Der Tag, der alles veränderte - Amy Wallace

  • Sein schlimmster Alptraum war Wirklichkeit geworden. (Seite 138)


    320 Seiten, kartoniert
    Originaltitel: Ransomed Dreams
    Aus dem Amerikanischen von Silvia Lutz
    Verlag: Verlag der Francke Buchhandlung GmbH, Marburg 2009
    ISBN-10: 3-86827-091-4
    ISBN-13: 978-3-86827-091-4


    Serie „Defender of Hope“
    - Der Tag, der alles veränderte

    - Die Stunden, die zählen >Rezi-Thread<
    - Im Hauch eines Augenblicks >Rezi-Thread<




    Zum Inhalt (Quelle: Buchrückentext mit eigener Berichtigung und Ergänzung)


    Gracie Lang hat durch die Tat eines betrunkenen Autofahrers ihre beiden Kinder und ihren Mann verloren. Nun kennt sie nur noch ein Ziel: den Autofahrer, der ihre Familie auf dem Gewissen hat, aufzuspüren und hinter Gitter zu bringen.
    Eines Tages macht sie die Bekanntschaft von Steven Kessler, einem FBI-Agenten, der den Glauben an Gott weitgehend verloren hat. Er hat den Auftrag, eine internationale Verschwörung aufzudecken. Die Tochter des britischen Botschafters ist entführt worden und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
    Steven weckt in Gracie die Hoffnung auf ein Leben, wie sie es sich immer gewünscht hat. Aber sein Fall und ihre Vergangenheit sind auf gefährliche Weise miteinander verbunden - und plötzlich ist Gracie in Gefahr. Sie muß sich entscheiden: Kann sie - will sie - ihr altes Leben hinter sich lassen, um die Chance auf einen Neuanfang zu gewinnen?




    Über die Autorin (Quelle: Angabe im Buch, Homepages der Autorin und des Originalverlags, Interview)


    Amy Wallace stammt aus Kentucky. Ihr Vater war bei der US-Army, weswegen sie oft umziehen mußte. Dadurch lebte sie in ihrer Kindheit auch in München und (West-) Berlin (näheres in dem verlinkten Interview). Sie ist Absolventin einer Polizeiakademie und noch immer als Beraterin für die Polizei tätig. Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in Atlanta.


    - < Klick > - die Website der Autorin (in englischer Sprache)
    - < Klick > - die Website zur Buchserie (in englischer Sprache=
    - < Klick > - ein Interview zu diesem Buch (in englischer Srpache)
    - < Klick > - die Übersichtsseite beim Originalverlag Waterbook (in englischer Sprache)



    Vorbemerkungen
    - Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das ist ein christliches Buch. Wenn ich Formulierungen wie „wir“ verwende, beziehen sich diese nicht auf die Gesamtgesellschaft, sondern ausschließlich auf den christlich geprägten Teil, dem ich mich zugehörig fühle. Es braucht sich außerhalb dessen also niemand angesprochen zu fühlen.
    - Die Einordnung in ein Genre ist bei diesem Buch sehr schwierig; es zählt eindeutig zu dem, was etwa in den USA „Christian Fiction“ genannt wird. Da es hier eine solche Rubrik nicht gibt, habe ich „Krimi/Thriller“ gewählt, weil das dem Inhalt mMn am nächsten kommt.




    Meine Meinung


    Handle gerecht, sei barmherzig. (Seite 273)
    Mit den beiden Zitaten ist ein weiter Bogen gespannt, eine Richtung vorgeben, ein schmerzhafter Weg vorgezeichnet. Ein Weg, an dessen Ende vieles, das meiste, anders ist als zu Beginn zu erhoffen oder zu erwarten war. Dabei wird schon im Prolog der wohl schlimmste Alptraum vieler Menschen zur brutalen Wirklichkeit: ein betrunkener Autofahrer löscht Gracies Famile aus. Ihr Mann und die zwei Kinder - tot. Der Täter begeht Fahrerflucht und wird nie gefunden.


