das Wort nicht...und die Regieanweisung, die es bei dir gibt, steht in meiner Ausgabe nicht drin. Naja, da Polonius im nächsten Teil der Szene dann keinen Laut von sich gegegen hat und ich auch schon wusste, dass er stirbt (meine sehr interessanten Anmerkungen sind leider auch voller Spoiler...), war es dann schon klar.


    Der dritte Akt war teilweise recht anstrengend zu lesen, aber auch sehr interessant. Hamlet finde ich total faszinierend, auch wenn sich seine Unfreundlichkeit gegenüber Frauen (Ophelia und Gertrude behandelt er ja nicht gerade nett) fortsetzt. Er wirkt depressiv und verwirrt und verhält sich nach außen zynisch und verletztend. Mit meiner Küchenpsychologie würde ich mal sage, er muss seine Verwirrung und seine anhaltende Trauer über den Tod seines Vaters, seine Unfähigkeit, zu entscheiden, was er nun tun soll, irgendwie kompensieren, und verhält sich deshalb so.


    Eine interessante Interpretation hab ich auch wieder gelesen, nämlich zu dem Moment, als Hamlet beschließt, seinen Onkel doch nicht zu töten. Nämlich, dass Hamlet sieht, dass sein Onkel ein ganz schlechtes Gewissen hat und das als ausreichende Rache für seine Taten ansieht, denn " [Hamlet] is at home in a realm of contemplation rather than action." Er hat seine Rache schon, für ihn zählt, dass Claudius Geist leidet, "and this is what counts for him. The body is simply a silly machine for Hamlet; the mind, the spirit, is where the action really is."


    Finde ich ganz spannend. Auch wenn ich es schon eine recht weitgehende Interpretation finde, schließlich rechtfertig Hamlet selbst es ganz anders, dass er seinen Onkel nicht tötet. Aber dass Hamlet eher in der Welt des Nachdenkens als des Handelns zu Hause ist, denke ich auch.

    In der Einsamkeit wird Liebe entstehen.

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  • Huhu!


    Das Hamlet seinen Onkel hier nicht umbringt, habe ich so interpretiert:
    Hamlets Vater ist ohne Beichte gestorben.
    Wenn er seinen Onkel mitten in einem Gebet umbringt, landet er wohl nicht in der Hölle, wo er hingehört, sondern kann das umgehen.


    Also wird er ihn erst dann umbringen,
    "wann er berauscht ist, schlafend, in der Wut, in seines Bettes blutschänderischer Freuden. Beim Doppeln (?), Fluchen oder anderem Tun, das keine Spur des Heiles an sich hat:
    Dann stoß ihn nieder, daß gen Himmel er die Fersen bäumen mag und seine Seele, so schwarz und so verdammt sei wie die Hölle, wohin er fährt."


    Wobei ich mich immer noch frage, warum Sex mit dem Bruder des Mannes blutschänderisch sein soll. Es ist nicht ihr Onkel, mit ihrem neuen Mann ist sie nicht verwandt, nur verschwägert...

    Wenn mein Kopf auf ein Buch trifft, klingt es hohl. Das muß nicht immer am Buch liegen...
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Zitat

    Original von HeikeArizona
    Das Hamlet seinen Onkel hier nicht umbringt, habe ich so interpretiert:
    Hamlets Vater ist ohne Beichte gestorben.
    Wenn er seinen Onkel mitten in einem Gebet umbringt, landet er wohl nicht in der Hölle, wo er hingehört, sondern kann das umgehen.


    Ja, so hat Hamlet es erklärt. Aber laut der Interpratation, die ich oben beschrieben habe, wäre es eben so, dass Hamlet das ganze nur als Vorwand nimmt, um ihn nicht umbringen zu müssen, um es vor sich selbst zu rechtfertigen, dass er es nicht tut. So, dass er eben vor sich selbst nicht zugeben möchte, dass der Tod seines Vaters eigentlich durch das schlechte Gewissen von Claudius bereits gerächt wurde... Ist verständlich, was ich meine? ?(



    Zitat

    Original von HeikeArizona


    Wobei ich mich immer noch frage, warum Sex mit dem Bruder des Mannes blutschänderisch sein soll. Es ist nicht ihr Onkel, mit ihrem neuen Mann ist sie nicht verwandt, nur verschwägert...


    Ich glaube, das wurde damals einfach so gesehen, auch wenn die beiden nicht blutsverwandt sind. Und ich denke, es wäre auch heute noch ein Problem, wenn sowas in einer Familie geschieht. Zwar nicht direkt "Inzest", aber doch irgendwie so, dass einige das als moralisch nicht einwandfrei ansehen würden. Vor allem dann, wenn die Hochzeit zwei Monate nach dem Tod des ersten Mannes geschieht.

