Dr. David Dosa
Oscar: Was uns ein Kater über das Leben und das Sterben lehrt
256 Seiten
Droemer/Knaur
1. Auflage Februar 2010
David Dosa ist Arzt in einem Pflegeheim für demenzkranke Menschen. In diesem Heim, das auch eine Art “Da”heim für die Bewohner ist, wird sich liebevoll um die Bewohner gekümmert. Dazu gehört auch, daß Haustiere vorhanden sind.
Dr. Dosa bekommt nun von einer seiner Schwestern erzählt, daß einer der Stationskater, Oscar, immer wieder bei Menschen anzutreffen ist, die dann innerhalb kürzester Zeit versterben. Dies geschieht so präzise wie ein Uhrwerk, daß das Pflegepersonal in solchen Fällen die nächsten Angehörigen verständigt, damit diese sich verabschieden können.
Als typischer Naturwissenschaftler ist David Dosa zunächst sehr skeptisch, was die Fähigkeiten von Oscar angeht, einen nahenden Tod zu spüren. Es werden Theorien erarbeitet, betrachtet, verworfen, versucht, alles auf eine begründbare Ursache zurückzuführen.
Doch auch das ist typisch für Wissenschaftler: Neugierde. Als die Überlegungen David nicht weiterbringen, beginnt er, Angehörige zu befragen, die in letzter Zeit ein Familienmitglied verloren haben. Und er bekommt Erstaunliches zu hören, Tragisches, Komisches, Bewegendes, Nachdenkliches, Trauer, Zorn, Wut und vor allem: Die Schwierigkeiten, die Angehörige damit haben, wenn ein Familienmitglied, häufig ein Elternteil, durch eine Demenzerkrankung ein völlig anderer Mensch wird und immer weiter in der Vergangenheit versinkt. Besonders tragisch erscheinen mir immer die Fälle, in denen die Kranken ihre eigenen Kinder oder Ehepartner nicht mehr erkennen, aber das ist leider der bei Demenzerkrankungen typische, zeitliche Verlauf.
Einfühlsam und leise berichtet Dosa von seinen Gesprächen, den Patienten, den Katzen und dem Heim, und auch davon, daß er durch diese Gespräche lernt, das zu schätzen, was wirklich wichtig ist: Das Leben, das man hat, und jeden Moment, den man genießen kann, denn jeder ist einzigartig.
Besonders hat mich beeindruckt, wie David Dosa sich für ein menschenwürdiges Sterben eingesetzt hat, in der Endphase der Erkrankung versucht, auf die Angehörigen einzuwirken, unnötige Untersuchungen zu lassen und nur noch palliativ zu behandeln. Häufig scheitert das an den Familienmitgliedern, die einfach (noch) nicht bereit sind, loszulassen und ihren geliebten Menschen gehen zu lassen. Auch hier spielt Oscar eine Rolle, viele Hinterbliebene schildern es als tröstlich, am Sterbebett nicht allein zu sitzen.
Ein Buch, auf das ich lange gewartet habe und das sich für mich in vielerlei Hinsicht gelohnt hat. Als Katzenliebhaber freue ich mich über schöne, anrührende Geschichten, in denen die Pelznasen eine Rolle spielen. Und als ambulante Hospizhelferin habe ich auch viel über Menschen mit einer Demenzerkrankung erfahren. Manches war bekannt, anderes auch für mich neu. Ich werde sicher das eine oder andere im Umgang mit dementiellen Menschen ausprobieren, denn auch das ist ein Fazit dieses Buches: Jeder Mensch ist mit seiner Erkrankung und seinem Leben anders, und so ist auch jeder Tod und jede Familie verschieden.
Bekannt würde Oscar übrigens auch durch Veröffentlichungen in medizinischen Fachzeitschriften, lediglich bei den Patienten hat David Dosa aus den verschiedensten Gründen andere Namen gewählt oder die Geschichten ein wenig “vermischt”, damit die Anonymität der Patienten und Angehörigen gewahrt bleibt. Dies erwähnt er in seinem ausführlichen Nachwort, in dem er auch darauf eingeht, was Angehörige für Demezerkrankte tun können. Auch geht er auf die verschiedenen Demenzerkrankungen ein, denn es gibt neben der bekannten Alzheimer-Erkrankung weitere dementielle Erkrankungen, die sich doch sehr unterscheiden können.
Abgerundet wird dieses Buch zusätzlich mit Zitaten über Katzen, die jedem Kapitel vorangestellt sind. Ein rundum gelungenes, wunderbares Buch, trotz der schwierigen Thematik, die hier sehr gut umgesetzt worden ist.
Schlußendlich bleibt mir nur zu sagen, daß es mich sehr freuen würde, jetzt schon zu wissen, daß am Ende meines Lebens mindestens ein Kater wie Oscar bei mir wäre.
Eulenzusatz: Ich hoffe, Zeitgenössisches trifft es am Besten, irgendwie hatte ich Schwierigkeiten, das Buch einzuordnen, es hätte auch in Biographie gepaßt - oder in Sachbücher. Da es aber hauptsächlich erzählenden Charakter hat, hab ich es mal hier abgelegt.
12 von 10 Punkten
Edit fügte noch ein Wörtchen ein