Herta Müller - Atemschaukel

  • Habe mich nun an DAS Werk unserer Nobel-Preisträgerin rangetraut, nachdem ich mich zuvor mit ihrem "Herztier" auf ihre sehr kunstvolle hochliterarische Sprache eingestellt hatte.


    Inhalt: Herta Müller erzählt hier die Lagergeschichte des Rumänien-Deutschen Oskar Pastior, mit dem sie bis zu seinem Tod an dem Buch gearbeitet hat. Er wird 1945 von den Russen aus Rumänien abgeholt, um in einem Arbeitslager fünf Jahre im tiefsten Russland zu schuften.


    Eigentlich würde ich das Buch gar nicht als Roman bezeichnen, handelt es sich doch um einzelne, teilweise nur 1 Seite kurze, Anekdoten, Beschreibungen/Erzählungen über Personen, Besonderheiten des Lageralltags etc.


    Mich hat das Buch bis jetzt (ca. 1/3 gelesen) enttäuscht. Durch die sehr metaphorische künstlerisch verfremdete Sprache entsteht eine Art Distanz zum Stoff und zur Person des Protagonisten und der anderen Handelnden. Das Buch fließt manchmal allzu zäh dahin, wenn ich es mit vergleichbaren Büchern über Lagerinsassen (KZ, Gulag) vergleiche, hat es zumindest bis jetzt noch nicht, erreicht, dass mich der Schrecken des Lageralltags wirklich erreicht.


    Cornelia

  • Sorry, sehe gerade, dass ich versehentlich ein neues Thema aufgemacht habe. Könnte vielleicht jemand, der Ahnung hat, so freundlich sein, meinen Post in den Thread "Was lest ihr grade" zu verschieben?


    Sorry nochmal.


    Cornelia

  • Okay, dann soll es meinetwegen so bleiben, fand es nur etwas verwirrend und habe mich gefragt, welche Kriterien nun wohl gelten, wenn man ein eigenes Thema aufmacht und nicht im großen Thread schreibt...


    Danke für die Nachricht.
    Cornelia

  • Letztes Jahr haben wir in einer Übung ein Gedicht von Oscar Pastior interpretiert. Ich wurde neugierig und hab mir Atemschaukel in der Bücherei ausgeliehen.
    Mir schien auch, dass sich das Buch zum Teil sehr zäh liest, und die Thematik den Leser nicht ganz so berührt wie es eigentlich sein sollte. Fertig geworden bin ich auch nicht, da irgendwann die Leihfrist endete und ich einfach nicht voran kam.
    Es ist allerdings kein Buch bei dem ich sagen würde, ich wage keinen weiteren Versuch mehr. Irgendwann leih ich es mir nochmal aus, vielleicht gefällt es mir dann besser.

  • Ich habe es gelesen und muss Dir recht geben. Die Sprache an sich ist schon bemerkenswert, aber das ist einfach zu viel, insbesondere für dieses Thema.


    Herta Müller sprüht mit Wort(neu)schöpfungen und dabei geht der Schrecken des Lagerlebens fast unter.
    So empfand ich dies zumindest.


    Ursprünglich wollte sie das Buch ja mit Pastior zusammen schreiben. Wäre wirklich interessant gewesen, wenn ein direkt Betroffener da mitgeschrieben hätte.
    Wirklich traurig :-(.

    Liebe Grüße, Sigrid

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  • Ja, Sigrid, so ging es mir auch. Doch ihre Wort(neu)schöpfungen, ihre ungewöhnlichen Bilder und Metaphern, nutzen sich ab, wenn sie sie wiederholt. Und das tut sie.


    Ich als Leser nehme dem Protagonisten nicht so richtig ab, dass er Hunger hat, dass er Angst hat etc. Das ist für mich das große Manko des Buches. Die große Distanz, die sie durch ihre Sprache aufbaut. Ich bin nicht "drin" in diesem Prot.


