In 300 Jahren vielleicht - Tilman Röhrig

  • Inhalt


    Eggebusch im Oktober 1641: Hunger, Elend und Furcht bestimmen das Leben in dem kleinen Ort. Nur wenige Menschen können sich noch an die Zeit vor dem Krieg erinnern. Gegen die Not, den Krieg mit seinen plündernden Soldatenhorden und die Angst vor der Pest setzt der 15jährige Jockel seine Liebe zu Katharina und die Hoffnung, daß irgendwann wieder Friede sein wird: in dreihundert Jahren vielleicht.



    Meine Meinung
    Ein kurzweiliger Jugendroman. Krieg im Mittelalter. Und dieser Krieg geht schon so lange, dass nur die ganz alten Menschen im Dorf noch die Zeit kennen in der Friede war. An manchen Stellen ist es sehr grausam ... abgehackte Köpfe usw.
    Vieles wird aus Sicht der Jugendlichen in dieser Zeit dargestellt. Das fand ich besonders interessant. Die im Klappentext beschriebene Liebesstory kam dabei aber ziemlich kurz. Ich finde wenn man das im Klappentext so erwähnt, dann sollte das doch auch etwas umfangreicher geschildert werden. Das Ende hat mir gar nicht gefallen. Für mich war das eigentlich überhaupt kein richtiges Ende. Es hört plötzlich einfach auf. Ich hätte gerne gelesen wie es weiter geht. Schade!
    Ich kann nicht nachvollziehen warum das Buch den deutschen Jugendliteraturpreis erhalten hat :pille
    Nette Unterhaltung wars trotzdem, aber nix was man unbedingt lesen muss.

  • Liebes Sternle,


    dieses Buch war wohl eins der ersten, wenn nicht das erste, die Röhrig veröffentlicht hat.Mein Mann hat jedenfalls schon in den 80er Jahren eine Rezension für eine Zeitung darüber geschrieben, und ich kann mich noch erinnern, dass ich manche Stellen sehr brutal und eklig fand. Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648 ) fand aber eindeutig schon in der Neuzeit statt - es gibt verschiedene Punkte, die die Historiker als Schnittstelle vom Mittelalter zur Neuzeit ansetzen - die Ansíchten sind da unterschiedlich, aber die Entdeckung Amerikas 1492 ist eigentlich unumstritten als Endpunkt des MA.


    Liebe Grüße :wave


    Bärchen

  • Ich habe es letztes Jahr in meiner Röhrig Phase gelesen und fand es toll. Brutal war es stellenweise wirklich, aber ich fand es nicht übertrieben dargestellt.

  • Nachdem ich das Buch bereits in der Schule einmal gelesen habe, wollte ich nun noch einmal die Erinnerungen daran auffrischen und war überrascht, wie intensiv ich das Buch beim zweiten Lesen empfunden habe.


    Inhalt:

    In seinem Roman "In 300 Jahren vielleicht" beschreibt Tilman Röhrig das Leben in dem kleinen Dorf Eggebusch an nur wenigen Tagen im Oktober 1641, also mitten im Dreißigjährigen Krieg. Der Krieg währt mittlerweile schon über zwanzig Jahre, sodass die Kinder die Zeit ohne Krieg gar nicht kennen und sich die Geschichten der Erwachsenen von Frieden wie Märchen anhören. In Eggebusch ist der Hunger allgegenwärtig, da die Soldaten das Dorf immer wieder auf der Suche nach etwas Essbarem heimsuchen. So haben sich die Reihen auch schon stark gelichtet, doch die restlichen Dorfbewohner kämpfen weiterhin ums überleben in ihrem Dorf.


    Meinung:

    Wie bereits erwähnt, hat mich das Buch stärker mitgenommen, als ich zu Beginn erwartet hatte. Die Schrecknisse, die ein so lange anhaltender Krieg für die einfache (Dorf-)Bevölkerung bedeutete werden hier sehr realistisch dargestellt. Die Ohnmacht, wenn die Soldaten - mal wieder - ins Dorf einfallen und alles plündern. Alles Essbare mitnehmen und am liebsten auch noch Kinder und Frauen, mit denen sie sich dann vergnügen können. Der Hunger, der alles überschattet und insbesondere die Kleinsten auszehrt. Die Angst vor der Pest, die immer ausbrechen könnte.

    All das vermittelt Tilman Röhrigs Roman auf eine ganz besondere Weise, indem er uns einfach an ein paar Tagen im Leben der Dorfbewohner teilhaben lässt.


    Hier muss ich allerdings sagen, dass ich die Alterseinstufung des Buches ab 12 Jahren etwas zu lasch finde. Dadurch, dass in dem Buch die Schrecknisse eines Krieges beschrieben werden, sind einige Szenen doch recht brutal. Zwar hält sich der Autor meiner Meinung nach nicht zu sehr an den Details auf, doch nimmt er auch kein Blatt vor den Mund. So wird zumindest kurz beschrieben, wie ein Mann vergewaltigt wird oder wie Kinder verstümmelt werden. Natürlich gehört auch das zu einer Kriegsbeschreibung zu einem gewissen Grad dazu, doch hätte man hier vielleicht die Altersempfehlung anpassen sollen. Ich persönlich würde - zumindest aus heutiger Sicht - ein Alter ab vielleicht 16 empfehlen.