    Zwei Jahre später ist Gracie als Lehrerin in einer Grundschule tätig und lernt Steven Kessler kennen, einen alleinerziehenden Vater, dessen Sohn James in ihre Klasse kommt. Steven ist FBI-Agent und zuständig für vermißte Kinder. Gracie wie auch Steven tragen tiefe innere Wunden, deren sie sich teilweise nicht bewußt sind, mit sich herum, die einer besseren Zukunft - alleine wie gemeinsam im Wege stehen.


    Gracie sucht noch immer nach dem Todesfahrer, ohne zu ahnen, wie (räumlich) nahe sie diesem ist. Sehr bald wird klar, wer der Mann ist, der damals am Steuer saß und daß er alles tun würde, um die Gefahr, die Gracie für ihn darstellt, zu eliminieren. Steven hingegen erlebt Freud und Leid seines Berufes. Nicht alle Kinder werden lebend wiedergefunden. Als schließlich die Tochter des britischen Botschafters entführt wird, beginnt ein Wettlauf gegen diplomatische Rücksichtnahmen und vor allem gegen die Zeit. Weder Gracie noch Steven ahnen, wie sehr Entführung wie damalige Todesfahrt miteinander verwoben sind.


    Steven wurde kurz nach der Geburt seines Sohnes von seiner Frau Angela verlassen. Sie ist Alkoholikerin und zog dem Babyversorgen die Scheidung und Heirat mit einem Professor vor. Steven hatte in der Folge seinen Glauben weitgehend verloren. Jetzt ist Angela wieder da und fordert das alleinige Sorgerecht für den Sohn.


    Neben dieser äußeren Handlung gibt es, wenn man so will, noch die innere, den Weg, den die beiden Protagonisten zu ihrer Heilung zurücklegen müssen. Dazu müssen sie sich ihrer Verwundungen erst einmal bewußt werden und diese akzeptieren.


    Was diesen Roman von fast allen, die ich bisher gelesen habe, unterscheidet ist, daß Gracie wie auch Steven in einem sehr christlich geprägten Umfeld leben und handeln. Beten, das Sprechen und auch das Hadern mit Gott sind einfach Teil des ganz normalen Lebens und so selbstverständlich wie Essen und Trinken. Dies sollte man wissen und akzeptieren. Ich hatte (und habe) verschiedentlich Kontakt zu, hm, „aktiven Christen“. Von daher weiß ich, daß die beschriebenen Denk- und Handlungsweisen der Realität entsprechen und von diesen Menschen so gelebt werden, auch in Deutschland. Eigentlich, muß ich zugeben, hat es mir sehr gut gefallen, daß endlich einmal keine religionslosen Protagonisten auftauchen, sondern Menschen, die in ganz normalen Berufen wie Lehrerin oder Polizist tätig sind und dennoch einen Glauben haben, an dem sie sich ausrichten. Oder das zumindest versuchen.


    Stilistisch ist das Buch in eher nüchterner Sprache geschrieben. Daran mußte ich mich erst etwas gewöhnen, weil die beiden zuvor gelesenen (Lynn Austin und Marc Levy) so ganz anders waren. Teilweise wird dadurch eine gewisse Distanz zu den beschriebenen Ereignissen erzeugt, was aber nicht unbedingt verkehrt ist.
    Achtung: im Spoiler wird verraten, wer stirbt!

    Der Autorin kam mit Sicherheit auch ihre Ausbildung auf einer Polizeischule zugute, denn die FBI-Tätigkeiten schienen mir recht zutreffend beschrieben zu sein. Trotz teilweise recht knappen Beschreibungen sah ich alles recht lebendig vor meinem inneren Auge, wie in einem Film.


