Ich war mir nicht wirklich sicher, wo ich dieses Buch einordnen soll. Es ist eigentlich weder Autobiographie, noch Sachbuch, aber hier passt es wohl noch am ehesten hin.
Eigentlich hat es auch wenig Sinn, es hier vorzustellen, da ich annehme, dass die Zielgruppe sehr gering ist. Aber, was soll’s. Ich habe einfach Lust, noch ein bisschen ausführlicher darüber zu plaudern, als bei Amazon. Also nehme ich mir einfach meine kyrrdis-Rezension von dort und baue sie etwas um und aus.
Autoren:
Russell T. Davies, geboren in Wales, ist Produzent und Chef-Autor der wiederbelebten "Doctor Who"-Serie bis inkl. der 4. Staffel, sowie der Ableger-Serien "Torchwood" und "Sarah Jane Adventures". Zu seinen anderen bekannten Werken gehört vor allem die TV-Miniserie „Queer as folk“.
Nach seinem Ausscheiden bei „Doctor Who“ ist er gemeinsam mit der DW-Produzentin Julie Gardner nach L.A. umgezogen, um voraussichtlich für BBC Worldwide America zu arbeiten.
Benjamin Cook ist ein englischer Journalist, der u.a. für das "Doctor Who Magazine" schreibt und oft bei den Dreharbeiten anwesend ist.
Die beiden Männer scheinen miteinander befreundet zu sein, was den Ton der E-Mails prägt.
Dieses Buch umfasst den E-Mailaustausch zwischen Davies und Cook von 18.02.07 bis 05.09.09 und hat zum Inhalt, wie Davies Drehbücher für die TV-Serie "Doctor Who" verfasst. Und noch eine ganze Menge mehr.
Die Idee zu diesem Buch entstand aus Cooks Anregung, den Entstehungsprozess zu einem DW-Drehbuch zu dokumentieren. Davies berichtet also per E-Mail über das Vorankommen (oder auch nicht) und seine Ideen. Er selbst beschreibt es irgendwann im Buch als eine Art Tagebuch, das antwortet.
Es wurde etwas mehr daraus als der ursprünglich geplante Artikel. Auch werden in den E-Mails weit mehr Themen als "nur" DW behandelt. Im Prinzip ist es ein Ausschnitt aus über 2 Jahren von Davies' Leben, inkl. seines schwierigen Privatlebens im ständigen Wechsel zwischen Cardiff, London und Manchester, wo sein Partner lebt und dem ewigen Kampf gegen leere Seiten, zu lange Drehbücher, schwindende Budgets, näher rückende Deadlines und sonstige Widrigkeiten des TV-Geschäfts.
Das Buch liest sich unfassbar interessant und stellenweise sehr witzig.
Meine Lieblingsstelle:
ZitatFrom: RTD to: BC, 21.07.08
I received Typo Of The Week this morning, a letter asking me to talk at the Oxford Student Union. ‘Your work, including Queer as Folk and The Second Coming, confirms you as one of the television writers working in Britain today.’ Do you think they meant to put an adjective in there? Sexiest? Tallest? Welsh-est?
Seite 410
Es hilft, dass Davies nicht nur sehr offen schreibt, sondern auch ein ausgesprochen interessanter Mann ist, wenn auch etwas megalomanisch. Dies ist ihm allerdings bewusst und es stört ihn kein bisschen. Mich ehrlich gesagt auch nicht. Gleichzeitig durchlebt er aber auch immer wieder Phasen von massiven Selbstzweifeln, wenn Drehbücher nicht und nicht Gestalt annehmen wollen.
Cook ist nicht nur passiver Mail-Empfänger, sondern entlockt Davies oft faszinierende Erkenntnisse durch kontroverse Fragestellungen und erzählt von Erlebnissen beim Drehen, wo er oft anwesend war. Spannend sind die Stellen, wo er sich von „silent Ben“ in „visible Ben“ verwandelt und durch Kommentare und Vorschläge aktiven Einfluss auf manche Entwicklung nimmt.
Der Schwerpunkt liegt auf der vierten Staffel der Serie und man kann teilweise fast minutiös mitverfolgen, wie aus einem Funkeln in Davies' Augen am Ende ein Drehbuch wird. Es werden vor allem die Specials, beginnend mit 4.X „Voyage of the damned“ bis 4.18 „The end of times: Part Two“ behandelt.
Wenn man die Serie kennt ist es besonders reizvoll zu sehen, wie grundsätzlich sich vieles verändert hat. Oder, was mich stets fasziniert, welche weitreichenden Folgen ein einzelnes Ereignis auf die spätere Entwicklung hat. So musste zB ein Schauspieler in der ersten Folge der 4. Staffel in letzter Minute krankheitsbedingt ausgewechselt werden. Dies führte letzten Endes zum herzzerreißenden Ende der 4. Staffel von DW. Es hätte alles ganz anders kommen können.
Oder eine andere Figur, deren Überleben in der Serie nur dadurch gerettet wurde, dass der Schauspieler zum Drehen unabkömmlich war, was wiederum zu einer ganz anderen Szene aus dem Staffelfinale geführt hat.
Am Ende steht das Ende einer Ära, als Davies das Zepter an Steven Moffat übergibt (und David Tennant die TARDIS an Matt Smith) und zu neuen Herausforderungen nach Hollywood aufbricht. Sehr nett ist, dass Davies am Ende, tatsächlich am Tag bevor er in die USA fliegt, noch einmal die allererste Folge des neuen DW, 1.1 „Rose“ ansieht und kommentiert. Das rundet dies alles wunderschön ab.
Man darf gespannt sein, ob man je wieder eine interessante und vor allem hoffentlich kontroverse neue von Davies geschriebene Serie erleben wird. „More gay men“? „Torchwood USA“? Lassen wir uns überraschen.
Gut, dass es auch in den USA E-Mail gibt. Leider werden wir nie wieder bei ihm und Cook, falls sie ihren schönen Austausch fortsetzen, mitlesen dürfen.
Ich würde die Zielgruppe für dieses Buch auf jene einschränken, die „Doctor Who“ kennen und idealerweise mögen. Ich bin mir nicht sicher, ob es anderfalls viel Sinn ergibt. Besonders, da Davies beim Schildern vom Drehbuchschreiben immer wieder betont, dass das einfach nur seine persönlichen Vorlieben sind und kein Leitfaden, da es so etwas nicht gibt.
Auf jeden Fall ist dies ein hochinteressantes und teilweise witziges Buch, das mir grenzenloses Vergnügen bereitet hat, von der ersten bis zur letzten Seite.
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