Inhaltsangabe (der Rückseite des Buches entnommen):
9. n. Chr. - die Überraschungsschlacht in den germanischen Wäldern ist verloren. Der Reitertribun Cornelius Flavius hat als einer der wenigen Römer schwer verletzt überlebt und ist in germanische Gefangenschaft geraten. Was wird mit ihm geschehen? Sicher ist, dass man ihn nicht freilassen wird. Arminius hat andere Pläne mit ihm.
Zwei Männer treffen aufeinander, deren Herkunft und Lebensziele nicht unterschiedlicher sein könnten. Dem Cheruskerfürsten ist klar, dass diese Schlacht erst der Anfang vom Ende war und er allein nicht dazu in der Lage sein wird, sich den erneut herandrängenden Römern entgegen zu stellen.
Über die Autorin
macht das Buch keine Angaben. Man kann dem Vorwort entnehmen, dass sie schon länger Geschichten über das Leben einzelner Personen vor historischer Kulisse schreibt und die Leitung von Studienreisen anlässlich des Varusjahres gemacht hat.
Meine Meinung:
Auch wenn das Varusjahr nun schon wieder Vergangenheit ist, hatte ich mich auf das Buch gefreut. Allerdings hat es bei mir mit zunehmender Lesedauer zwei stetig drängender werdende Fragen aufgeworfen, nämlich die über Sinn und Zweck von und über Dürfen und Sollen in sogenannten historischen Romanen und, fast noch wichtiger: Sollte ich und wenn ja, in welcher Weise, mich über ein Buch auslassen, dass mir stellenweise wenig zugesagt hat, das mir manchmal sogar ein verärgertes Stirnrunzeln entlockt hat? Auch wenn ich das in der Vergangenheit schon getan habe, bleibt bei mir doch das ungute Gefühl, vielleicht jemandem Unrecht zu tun. Schließlich hat sich ein Autor, egal ob männlich oder weiblich, nicht geringe Mühe gegeben, hat Zeit aufgewendet, um Recherchen zu tätigen etc. Ist Kritik erwünscht, ist sie und wenn ja, in welchem Maße, erlaubt, ist sie hilfreich oder richtet sie Schaden an, denn letztlich bin ich „nur“ eine Leserin, die, im Gegensatz zu Profi-Kritikern und Historikern, nicht viel mehr als ihr weniges Wissen und ihr Baugefühl sprechen lassen kann.
Um was geht es?
Ein Buch, bestehend aus Vorwort, Romantext, Hinweisen in eigener Sache, einem Glossar (bestehend aus Lateinische Begriffe und historische Personen im Überblick), einer Karte der germanischen Stämme und römischen Lager sowie logistischen Eckwerten einer römischen Legion und sodann Nachgedanken. Ein Buch, dem eine interessante Idee zugrunde liegt, nicht unbedingt neu, aber reizvoll. Ein Buch, das mir von Cornelius Flavius erzählt, einem römischen Reitertribun, der zu Beginn der Varusschlacht schwer verletzt in germanische Gefangenschaft gerät, in dieser sein Bild nicht nur über die Germanen, sondern auch über die Römer beinahe auf den Kopf gestellt sieht und eine Karriere macht, die geradezu atemberaubend anmutet. Ein Buch, in dem aus Cornelius Flavius Cornelius Lupus wird. Ein Buch, von dem ich mir ein weiteres Puzzleteilchen erwartet habe, um meinem Arminius-Bild ein weiteres Stückchen näher zu kommen.
Nach Ablauf des groß gefeierten Varusjahres dürfte die (dürftige) Quellenlage bekannt sein, so dass den eigenen Ideen (fast) keine Beschränkungen auferlegt sind. Und es scheint beinahe so zu sein, dass man, wenn man über Römer und Germanen zu jener Zeit einen Roman schreibt, nicht anders könne, als sich für eine Seite zu entscheiden. Cornelia Müller-Hisje trifft diese Entscheidung zugunsten Arminius und seiner Mitstreiter.