    Cornelia

  • Ich kaue an dem Buch auch schon seit Ende September. Schwere Kost, finde ich, die man vielleicht besser scheibchenweise genießen sollte. Die "Atemschaukel" liegt deshalb bei mir auf dem Nachttisch, ich greife immer danach, wenn ich nachts mal nicht durchschlafen kann. Ein, zwei Kapitelchen strengen mich dermaßen an, dass mir danach die Augen zufallen und ich friedlich weiter schlummere. :grin Aber ich möchte eine Lanze für Herta Müller brechen. Ihre Sprache und ihre Wortgewalt sind absolut einzigartig und unverwechselbar. Für mich ist es sehr gut nachvollziehbar, dass sie den Nobelpreis bekam. Das Kapitel über den Zement, wie er sich selbständig macht, überall hinkriecht... das ist ganz, ganz große Kunst. Und als solche lese ich das Buch. Der Inhalt ist für mich eher zweitrangig.

  • Ja, Rita, da muss ich dir zustimmen, ganz große Kunst, und völlig zu Recht den Nobelpreis, aber man kann es nur häppchenweise genießen.


    Cornelia

  • kleiner Zwischenstand: Bin jetzt fast am Ende und muss sagen, meine Meinung hat sich nicht geändert. Habe viele Seiten sogar überblättert. Sie erzählt fast ausschließlich vom Hunger, seiner Erscheinungsform, seinen Auswirkungen, den Phantasien, die damit einhergehen, natürlich von der Erinnerung an Essen und den Zeremonien um das Essen im Lager. Deshalb hätte ich das Buch auch "Hungerengel" genannt, denn diese Wortschöpfung kommt sowieso ständig vor (das meinte ich auch mit den Wiederholungen).


    Wenn sie nicht vom Hunger erzählt, dann von der Arbeit, die die Menschen dort ausüben müssen. Und zwar bis ins kleinste Detail. Für mich wirklich ermüdend und völlig uninteressant.


    Selten bin ich von einem Buch so enttäuscht worden.


    Cornelia

  • Nun ja, ich könnte mir schon denken, dass dieser bohrende Hunger die Insassen gedanklich praktisch ständig beschäftigte.
    Dazu mussten sie unmenschlich hart arbeiten, obwohl sie ja völlig ausgezehrt waren. Ich denke, da denkt man an nicht viel anderes mehr.


    Mir war die Sprache nur für diese Schrecknisse zu "schön", wenn Ihr versteht, was ich meine. Dazu hätte ich mir eine schlichte, karge Sprache besser vorstellen können.

    Liebe Grüße, Sigrid

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  • Zitat

    Original von Sandrah
    bin schon ein paarmal drum herumgeschlichen ... habs aber noch nicht gekauft.


    Ich kenn deinen sonstigen Lesegeschmack nicht, würde aber spontan sagen: lass es und kauf dir was anderes, spar dein Geld oder geh schön essen davon. Lies dir mal die Rezis bei amazon durch, hab ich gestern gemacht und bin froh, dass es noch viele, viele andere Leute gibt, die meiner Meinung sind.


    gruß Cornelia

  • Zitat

    Original von CorneliaL


    Ich kenn deinen sonstigen Lesegeschmack nicht, würde aber spontan sagen: lass es und kauf dir was anderes, spar dein Geld oder geh schön essen davon. Lies dir mal die Rezis bei amazon durch, hab ich gestern gemacht und bin froh, dass es noch viele, viele andere Leute gibt, die meiner Meinung sind.


    gruß Cornelia


    Also, ich würde mal spontan sagen: in eine Buchhandlung gehen und reinlesen, dann kann man vielleicht eher darüber urteilen, ob es einem selbst gefällt oder nicht. Gut, Dir hat es nicht gefallen. Für mich ist es auch alles andere als ein Lieblingsbuch - aber trotzdem besonders. Ich stimme auch dem Urteil mehrerer Rezensenten zu, wenn sie sagen, die Sprache würde nicht so hundertprozentig zum Thema passen. Auf der anderen Seite hat mich Herta Müllers Sprache umgehauen. Kann ich nicht anders sagen. Ich bin froh, dass ich es gelesen habe, auch, wenn es kein Lieblingsbuch für mich geworden ist.


    Edit: Und in der Bibliothek ausleihen spart sogar noch Geld für´s essen gehen. ;-)