  • Zitat

    Original von Glass
    Zwar nicht direkt "Inzest", aber doch irgendwie so, dass einige das als moralisch nicht einwandfrei ansehen würden.


    Das kommt ganz auf die Kultur an- es gibt Kulturen in denen der Bruder verpflichtet ist (unter dem Gesichtspunkt der Versorgung der Witwe) die Frau des verstorbenen Bruders zu heiraten.

  • Und im alten Ägypten heiratete der Pharao grundsätzlich seine Schwester, und Kinder aus dieser Beziehung waren grundsätzlich Thronerben...

    Wenn mein Kopf auf ein Buch trifft, klingt es hohl. Das muß nicht immer am Buch liegen...
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Nach dem Stück wird Hamlet zu seiner Mutter gerufen, weil diese mit ihm sprechen will/soll. Sie verucht ihn zur Vernunft zu bringen. Polonius versteckt sich während diese Gesprächs hinter einem Wandteppich und wird von Hamlet umgebracht. Er zeigt keine Reue und wirft seiner Mutter vor, dass sie Claudius geheiratet hat. Dann erscheint auch noch der Geist seines Vaters, doch die Königin kann ihn nicht sehen.
    Der König gesteht in einem Monolog (Beichte), dass er seinen Bruder umgebracht hat. Hamlet kommt genau zu diesem Zeitpunkt uns sieht eine Gelegenheit ihn umzubringen, doch er tut es dann doch nicht, weil er denkt, wenn er ihn beim Beten umbringt, geht dieser in den Himmel und das ist nicht sein Plan.

  • Zitat

    Original von Clare
    Er hält der Königin den Spiegel vor, und diese bricht zusammen. Dann taucht auch noch der Geist auf, und die Königin kann ihn weder sehen noch hören. Ist Hamlet doch verrückt?[/I]


    Nein das glaube ich nicht, denn Hamlet ist nicht der einzige der ihn gesehen hat, Horatio und die Offiziere habe ihn immerhin auch gesehen. Wieso die Königin ihn nicht sehen kann ist sehr interessant, aber vielleicht klärt sich das noch auf!

  • Zitat

    Original von Mary26_87


    Nein das glaube ich nicht, denn Hamlet ist nicht der einzige der ihn gesehen hat, Horatio und die Offiziere habe ihn immerhin auch gesehen. Wieso die Königin ihn nicht sehen kann ist sehr interessant, aber vielleicht klärt sich das noch auf!


    Wenn ich der Geist des gemeuchelten Königs wäre und meine allesgeliebte Königin sich sofort in die Arme des nächsten geheiratet hätte, dann würde ich mich ihr auch nicht zeigen...
    Vielleicht ist es aber auch nur so, dass die Liebe hier doch den Tod und auch den Mord überstanden hat und der Geist seine Witwe schonen und mit seinem toten Anblick verschonen will :gruebel

  • Zitat

    Original von Clare


    Wenn ich der Geist des gemeuchelten Königs wäre und meine allesgeliebte Königin sich sofort in die Arme des nächsten geheiratet hätte, dann würde ich mich ihr auch nicht zeigen...
    Vielleicht ist es aber auch nur so, dass die Liebe hier doch den Tod und auch den Mord überstanden hat und der Geist seine Witwe schonen und mit seinem toten Anblick verschonen will :gruebel


    Ja das ist auch eine Möglichkeit!

  • Hamlet soll nach England - da der König Angst vor ihm hat. Im Monolog sagt der König: Engel helft! Vielleicht wird alles gut! Hamlet sieht ihn beten und verzichtet vorerst auf seine Rache...


    Polenius will beim Gespräch zwischen der Königin und Hamlet lauschen - und stirbt (bei dieser Szene mußte ich auch schmunzeln ...). Und die Königin kann ihren toten Gatten nicht sehen - vielleicht, weil sie nicht unschuldig an seinem Mord ist? :gruebel Wobei der Geist ja um sie besorgt zu sein scheint...

  • So, der König will Hamlet also loswerden.


    Und Hamlet, der die Gelegenheit hat, seinen Onkel zu töten, verzichtet zunächst - aus genau diesen beiden Gründen, so habe ich es während des Lesens auch interpretiert:


    Zitat

    Original von Glass


    Ja, so hat Hamlet es erklärt. Aber laut der Interpratation, die ich oben beschrieben habe, wäre es eben so, dass Hamlet das ganze nur als Vorwand nimmt, um ihn nicht umbringen zu müssen, um es vor sich selbst zu rechtfertigen, dass er es nicht tut. So, dass er eben vor sich selbst nicht zugeben möchte, dass der Tod seines Vaters eigentlich durch das schlechte Gewissen von Claudius bereits gerächt wurde... Ist verständlich, was ich meine? ?(


    Einerseits die Befürchtung, dass Claudius trotz des Mordes in den Himmel kommen könnte, und andererseits, weil er ja schon ein schlechtes Gewissen hat ...