    Über weite Strecken des Buches ließ mich das ablaufende Kopfkino fühlen, als ob ich einen amerikanischen Krimi oder Thriller ansehe. Bis ich, ohne Vorwarnung, bemerkte, daß das Buch durchaus viel mit dem „normalen“ Leben, mit mir, mit meinem Leben zu tun hat; mehr als mir lieb ist. Weshalb diese Rezi letztlich auch anders ausfällt, als eigentlich geplant. Mir ist beim Lesen unwillkürlich wieder „ Die Gnade der Amish" eingefallen. „Vergebung bedeutet, dein Recht auf Vergeltung aufzugeben.“, so heißt es in jenem Buch an einer Stelle. Was in einem Sachbuch ein doch eher abstrakter Begriff war, den man so wundervoll von sich selbst fernhalten kann, wird in einem Roman plötzlich zur Anfrage an einen selbst, an die eigenen erlittenen Verletzungen und dem Umgang damit, die Verarbeitung derselben. Daß genau dieses Verarbeiten ein Thema des Buches ist, kann man auf der oben verlinkten Website der Autorin zur Buchreihe nachlesen.


    Wenn die Gnade der Amish ein erster sachlicher Hinweis auf den Umgang mit, die Heilung von Leid war, so habe ich hier die praktische Ausführung für das „ganz normale Leben“ vorgefunden. Jeder muß letztlich selbst entscheiden, ob er ein solches Thema an sich heranlassen will. Für mich war es das richtige Buch zur richtigen Zeit.


    Stelle dich der Vergangenheit, und du wirst deine Träume für die Zukunft finden. (Seite 306)



    Kurzfassung:


    Gracie und Steven sind zwei Menschen mit traumatischen Erfahrungen, die sich begegnen und trotz - oder wegen - der Umstände erst zueinander finden müssen. Eingebettet in eine Handlung, die mir über weite Strecken wie ein amerikanischer Polizeithriller vorkam. Oder noch kürzer:
    Ein (für mich) spannendes Buch mit erstaunlichem Tiefgang.


    Edith hat die Links zur Serie ergänzt.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Hier noch die amerikanische Originalausgabe. Die Übersetzung schien mir gut gelungen; ich hatte nicht (wie in manchem anderen Buch) das Bedürfnis, das Original lesen zu wollen.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Danke. :-)


    Gestern Abend habe ich das im Eingangspost verlinkte Interview von Amy Wallace zu diesem Buch gelesen. Die Autorin hat in ihrer Kindheit und Jugend u. a. in München und Berlin gelebt. Ihr Vater war bei der Army, und sie erzählt von einem Besuch in Ost-Berlin. Ich habe das Autorinnenporträt entsprechend ergänzt.


    Derzeit lese ich mich durch die Website zur Buchreihe; ist ganz interessant.


    Falls „The Magic of Ordinary Days“ nicht diese Woche noch hier von seiner Reise über den großen Teich eintrifft, werde ich nach der jetzigen Leserunde mit dem Folgeband „Die Stunden, die zählen“ weitermachen. Er liegt bereits bereit.



    Edit ergänzt noch:
    Was ich im Eingangspost vergessen habe ist, daß alle drei Bücher eine Grundthematik haben:
    Dieses hier Vergebung, „Die Stunden, die zählen“ die Frage, ob man Gott (ver-)trauen kann und das dritte beschäftigt sich damit, was Gerechtigkeit ist.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Danke für die wunderbare Rezi! :anbet


    Zitat

    Original von SiCollier
    ... ein amerikanischer Polizeithriller ...


    Da ich nicht so recht weiß, was das eigentlich bedeutet, meine Frage: Ist das Buch ... ähem ... blutig/grausam, sprich wird en detail beschrieben?
    Nach Deiner Rezi wäre es durchaus ein Buch für mich, allerdings ... sh. Frage.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Da ich nicht so recht weiß, was das eigentlich bedeutet, meine Frage: Ist das Buch ... ähem ... blutig/grausam, sprich wird en detail beschrieben?