Der Roman ist aus der Ich-Perspektive des Cornelius Flavius erzählt, durch seine Augen betrachtet scheint der Gegenspieler des Varus wenig liebenswerte, geschweige denn ehrenwerte Züge zu haben, allerdings wandelt sich das Bild, je näher Cornelius Arminius kennenlernt. Sie haben alle ihren Auftritt, Segestes, Inguiomer, auch Germanicus und so manche andere, denn das Buch umfasst die Jahre von 9 n. Chr. Bis 21 n. Chr. Auch die unglückliche Thusnelda findet ihre Erwähnung, die allerdings in der Autorin Buch gar nicht so unglücklich darüber war, römischer Obhut „anvertraut“ worden zu sein. Vom Inhalt selber muss gar nicht viel erzählt werden, denn es geht letztlich um die Schlachten, die Arminius zu schlagen hatte, es geht darum, dass sich Cornelius in der germanischen Welt immer besser zurecht findet, sie eintauscht für seine römische.
Mit vielem hätte ich mehr oder weniger meinen Frieden machen können, mit der Liebesgeschichte beispielsweise, die ich, so wie sie dargestellt ist, eigentlich nicht glauben kann, hätte ich mich quasi arrangieren können, zum Beispiel mit dem, was ich weiter oben die Karriere des Protagonisten genannt habe, sogar damit, dass er arg blauäugig daherkommt, wenn es um Wissen und Nichtwissen dessen geht, was römische Truppen an- und ausrichteten. Auch die versteckten Andeutungen hinsichtlich der Orte der Schlachten, besonders eine gegen Germanicus, auch die exponierte Bedeutung, die die Externsteine in dem Buch haben, hätten mich nicht aus meiner Ruhe aufscheuchen können, wenn da nicht das für mich größte Problem wäre, nämlich die Sprache:
Cornelia Müller-Hisje befleißigt sich einer sehr modernen Sprache, da klingt manches, als hätte die Autorin ihre Studienreise-Vorträge ein wenig abgewandelt in die Romanhandlung eingebaut, was angesichts der Ich-Erzählweise m. E. nicht unproblematisch ist. Da gibt es Sätze wie (es handelt sich um Sätze jeweils aus einem Gespräch)
„Dieses Getue um germanische Identität und germanische Bräuche ist doch völlig überflüssig.“ (Seite 26)
„Römer definieren sich nicht über ihre Frauen, oder?“ (Seite 121)
„Man hat ihnen ein System aufoktroyiert, das ihrem eigenen Rechtsverständnis so völlig widerspricht.“ (Seite 69, 70)
Auf der anderen Seite benutzt Cornelius im Reden und Denken, besonders wenn es um militärische Belange geht, weiterhin lateinische Begriffe.
Nun gut, diese Art und Weise der Darstellung und Formulierung ist das gute Recht der Autorin und ich habe es letztlich zu respektieren. Ich kann aber nicht umhin, einzugestehen, dass ich mich hin und wieder, besonders aber bei Sätzen wie
„Wir waren uns begegnet, als ich 4 nach der Zeitenwende zur Kavallerie wechselte.“ (Seite 24)
als Leserin nicht gerade ernst genommen, wenn nicht stellenweise gar veralbert fühle. Cornelia Müller-Hisje bemüht sich zwar in ihren Hinweisen in eigener Sache um Aufklärung, warum sie die lateinischen Begriffe verwendet hat, ihre Begründung für die Zeitbezeichnung hat mich nicht ansatzweise überzeugt, zumal es eine ebenso einfach wie elegante Lösung für das Problem der „Zeitschiene“ (Seite 316) gegeben hätte.
In einem ihrer letzten Sätze des Buches (Nachgedanken – Seite 335) gibt die Autorin ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sie Cornelius Lupus „uns“ noch einmal begegnen möge. In diesem Falle wünsche ich ihr und ihren begeisterten Lesern viel Vergnügen, mir hat die einmalige Begegnung vollkommen ausgereicht.
Edit: Zwei Unklarheiten hoffentlich beseitigt.