    Also, Polonius ist ja reichlich unspektakulär gestorben, finde ich: "Ich bin umgebracht!" - Fällt und stirbt.


    Äh, ja ... Und Hamlet lässt ihn dann einfach erst mal liegen, ignoriert die Leiche, um seine Mutter anzuklagen und ihr ihr "Unrecht" vorzuhalten, was Gertrude nicht hören kann / will. Um es mal so auszudrücken: Ich glaube, Hamlet ist ganz schön wütend. :grin


    Als der Geist seines Vaters schließlich auftaucht und ihn daran erinnert, die Mutter zu schonen, hält sie Hamlet endgültig für wahnsinnig, weil sie den Geist selbst nicht sehen kann. Ich denke, aus diesem Grund zeigt Hamlets Vater sich seiner ehemaligen Frau auch nicht - um sie zu schonen.


    Auch nach diesem Abschnitt fühle ich mich sehr erleichtert, da ich mir alles für mich Wichtige notiert habe und es so im Nachhinein noch verarbeiten und begreifen kann. Anders kann man einen Klassiker auch nicht "richtig" lesen, glaube ich.


    Mit dem fünften Abschnitt habe ich gestern Abend noch angefangen, aber erst die ersten drei Szenen beendet. Wenn es gut klappt, werde ich "Hamlet" heute Abend wohl beenden.

  • Dieser Abschnitt enthält jede Menge dramatischen Stoff. Mich hat es erstaunt, dass der König anscheinend so etwas wie Reue zeigt und sich ins Gebet vertieft.
    Bei der Szene, als Hamlet Polonius ersticht, mußte ich auch schmunzeln, es ist schon außergewöhnlich, dass ein Sterbender seinen eigenen Tod noch derart kommentiert. :grin Dass sie den Toten dann noch ziemlich lange liegen lassen und ihr Streitgespräch durchziehen, fand ich etwas irritierend, nicht gerade realistisch.
    Gar nicht schlüssig bin ich mir über die Beweggründe der Königin, ob sie von der Ermordung ihres ersten Gatten wußte (oder zumindest etwas geahnt hat?) Es wäre auch interessant, zu wissen, wieso sie gleich den Schwager geheiratet hat. Oder war das bei Hof derzeit so üblich?

  • Zitat

    Original von Klusi
    Gar nicht schlüssig bin ich mir über die Beweggründe der Königin, ob sie von der Ermordung ihres ersten Gatten wußte (oder zumindest etwas geahnt hat?) Es wäre auch interessant, zu wissen, wieso sie gleich den Schwager geheiratet hat. Oder war das bei Hof derzeit so üblich?


    In einer Interpretation die ich gelesen habe, steht, dass die Königin anscheinend den alten König nicht geliebt habe, sondern dass dies eine arrangierte Ehe war, und dass sie und Claudius eine Affäre hatten. Daher ist es dann klar, dass sie als sie frei wurde, gleich den Mann geheiratet hat, denn sie liebt. Und Claudius scheint sie ja auch zu lieben.


    Und was den Mord an dem König angeht, ich glaube nicht, dass sie etwas gewusst hat. Sie hat nur ihren Gefühlen nachgegeben.

  • Nun hab ich diesen Abschnitt auch beendet. Das meiste habt ihr ja schon beschrieben. Dass der Geist des Königs seine Frau schonen möchte und sich deshalb nicht zeigt, kann ich mir auch gut vorstellen.
    Die Handlung ist praktisch an einem Wendepunkt angelangt: Getrude weiß nun, was mit ihrem Mann passiert ist (insofern sie es vorher nicht wusste), Claudius zeigt Reue, will Hamlet nach England schicken, Hamlet begeht Mord an Polonius... bin mal gespannt, wie sich das Ganze in den nächsten Akten auflöst.


    Was mir auch aufgefallen ist:


    "[...] So, again, good night.
    I must be cruel only to be kind."


    Das reimt sich so schön :chen

  • Zitat

    Original von Mary26_87


    In einer Interpretation die ich gelesen habe, steht, dass die Königin anscheinend den alten König nicht geliebt habe, sondern dass dies eine arrangierte Ehe war, und dass sie und Claudius eine Affäre hatten. Daher ist es dann klar, dass sie als sie frei wurde, gleich den Mann geheiratet hat, denn sie liebt. Und Claudius scheint sie ja auch zu lieben.


    Und was den Mord an dem König angeht, ich glaube nicht, dass sie etwas gewusst hat. Sie hat nur ihren Gefühlen nachgegeben.


    Vielen Dank Mary!Das erklärt natürlich die schnelle Heirat! :wave