Gary Small & Gigi Vorgan: iBrain - Wie die neue Medienwelt Gehirn und Seele unserer Kinder verändert
Das Buch beschreibt die mentale Kluft zwischen der Babyboomer-Generation (geboren zwischen 1946 und 1964) und der Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980) und vor allem der Generation Y oder Millennium (die zwischen 1981 und 2000 geboren wurde) (hm, das ist apokalyptische Denkungsart oder fängt's nach Z wieder mit A an?)
Die ersteren sind Digital Immigrants, und die zweiteren Digital Natives, und die Autoren orten zwischen denen eine tiefe geistige (und auch, obwohl nicht angesprochen, und es ist MagMa's anthropologischem und ethnologischem Dafürhalten vielmehr eine kulturelle) Kluft.
Die Menschen, die nicht mit Computern aufgewachsen sind, sehen die neuen Technologien kritisch, und ziehen persönliche Gespräche und Erledigungen vor, während die Digital Natives persönlichem Kontakt gegenüber eher unsicher und ablehnend gegenüber stehen, das kann man ja alles viel prägnanter und kürzer online erledigen, ohne sich das ausufernde Gelaber und blöde Rumgezicke des Gegenübers anhören zu müssen...
Die Autorin ist besorgt, und sieht den Verfall der persönlichen Gesprächskultur, der Autor legt ein Schäuferl nach, denn er hat die Daten: Ja, die neue Technologie verändert tatsächlich das Gehirn, und so sparsam wie es ist, reagiert dieses Gehirn in einigen Bereichen bei Technologiejunkies und Multitasking-genies und Computerspielfreaks doppelt so schnell, während es die Funktionen in anderen Bereichen eher einstellt. Früh vom Computer - aber auch TV-Virus befallene Menschen haben Probleme damit, sich in Gesprächen auszudrücken, oder emphatisch zu reagieren. Wer tippt, kann es sich überlegen, ehe er was abschickt, und ist nicht länger spontan oder er wird im Gegenteil bei rasanten online-Beschäftigungen und beständigem Multitasking hyperaktiv und kriegt auch als Erwachsener noch die adulte Form des ADHS (ständig mit was dringendem Anderem beschäftigt und in Eile, ohne, und das ist für Arbeitgeber besonders bitter, dabei mehr zu leisten).
Das Rezept der Autoren ist einfach: gelegentlich Ausschalten und Abschalten, und sich seinen Mitmenschen von Angesicht zu Angesicht widmen
- und die Tests in ihrem Kapitel 6 öfters wiederholen, die eine Art Früherkennung für drohende familiäre und private Probleme und Verhaltensstörungen und Persönlichkeitsveränderungen sind.
Dafür, dass das Buch kein blosses Jammerbuch für sich sorgende Mütter/Väter ist, sondern Hand und Fuß hat, sorgt der Autor Gary Small, Professor für Neurowissenschaften und Direktor des UCLA Memory & Aging Research Center an der Uni Los Angeles, der gelegentlich als Autor für Scientific American erscheint, und der in Amerika heiss populär diskutiert ist und als wichtigster Vordenker im Bereich Wissenschaft und Technologie gilt. Die Autorin, Gigi Vorgan ist TV-Produzentin und Wissenschaftsjournalistin, und dessen (offensichtlich leidgeprüfte) Ehefrau und Mutter seiner Kinder.
Eigene Meinung:
Jetzt bin ich zerrissen ob ich es verreissen soll, oder ob das Ganze eine handfeste Basis hat... Nu ja, MagMa zeigt Altersmilde, betrachtet ihre zwischen 10 und 20 Jahre jüngeren nachgeborenen Mitmenschen und sagt: ja, das Buch hat doch eine gewisse Berechtigung, obwohl ich es nicht so dramatisch sehe, wie amerikanische Mütter der Baby-Boomer-Generation, die über alle Maßen besorgt sind, wenn ihre Kinder und Lebensabschnittspartner, die begonnen haben, sich eingehend mit dem Computer zu beschäftigen, nicht mehr zum Essen erscheinen, oder nur noch einsilbige Antworten geben, und während tiefgreifender Beziehungsgespräche nebenbei am Handy smsen oder per Handy ins net gehen, weil das vor Sorgen vergreisende Gesicht der Lebenspartnerin/Mutter nicht so interessant ist, wie die diversen Werbungen und Messages am Bildschirmrand...