    Das ist nicht zu beantworten, ohne massiv zu spoilern. Also en detail nicht; bisweilen weiß man halt, ohne daß das beschrieben wurde, was da wohl passiert sein muß.


    Die Autorin hat in dem Buch u. a. ihre eigene größte Angst - die eigenen Kinder zu verlieren - verarbeitet. (Quelle: ihre Homepage.) Wie gesagt, Steven ist für entführte Kinder zuständig. Und da bleibt es eben nicht aus, daß nicht alle lebend nach Hause kommen.
    (Achtung: wie im Spoiler des Eingangsposts wird hier verraten, wer stirbt! Aber ohne das kann ich die Frage nicht beantworten.)


    Die äußere Handlung ist, wenn man so will, der Rahmen für die „eigentliche Botschaft“ oder Thematik, um die es der Autorin geht (hier: Vergebung). Daß sie das im Polizeimilieu ansiedelt, ist nicht ganz zufällig, hat sie doch selbst eine Polizeischule besucht und ist noch immer als Beraterin für die Polizei tätig. Sie kennt das also aus eigener Erfahrung.


    Beziehung zu Gott / Religion steht bei den Protagonisten sehr im Vordergrund; es wird viel darüber geredet, die Menschen beten auch. Wie ich in der Rezi schrieb: Beten, das Sprechen und auch das Hadern mit Gott sind einfach Teil des ganz normalen Lebens und so selbstverständlich wie Essen und Trinken.


    Um das jetzt ganz krass auszudrücken: ich fand es sehr erholsam, diese Komponente nicht, wie das heute sonst üblich ist, ausgeblendet zu sehen, sondern daß das bei Menschen in ganz normalen Berufen (Polizist, Lehrerin) eben Bestandteil des normalen Lebens ist. Und ich fand noch manches andere sehr angenehm, ohne das hier weiter ausführen zu wollen. Das zweite Buch der Trilogie „Die Stunden, die zählen“ steht schon lesebereit hier und kommt als nächstes an die Reihe. Das dritte dann gleich nach Erscheinen im Sommer.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Danke für die ausführliche Antwort. :anbet
    Ich werde es dann mal für ein paar helle, warme Tage einplanen. Zur Not kann ich ja immer noch abbrechen, obwohl ich das (zu?) selten mache.


    Zitat

    Original von SiCollier
    ... ich fand es sehr erholsam, diese Komponente nicht, wie das heute sonst üblich ist, ausgeblendet zu sehen, sondern daß das bei Menschen in ganz normalen Berufen (Polizist, Lehrerin) eben Bestandteil des normalen Lebens ist.


    Du solltest mal einen Blick auf die "Wege meiner Kinder"-Reihe von Karen Kingsbury werfen. Die könnten Dir gefallen. :schnellweg

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Du solltest mal einen Blick auf die "Wege meiner Kinder"-Reihe von Karen Kingsbury werfen. Die könnten Dir gefallen. :schnellweg


    Das sehe ich auch so; diese Reihe steht schon seit längerer Zeit auf meinem Wunschzettel. :-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Neben dieser äußeren Handlung gibt es, wenn man so will, noch die innere, den Weg, den die beiden Protagonisten zu ihrer Heilung zurücklegen müssen. Dazu müssen sie sich ihrer Verwundungen erst einmal bewußt werden und diese akzeptieren.


    Das Buch habe ich fast beendet, trotzdem möchte ich schon anfügen, dass für mich das "innere" Tatgeschehen fast wichtiger war als das "äußere", sprich die Entwicklung, die die Protas nehmen, ihr Fühlen und Denken auch angesichts privater und beruflicher Katastrophen unglaublich gut beschrieben und nachvollziehbar sind. Die Fakten sind, wie sie sind, geschildert, ohne allzu detailliert zu sein. Die Bilder, die vor meinen Augen standen, waren trotzdem plastisch, zu plastisch. Trotzdem werde ich Amy Wallace weiter lesen und weiter empfehlen!