    Ein Kritikpunkt ist auf jeden Fall der Klappentext, der wieder einmal mehr verspricht, als das Buch wirklich hergibt. Dort wird von der Liebe von Jockel zu Katharina gesprochen. Diese ist zwar in der Tat vorhanden und wird auch immer wieder einmal angesprochen, doch so großen Raum, wie der Klappentext es uns glauben macht, nimmt diese Geschichte gar nicht ein. Mich persönlich hat das nicht sonderlich gestört, im Gegenteil, ich hätte eine ausschweifende Liebesgeschichte hier eher als störend empfunden. Nichtsdestotrotz passt hier der Klappentext nicht so gut zum Buch.


    Wenn man sich darauf einlassen kann, hier einfach ein paar Tage im Alltag eines Dorfes während des Krieges beschrieben zu bekommen, in denen zwar viel passiert, das aber weitgehend ohne Höhepunkte auskommt, dann ist das Buch durchaus gut geschrieben und vor allem auch interessant zu lesen. Man sollte sich aber auch darüber im Klaren sein, dass es sich hier keinesfalls um leichte Urlaubslektüre handelt, sondern durchaus um ein Buch, das trotz seiner 150 Seiten unwahrscheinlich bewegend und vor allem auch bedrückend ist.


    Alles in allem hat mir das Buch nach wie vor gut gefallen, ich würde es allerdings nicht für Jugendliche ab 12 Jahren empfehlen. Von mir gibt es 8 Eulenpunkte.


    Edit: Ich wollte noch ein Zitat aus dem Buch (S.41) hinzufügen, welches mir schon beim ersten Lesen im Gedächtnis geblieben ist. Vielleicht haben wir damals im Unterricht auch gerade dieses Zitat stärker besprochen. Nichtsdestotrotz erinnert es mich immer sehr an dieses Buch:

    Zitat

    Vielleicht - tausendmal vergebens und doch immer wieder neu gesprochen und gedacht.

    :lesend Jay Kristoff; Nevernight - Die Rache

    :lesend Laura Imai Messina; Die Telefonzelle am Ende der Welt (eBook)

    :lesend Rebecca Gablé; Teufelskrone (Hörbuch: Detlef Bierstedt)

  • Der Dreißigjährige Krieg stellt ein Setting dar, zu dem ich noch nicht so viele Romane gelesen habe. Ich erinnere mich an grausame Passagen im "Abenteuerlichen Simplizissimus", wo ebenfalls ein Überfall von marodierenden Soldaten auf einen Bauernhof aus der Sicht eines ahnungslosen Kindes geschildert wird.

    Die Kinder und Jugendlichen in Tilman Röhrigs Roman sind längst nicht mehr ahnungslos; sie kennen kein anderes Leben - seit 25 Jahren tobt der Krieg und kein Ende ist in Sicht; keiner weiß mehr, zu welcher Seite das heimatliche Dorf eigentlich gehört, und es ist auch egal, denn Soldaten und "Trossweiber" jeglicher Herrschaft haben nichts Anderes im Sinn, als zu plündern, was noch zu plündern ist, begleitet von einem schieren Rausch an Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Brandschatzung und Mord.


    Die LeserInnen werden mitten hineingeworfen ins Geschehen; geschildert werden nur wenige Tage Anfang Oktober 1641, in denen das bereits auf etwa 50 Einwohner dezimierte Dorf Eggebusch schließlich fast komplett ausgelöscht wird. Diese Ereignisse, die sich auf mehrere Überfälle und die knappen Atempausen dazwischen erstrecken, werden minutiös geschildert und sind an drastischen Bildern und emotionalen Herausforderungen kaum zu überbieten. Mir standen beim Lesen immer wieder die Tränen in den Augen. Dass diese Darstellung der Geschehnisse absolut authentisch ist, weiß ich noch aus der oben erwähnten, lange zurückliegenden Lektüre des "Simplizissimus", der zwanzig Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges niedergeschrieben wurde, sowie barocker Lyrik von Andreas Gryphius, Martin Opitz u.a., die die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges aufgreifen und die ebenso existenziellen wie zermürbt-ohnmächtigen Fragen nach dem "Warum?" und "Wie lange denn noch?" in ähnlicher Weise aufgreifen, wie Röhrig sie seinen ProtagonistInnen in den Mund und die Gedanken gelegt hat. Passenderweise ist meiner Ausgabe des Buches auch ein langes Gedicht von Martin Opitz angehängt, ein "Trostgedicht in Widerwärtigkeit des Krieges", das in meiner Wahrnehung eigentlich eher von Verzweiflung als von Trost geprägt ist.


    Dennoch schreibt Röhrig hier nicht nur über den Dreißigjährigen Krieg. Der Schauplatz ist austauschbar; das könnte kaum deutlicher werden als bei den (titelgebenden) hoffnungsvollen Worten, die er einer sterbenden jungen Frau und ihrem Bruder in den Mund legt: "Wo sind die Soldaten? (...) "Die sind alle tot. Die alten Soldaten sind alle tot und neue gibt es einfach nicht." (...) "Wann? Wann ist das, Tobias?" (...) "Bald. So in hundert oder in zweihundert Jahren. Aber bestimmt in dreihundert Jahren. Bald, Anne." Was dreihundert Jahre später in Europa los war, kann sich jeder selbst ausrechnen. :-(


    Ich fand das Buch spannend und tief bewegend von der ersten bis zur letzten Seite, halte aber die Altersangabe des Verlags (14-17 Jahre) für zu jung angesetzt; unter 16 würde ich das Buch keinen Jugendlichen oder gar Kindern in die Hand geben - dazu sind die geschilderten Details meiner Ansicht nach oft zu drastisch und die Konsequenzen des Geschehens zu grausam. Auch wenn die ProtagonistInnen weitgehend Jugendliche sind, halte ich den Roman eher für ein Erwachsenenbuch, denke aber, dass er den o.g. Preis völlig zu Recht bekommen hat.