MagMas persönliche Meinung über 'tiefgreifende Beziehungsgespräche', und den sonstigen, belanglosen Müll , den gewisse Leute so den ganzen Tag von sich geben, lassen wir mal beiseite (Stell dir vor! Die Frau Müller nebenan ist schon wieder schwanger! - MagMa: Und? Höhepunkt? Geht's dich auch nur irgendwas an? Interessiert's mich? Nö.)... - mir ist es auch völlig egal, ob mich Leute, wenn ich mit ihnen rede, anschauen oder nicht, sie müssen nur tun, was ich von ihnen will, ich hab kein Problem ihnen deswegen eine sms zu schicken. (- Aber den Punkt mit der aggressiven, egoistischen und manipulativen Persönlichkeit, die mit allen Tricks andere davon überzeugen das zu tun, was sie wollen, hatten wir schon mal, hier wieder auf pagina 148... :rolleyes)
Es entwickelt sich dank/leids der Technik eine andere Gesprächs- und Umgangskultur, aber es gibt durchaus Kulturen, in denen es verpönt ist, sein Gegenüber anzusehen und durch Blicke zu beleidigen, und es gibt auch Kulturen, in denen allzufreundliches Küsschen-Gehabe sowie auch unerlaubter Körperkontakt tabu ist (man merkt, dass das Buch etwa von Kaliforniern und nicht von gleichaltrigen Engländern stammt, denn solchen fiele dieses Detail etwa gar nicht als so sehr verheerend ins Auge), und die Digital Natives, die mit hundert 'Freunden' online vernetzt sind, und sich über intimste Probleme austauschen, leben freiwillig in so einer gefühlsmässig spartanischen, körperlich zurückgezogenen Kultur, wohingegen sie geistig hoch flexibel und nicht länger besonders Autoritätsgläubig sind (was eine gewisse Konfliktbasis gegenüber respektgewohnten Älteren und Chefs vorprogrammiert, aber man zieht als flexibler Jobber halt einfach weiter, wenn etwas nicht länger befriedigt) sondern sich selbst für das Maß aller Dinge halten - was wir auch jeder für sich immer sind und waren, wir sind aber erst dabei, unsere Autonomie durch unsere a-soziale Lebensweise zu entdecken.
- Aber wartet nur noch ein, zwei Jahrhunderte, das kann alles noch ganz anders werden: man werkelt schon an den ersten gehirngesteuerten Computerbewegungen und auch an 'Telepathie'-Stirnbändern, mit denen man ohne Maus und Tastatur nur durch Willenskraft online gehen kann und dann liest man die Gedanken und Gefühle seiner Gesprächspartner, die Bänder auf derselben Wellenlänge haben sowieso, und die ganzen kommunikativen Mißverständnisse passieren nicht mehr... (und irgendwann in fernerer Zukunft wird es dann einmal heissen: Wir sind die BORG - Widerstand ist zwecklos.)
Das Mütter-/Ehefrauengejammere, über Probleme, die in meinen Augen gar keine sind, ist mir stellenweise gehörig auf die Nerven gegangen, aber ich weiss schon jetzt, dass meine Mutter, der ich es gleich weiterreiche, das Buch lieben und mir absatzweise daraus vorlesen wird, wie recht die Autorin doch hat, grad so, als ob ich's nicht schon gelesen hätte...
Trotzdem, doch, es ist ein treffendes Buch & kriegt 7 von 10